... denn alles ist Vorherbestimmt. Elisabeth Schmitz

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Название ... denn alles ist Vorherbestimmt
Автор произведения Elisabeth Schmitz
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783967526776



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tun wollen, dann sagen Sie es nicht. Dr. Weber hat viel zu verlieren und ist über den Tod seiner Frau immer noch nicht hinweggekommen. Er wird für alles aufkommen, das kann ich Ihnen versprechen.«

      Tina schaute ihn von unten her an. Hatte der Augen! Natürlich würde sie ihm jeden Gefallen tun. Er war ja auch nicht schuld. »Nein, ich werde sagen, ich sei auf die Kante der Grabeinfassung gestürzt. Bin ich ja auch irgendwie. Es wurde nur ein wenig nachgeholfen. Na ja, ein wenig ist untertrieben. Bringen Sie das wieder in Ordnung?«

      Er streichelte ihr Knie.

      »Ja, ich werde alles tun, damit Sie später Marathon laufen können.«

      »Huch«, meinte Tina mit einem verschmitzten Lächeln, »Sie können Wunder vollbringen? Das konnte ich vorher nicht.«

      Sie öffnete ihre Handtasche und gab Dr. Bergheim ihre Krankenversichertenkarte.

      »Die wollte Schwester Anna von mir haben. Können Sie sie ihr geben?«

      »Klar, mache ich gleich. Oh, da kommt sie ja. Hier Anna, die KV-Karte von Frau Braune. Und informiere bitte Stefan, dass er ihr die Gipsschiene anlegt. Danach kommt sie auf die Privatstation.«

      Schwester Anna schaute auf die Versichertenkarte und fragte, ob sie wirklich auf die Private solle. Der Arzt nickte ihr zu, und sie ging in das Nebenzimmer.

      »Bekomme ich nun einen Gips?«, fragte Tina erwartungsvoll. Dr. Bergheim nickte.

      »Ja, das wird sich wohl nicht vermeiden lassen.«

      »Nein, nein«, meinte Tina, »ich freue mich ja darüber. So brauche ich wenigstens nicht operiert werden. Das ist doch super, wenn es im Gips wieder heilt.«

      Betreten schaute Dr. Bergheim nun zu Boden.

      »Das wäre schön. Aber wir werden wohl um eine OP nicht herum kommen.

      Der Knöchel ist völlig zertrümmert. Wir müssen ihn mit Draht und Schrauben wieder herrichten, damit er wieder zusammenwachsen kann. Dieses wird dann später wieder entfernt.«

      »Und warum operieren Sie nicht jetzt, bevor ich den Gips bekomme?« fragte Tina.

      »Das täte ich ja gerne, aber die Schwellung ist zu stark. Wir müssen erst mal sehen, dass der Fuß wieder ein Fuß ist und kein Fußball. Bitte vertrauen Sie mir. Ich mache alles so, dass es für Sie gut ist. Vertrauen Sie mir?« Tina nickte.

      »Ja«, hauchte sie, »bedingungslos.«

      Wieder ein anderer Mann im weißen Kittel erschien und nahm sie mit. Er stellte sich als Stefan Luger vor und meinte, dass er ihr zartes Füßchen mit einer Schiene verzieren würde. Wie witzig, dachte Tina und sagte kein Wort.

      »Wie ist denn das passiert?«, fragte er nun.

      »Sie waren wohl vor den hübschen Männern auf der Flucht und sind dabei gestürzt. Hahahahaha.«

      »Nein«, meinte Tina, »so war es nicht. Ich habe einen Mann, der blöde Kacke geredet hat, in den Hintern getreten und bin stecken geblieben!«

      So ein Blödmann! Aber anstatt nun die Klappe zu halten, lachte er erst recht los. Tina schnaufte wie ein Drache. Als er fertig war, fragte er sie, ob er noch ein Schleifchen drum machen solle.

      Sie sagte ihm: »Wenn Sie nun noch ein Wort zu mir sagen, dann trete ich Ihnen mit dem gesunden Fuß sonst wo hin.«

      Und wieder fing er schallend an zu lachen.

      »Dann müssen wir den ja auch wieder eingipsen, wenn Sie richtig treffen!«

      Endlich kam die Schwester wieder und holte sie ab. Tina fragte sie, was das denn für einer wäre. Es sei ja kaum auszuhalten mit dem.

      »Ja«, lachte diese, »Stefan ist etwas speziell. Aber er ist ein ganz netter. Er will mit seinen coolen Sprüchen die Schmerzen der Patienten übertünchen.«

      »Stimmt«, meinte Tina nun, »an meine Schmerzen habe ich gar nicht mehr gedacht. Hab mich nur über den aufgeregt.«

      Nun war sie wieder besänftigt.

      Tina wurde auf ihr Zimmer gebracht. Es war ein sehr schöner Raum mit Blick auf den Park. Zwei Krankenpfleger hoben sie von ihrer Liege in ein weiches, wohliges Bett. Die Bettwäsche hatte ein Muster aus lauter kleinen Wildblüten. Woher wissen die bloß, dass ich so etwas mag?, dachte Tina.

      Nun wurde ihr Fuß hoch gelagert, und ihr wurde ein Tropf angelegt.

      Eine Schwester kam und fragte sie, ob sie einen Wunsch habe. Ja, den hatte sie. Sie wollte etwas schlafen. Sie war todmüde. Aber vorher wollte sie Maries Mutter anrufen, dass sie in der nächsten Zeit nicht kommen könne.

      Sie bat die Schwester, ihr ihre Handtasche zu geben und kramte ihr Notizbuch mit den Telefonnummern hervor. Sie wählte die Nummer und Frau Heidemann war auch sofort dran.

      »Tina, ich mach mir schon solche Sorgen!«, sagte sie.

      »Was ist denn bloß passiert?«

      Tina erzählte ihr die ganze Geschichte und dass sie nun im Krankenhaus sei. Noch während des Telefonats kam eine ältere Schwester herein und stellte auf den Nachttisch ein Tablett mit einer köstlich duftenden Käsesuppe und diversen Brotsorten, drei Sorten Marmelade und Butter. Daneben stand ein Kännchen mit Tee.

      Tinas Magen knurrte laut, und sie steckte sich ein Stück Brot in den Mund. Dann schloss sie die Augen. Lecker!

      Sie verabschiedete sich von Maries Mutter und versprach, sich bald wieder zu melden.

      Als alles aufgegessen war, legte Tina den Kopf zurück in das Kissen, dachte an Marie, wo sie denn nun wohl sei und schlief augenblicklich ein.

       6.

      

      

      

      

      Dr. Peter Weber war noch auf dem Friedhof geblieben, als Tina mit dem Krankenwagen fortgebracht wurde. Er goss die Stiefmütterchen auf Maries Grab und zündete die Kerze an. Dann ging er zu Marthas Grab und sagte ihr, dass er sie vermissen würde. Das tat er seit ihrem Tod jedes Mal.

      Heute fügte er noch leise hinzu: »Du warst mit einem riesigen Rindviech verheiratet. Was ich heute getan habe…

      Ich wünschte, du wärst noch da. Bestimmt hättest du einen Weg gewusst.« Dann brachte er die Kannen weg, packte alles ins Auto und fuhr los.

      Ein Berg voller Arbeit wartete auf ihn. Als er dann im Klinikum ankam, fing es leicht zu regnen an. Wenn ich das gewusst hätte, dachte er, dann wäre ich gar nicht zum Friedhof gefahren zum Gießen. Dann wäre das alles gar nicht geschehen. Auf dem Flur vor seinem Sprechzimmer warteten zwei Personen auf ihn. Er ging zu seiner Sekretärin und fragte sie, was die Leute wollten.

      »Gut, dass Sie da sind, Chef«, sagte sie.

      »Das sind Herr und Frau Meyzer. Er hat einen Tumor im Kopf und will, dass Sie ihn operieren. Sie seien der Beste, hätten sie gehört. Sie würden nicht weggehen, bevor sie sich ihn nicht angeschaut hätten.« Dr. Weber zog die Augenbrauen hoch.

      »Ich operiere den nicht. Wenn eine Operation nötig ist, dann sind hier viele, die es machen können. Was spricht dagegen, dass die anderen drei ihn operieren?«, fragte er erstaunt.

      Sie tippte auf ihren Bildschirm.

      »Chef, wir sind voll. Ich weiß nicht, wie ich ihn dazwischen nehmen soll. Wenn wir damit anfangen, dass die Leute sich hier einfach hinsetzen, dann können Ihre Kollegen Tag und Nacht operieren, und es reicht immer noch nicht.

      Wo waren Sie denn bloß so lange? Es liegt eine Liste aller Anrufe auf Ihrem Schreibtisch. Bitte rufen Sie zurück. Ich habe es versprochen, denn sie sind alle sehr wichtig. Was soll ich denn nun mit den Leuten da machen? Die gehen nicht weg.«

      »Ich kümmere mich darum. Danke