Strategie als Beruf. Maximilian Terhalle

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Название Strategie als Beruf
Автор произведения Maximilian Terhalle
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783828874107



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realpolitischer oder politikfeldbezogener Kooperation verschiedentlicher Intensität keineswegs a priori aus.

      Für Kissinger ist deshalb alles strategisches Planen von der Formulierung einer Konzeption der Zukunft der internationalen Politik abhängig. Die Notwendigkeit hierzu begründet er damit, dass Strategie – wiewohl informiert von der Historie – immer an der Schwelle von der Gegenwart in eine ungewisse Zukunft hinein operieren muss. Die strategische Konzeption der Ordnung hält dabei Grundpfeiler und Kernziele der Zukunft fest, für die die Strategie anpassbare Optionen zu ihrer Erreichung anbieten muss. Sie tut das, indem das langfristige Ziel einer bestimmten Ordnung und deren Konturen strategisch im kurz- und langfristigen außenpolitischen Handeln als roter Faden reflektiert sein muss.

      Der Wille zum Handeln, der solcher strategischen Initiativkraft zugrunde liegt, muss dabei alle einem Strategen zur Verfügungen stehenden, sich potenziell bietenden und zuweilen manipulierbaren Mittel nutzen. Josep Borrell, der EU-Außenbeauftragte, implizierte dies Anfang 2020, als er von einer neuen weltpolitischen Realität sprach, bestehend aus „issue linkage“ und „raw power politics“, „[where] we see economic tools, data streams, technologies, and trade policies used for strategic ends.“ Dabei spiegelt der bei der praktischen Umsetzung des strategischen Urteilsvermögens gewählte Stil die an der Zukunftskonzeption orientierte, scharfsichtige Entschlossenheit des Strategen wider. Zu den Formen dieses gegenüber nicht-verbündeten Staaten angewandten Stils gehören nicht nur aber auch Chuzpe, Finesse sowie „Wachsamkeit, Kampfbereitschaft und Kaltschnäuzigkeit“ (Schwarz 1985, 165; s.a. Welch 2005, 8–9).

      Carl von Clausewitz: Denkmodell Strategiedynamiken

      Clausewitzens in der Forschung heute unbestritten am meisten anerkannte Leistung besteht darin, nicht-lineare und reziproke Wirkungsdynamiken in Konfliktsituationen erkannt zu haben. Seine „wunderliche Trinität“ des Krieges aus Gewalt, Zufall und politischem Zweck legte dabei den Grundstein seiner Theorie von und für Strategie. Er hinterfragte einfache Ziel-Wirkung-Annahmen, die sich auf seinerzeitige (und auch heute anzutreffende) rationalistische Kalkulationen der vorhandenen Mittel in Bezug zur Erreichung von Zwecken beriefen. Er formulierte dadurch einerseits ein Verständnis für die Akzeptanz von Zufällen und für die reziproke Dynamik diplomatisch-militärischer Konfliktentwicklungen sowie andererseits die begrenzte Steuerungsmöglichkeit beider durch eine exakte politische Zielbestimmung im Sinne eines Plans. Friktionen werden vielmehr qua natura von eben dieser Trinität generiert und erschweren in erheblichem Maße die kognitive Greifbarkeit und analytische Beantwortung ihrer diffusen und komplexen Dynamik untereinander durch den Strategen (Freedman 2013, Kap. 7; Herberg-Rothe 2017, Kap. 7).

      Clausewitz war sich somit des unweigerlichen Problems strategischer Unvorhersehbarkeit in Konflikten bewusst, verneinte aber stringent, dass dies zu einer tabula rasa führen müsste. Er insistierte vielmehr, dass (Donald Rumsfelds) unkown unknowns immer nur ein Teil der Planung waren. Auch Gegner (und Feinde) waren – und sind – gleichermaßen der Logik jener Friktionen ausgesetzt, die der Trinität von Konfliktdynamiken innewohnten. Er sah deshalb Erschütterungen der Zielplanung als gegeben an und inkorporierte Planungen für Eventualitäten in sein Denken. Trotz dieser manifesten Ungewissheit, so wies er Strategen an, waren übergeordnete Ziele mit Beharrlichkeit zu verfolgen, indem Einschränkungen des Handelns durch adaptives Verhalten aufzulösen war. Ein deutscher General (Moltke, der Ältere) sollte dies später so fassen: „Die Strategie ist die Fortbildung des ursprünglich leitenden Gedankens entsprechend den stets sich ändernden Verhältnissen“ (zit. in Herberg-Rothe 2017, 180). Kissinger würde anstatt des ‚leitenden Gedankens‘ seine Konzeption der Zukunft setzen.

      Lawrence Freedman: Strategie als Entscheidungsprozesse der Kognitionspsychologie

      Die moderne Strategielehre setzt hier an und analysiert Entscheidungsfindungen in weitgehend, aber nicht vollständig unwägbaren Kontexten. Sie erkennt die für Entscheider unausweichliche Schwierigkeit an, im Jetzt dieser Unsicherheit Strategien für das unklare Morgen liefern und adaptiv implementieren zu müssen. Spannungen zwischen kurz- und langfristiger Planung für komplexe Kontexte sind dabei dem Blick auf die kognitiven Anforderungen an Strategen