Название | Total Compensation |
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Автор произведения | Frank Maschmann |
Жанр | Юриспруденция, право |
Серия | Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch |
Издательство | Юриспруденция, право |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783800592616 |
2. Mindestlohnpflichtige Arbeitszeiten
a) Grundsatz: „Je Zeitstunde“
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Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf, dass ihm jede geleistete Arbeitsstunde mit dem Mindestlohn vergütet wird, § 1 Abs. 2 MiLoG. Angefangene Zeitstunden sind pro rata temporis zu entlohnen.92 Entscheidend ist nicht die vertraglich geschuldete, sondern die tatsächliche Arbeitszeit.93 Diese ist selbst dann mit dem Mindestlohn zu vergüten, wenn die zulässigen Höchstgrenzen des ArbZG überschritten wurden.94 Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich entrichtete Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies einen Anspruch auf Differenzvergütung.95 Die Darlegungs- und Beweislast für verrichtete Arbeitszeiten trifft grundsätzlich den Arbeitnehmer.96 Er kommt dieser regelmäßig nach, wenn er darlegt, dass er sich zur rechten Zeit am rechten Ort aufgehalten habe, um den Weisungen des Arbeitsgebers nachzukommen. Jener muss sich daraufhin zum Vorbringen des Arbeitnehmers substantiiert einlassen.97
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Welche Arbeitszeiten für die Bemessung des Mindestlohnanspruches maßgeblich sind – inwieweit also Überstunden, Arbeitsformen geringerer Beanspruchung, Pausen- und Ruhezeiten, Reise-, Wege- und Umkleidezeiten sowie Zeiten der Nichtarbeit als mindestlohnrelevant berücksichtigt werden müssen –, regelt das Gesetz nicht expressis verbis. Auch die allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts kennen keinen einheitlichen Arbeitszeitbegriff,98 sondern lediglich spezialgesetzliche Definitionen, die für die Festlegung der mindestlohnrechtlichen Arbeitszeit nur bedingt geeignet erscheinen.99 So legt § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG beispielsweise diejenige Zeit als betriebsverfassungsrechtlich maßgeblich zugrunde, in welcher der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen soll.100 Das Mindestlohngesetz dagegen stellt auf die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung ab, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 MiLoG. Hierzu zählt jede vergütungspflichtige Tätigkeit, die der Befriedigung eines Bedürfnisses des Arbeitgebers dient.101 Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer die eigentlich geschuldete Tätigkeit sowie jede damit unmittelbar zusammenhängende, im Synallagma stehende, vom Arbeitgeber verlangte Maßnahme erbringt, § 611 Abs. 1 BGB.102 Als mindestlohnpflichtige Arbeitszeit ist folglich derjenige Zeitraum anzusehen, innerhalb dessen der Arbeitnehmer tatsächlich vergütungspflichtig für den Arbeitgeber tätig wird.103
b) Überstunden
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Für die Bemessung der mindestlohnpflichtigen Arbeitszeit macht es keinen Unterschied, ob die infrage kommenden Stunden in die Kernarbeitszeit fallen oder außerhalb dieser liegen.104 Da der geleistete Mindestlohn für jede Zeitstunde zu entrichten ist, sind auch Überstunden stets mit dem Mindestlohn zu vergüten, §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 1, 20 MiLoG.105 Es gilt:
(Kernarbeitszeit + Überstunden [in h])×9,19 EUR = Arbeitslohn
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Überstunden liegen vor, wenn die vereinbarte Arbeitszeit überschritten wird und eine zumindest konkludente Vereinbarung über die Mehrleistung besteht.106 Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet oder gebilligt hat, bzw. keinerlei ernstzunehmende organisatorische Vorkehrungen trifft, um der freiwilligen Ableistung von Mehrarbeit entgegen zu wirken.107 Gleiches gilt, wenn die Erledigung der geschuldeten Arbeit nicht ohne Überstunden möglich ist. Die frühere Rechtsprechung des BAG, nach der nicht jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus stets zu vergüten sei,108 kann für den gesetzlichen Mindestlohn keine Geltung beanspruchen. Liegt eine mindestlohnpflichtige Arbeitszeit vor, so ist diese nach § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG mit dem Mindestlohn zu vergüten. Anders jedoch als das AEntG, welches es ermöglicht, Überstundensätze für zusätzlich geleistete Arbeit verbindlich festzulegen,109 gewährt das MiLoG keinen erhöhten Mindestlohnanspruch für Mehrarbeit.
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Klauseln, mittels derer geleistete Überstunden pauschal abgegolten werden sollen (sog. Abgeltungsklauseln), müssen die Anzahl der maximal zu absolvierenden Überstunden eindeutig erkennen lassen, um dem Transparenzgebot zu genügen, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.110 Sie können wegen § 3 Satz 1 MiLoG den gesetzlichen Mindestlohnanspruch nicht wirksam beschränken. Stets ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass alle tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem Mindestlohn vergütet sind, §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 1, 20 MiLoG.111 Zahlt der Arbeitgeber ein verstetigtes Monatseinkommen (s. Rn. 21), muss dieses, auf den Kalendermonat bezogen, alle erbrachten – in Kombination mit einer Abgeltungsklausel sogar alle potenziell zu absolvierenden – Überstunden mitabdecken.
c) Arbeitsformen geringerer Beanspruchung
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Zu den Arbeitsformen geringerer Beanspruchung zählen die Arbeitsbereitschaft, der Bereitschaftsdienst (i.e.S.) sowie die Rufbereitschaft. Gemeinsam ist ihnen, dass der Arbeitnehmer, wenn er auch weitgehend über seine Zeit disponieren kann, dennoch gewissen Beschränkungen unterliegt.112 Hinzu kommt, dass der Zeitpunkt des Wechsels von einem verminderten in den vollen Arbeitseinsatz meist nicht von vorneherein bestimmt ist.113 Allesamt stellen sie keine Vollarbeit dar. Es stellt sich die Frage, inwieweit ein Anspruch auf Mindestlohn besteht.
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Bei der Arbeitsbereitschaft ist der Aufenthaltsort des Arbeitnehmers auf den Arbeitsplatz beschränkt. An diesem muss er „wachsam“ anwesend sein, sodass er bei Bedarf sofort ohne weitere Anweisung in die Vollarbeit wechseln kann.114 Beispiele hierfür sind die Wartezeiten von Rettungssanitätern zwischen den einzelnen Einsätzen sowie das Warten von Verkäufern auf die nächsten Kunden.115 Die Arbeitsbereitschaft stellt unstreitig mindestlohnpflichtige Arbeitszeit dar. Für sie ist stets der volle Mindestlohn zu gewähren,116 da das MiLoG nicht nach der Intensität der Arbeitsleistung differenziert, § 1 Abs. 2 MiLoG. Abweichende Vereinbarungen sind unwirksam, § 3 Satz 1 MiLoG (zu den Rechtsfolgen s. Rn. 66).
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Rufbereitschaft liegt vor, wenn der Arbeitnehmer sich an einem, gegenüber dem Arbeitgeber anzuzeigenden, erreichbaren Ort seiner eigenen Wahl bereithält, um bei Abruf die Arbeit alsbald aufzunehmen.117 Dabei erbringt er nicht die eigentlich vertraglich geschuldete, sondern eine zusätzliche Leistung.118 Diese ist nicht mit dem Mindestlohn zu entlohnen.119 Die mindestlohnrelevante Arbeitszeit liegt erst ab Arbeitsaufnahme vor,120 die jedoch bereits mit der Fahrt zur Arbeitsstätte beginnt.
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Umstritten ist die mindestlohnrechtliche Behandlung des Bereitschaftsdienstes (i.e.S.). Dieser steht zwischen Arbeits- und Rufbereitschaft. Er liegt vor, wenn der Arbeitgeber einen bestimmten Aufenthaltsort außerhalb des Arbeitsplatzes vorschreibt, an dem der Arbeitnehmer sich aufzuhalten hat, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen.121 Bereitschaftsdienste sind richtigerweise mit dem Mindestlohn zu vergüten, da die Pflicht des Arbeitnehmers an einem ihm vorgeschriebenen Ort zu verweilen, eine vergütungspflichtige Arbeitsleistung darstellt, sodass mindestlohnrelevante Arbeitszeit vorliegt.122 § 1 Abs. 2 MiLoG stellt insoweit nicht auf Qualität oder Intensität der Tätigkeit ab.123
d) Pausen- und Ruhezeiten
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