Baustellen. Anton Affentranger

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Название Baustellen
Автор произведения Anton Affentranger
Жанр Управление, подбор персонала
Серия
Издательство Управление, подбор персонала
Год выпуска 0
isbn 9783907146811



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– und sie hätte die Lösung mit einiger Sicherheit wohl schneller und billiger herbeiführen können. Dafür hätte sie aber Skin in the Game zeigen müssen.

      Und in der realen Welt? Was würde ohne Consultants geschehen? Ergäbe dies bessere Strategien, stringentere Kommunikation oder zielführendere Rekrutierungsprozesse für Spitzenpersonal? Ich wage das – trotz allem – zu bezweifeln. Und ich wage die Behauptung: Ohne Berater wären viele Unternehmen und Verwaltungen nicht mehr handlungsfähig. Das liegt nicht einmal unbedingt an den Consultants selber, die sich in lukrativen Nischen eingerichtet haben. Zahlreiche Firmen sind inzwischen dermassen schlank aufgestellt, dass sie kaum mehr eigene Expertisen im Haus führen, die beispielsweise für eine Strategieentwicklung oder zur Bewältigung von komplexen Rechtshändeln ausreichen würden. Die zunehmende Komplexität, die Anforderungen an die heutige Governance lässt zumindest daran zweifeln, dass Unternehmen dies autark und ohne Hilfe von aussen zu leisten vermögen. Vielleicht benötigen wir im heute derart regulierten Umfeld schlicht andere Verwaltungsräte, Manager oder Beamte?

      Wer an diesem Punkt der Überlegungen angelangt ist, kann zumindest nachvollziehen, warum Consulting-Unternehmen inzwischen eine derart zentrale Position in Wirtschaft, Politik und Verwaltung einnehmen können und in vielen Bereichen die Themen der Zukunft besetzen. Weiter gedacht bedeutet dies: Eine Welt ohne Berater geht nicht. Wenn dem so ist, gilt es diesen anderen Wunsch zu formulieren: Unternehmen und Verwaltungen benötigen dringend mehr Governance – der inzwischen eingedeutschte Begriff kommt ursprünglich aus dem Griechischen und heisst dort so viel wie das Steuerruder führen.

Analysten

      I.Respekt: trotz allem

      Bereits vor vielen Jahren, im April 2006 veröffentlichte das Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz eine Cover-Story mit dem Titel Analysten: Die Börsen-Spieler – Anatomie eines Berufsstandes. Der Publikationszeitpunkt war damals mit Bedacht gewählt. Gerade hatten die börsenkotierten Schweizer Unternehmen ihre Jahresabschlüsse für das abgelaufene Geschäftsjahr publiziert und Gewinne von insgesamt 58 Milliarden Franken ausgewiesen: ein Fünftel mehr als noch im Vorjahr. Und trotzdem schossen die Kurse, bei Nestlé, Novartis, UBS oder CS breitflächig nach unten. «Verkehrte Welt», urteilte die Bilanz, «Schweizer Unternehmen machen Gewinne wie nie. Und die Kurse purzeln ohne Gnade.»

      Die Verantwortlichen für dieses schwer nachvollziehbare Schauspiel deckt das Blatt bei dieser Gelegenheit – vor über dreizehn Jahren – mit allerhand eindeutigen Attributen ein. Analysten seien moderne Zahlenritter, marktmächtige Aktienflüsterer. Die Börse, deren Einsatzgebiet, ein Tummelplatz für kurzfristige Spekulanten. Kurzum: Der Analyst ist zum Meinungsmacher an der Börse avanciert, der den Markt mit News und Gerüchten aus den Teppichetagen der Unternehmen versorgt – als Nachfolger jenes Ringhändlers, der ausstarb, als der physische Aktienhandel in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre durch den elektronischen ersetzt worden war.

      Der CEO einer börsenkotierten Gesellschaft kann – heute noch – gar nicht anders als sich mit den Analysten zu beschäftigen. Diese setzen einen Titel auf buy oder sell, werden mitunter zum Schmiermittel für Managerkarrieren, so die Bilanz, oder begünstigen deren Abbruch. Soweit ist es bei mir nie gekommen. Aber natürlich entwickeln sich im Laufe der Zeit Beziehungen zu den Exponenten dieser Zunft. Gewollte. Manches Mal auch weniger gesuchte. Es gibt auch diese gegenseitige Wertschätzung. Und auch das Gegenteil davon. Neutral ist dieses Verhältnis CEO – Analyst nie. Im extrem negativen Fall konnte man sich gegenseitig buchstäblich nicht riechen.

      Vielleicht muss man etwas Verständnis aufbringen für dieses ambivalente Verhältnis. Der Finanzanalyst von dem ich hier spreche, wird dafür bezahlt, dass er Unternehmen beurteilt. Eine facettenreiche Aufgabe. Es gilt viele Aspekte im Auge zu behalten. Das Marktumfeld und die Wettbewerber. Die Innovationsfähigkeit der Firma und das technische Niveau von Produkten und Dienstleistungen. Die Marke und die Unternehmenskultur. Die Qualität des Managements und deren operative Leistungsfähigkeit. Schliesslich sind natürlich auch die finanziellen Aspekte zu durchleuchten. Quartals- und Jahresabschlüsse samt der Beurteilung dessen, was an finanziellen Entwicklungen in Zukunft zu erwarten ist. All diese Zahlen und Daten werden dann zu einem grossen Bild zusammengefügt. Und verglichen mit anderen Marktteilnehmern; gespiegelt an den Ergebnissen der Vergangenheit und den Erwartungen für die Zukunft. Am Schluss wird all das dann zum Futter für ein Finanzmodell und irgendwann steht das Verdikt, welches nur drei Möglichkeiten vorsieht: Buy, sell oder hold. Manchmal wird das mitunter harte Urteil wenigstens dadurch etwas gemildert, dass der Analyst zusätzlich noch eine Angabe darüber macht, wie er die zukünftige Entwicklung der Aktie einschätzt.

      Das Tagwerk des Analysten ist zweifellos anspruchsvoll und komplex. Auch, weil er sich am Schluss nicht mehr verstecken kann. Sondern sich exponieren muss. Er muss Farbe bekennen. Sein Urteil über die Firma fällen. Wenn er falsch liegt, wird er gegenüber seinen Investoren Red’ und Antwort stehen müssen. Deshalb habe ich trotz allem grossen Respekt vor diesem Berufsstand. Der Analyst muss nämlich seine Haut zu Markte tragen und Skin in the Game zeigen.

      II.Kursbewegungen: der grosse Interessenskonflikt

      Analysten kosten Geld. Analysen und Research kosten Geld. Wer bezahlt das alles? Gewöhnlich werden Analysten von so genannten Finanz-Brokern entlöhnt. Diese vermitteln den Kauf und Verkauf von Aktien an institutionelle Investoren wie Portfolio-Manager oder Pensionskassenverwalter. Natürlich müssen diese Broker dafür Titel und Firma a fonds kennen. Exakt dieses Wissen stellen ihnen meist erfahrene Analysten zur Verfügung.

      So weit, so arbeitsteilig. Allerdings: Der Broker verdient sein Geld mit jedem Trade. Bei jedem Kauf oder Verkauf eines Titels wird eine Kommission fällig. Es hat also ein eminentes Interesse an jeder Bewegung eines Wertpapiers. An jedem Kurssprung der Aktie: fällt diese, wäre kaufen angebracht; steigt sie, wäre verkaufen angezeigt. Der Broker ist an Verkaufsvolumina interessiert – egal in welche Richtung. In dieses endlose Spiel am Aktienmarkt um Ebbe und Flut der Kurse liesse sich trefflich auch den Analysten einbauen. Und hier lauern dann die Fallstricke. Setzt ein Analyst einen Titel auf buy haben alle Freude. Der Broker, weil das Kaufaufträge auslösen dürfte. Die analysierte Unternehmung, weil steigende Aktienkurse zumindest vordergründig die Performance des Managements in ein positives Licht rücken. Und wenn die Firma Kunde des Brockers ist, ist die Freude gewissermassen eine Doppelte.

      Wenn da nur der Analyst dazwischen nicht wäre. Der befindet sich möglicherweise in einem fürchterlichen Interessenskonflikt. Was, wenn seine Einschätzung auf hold lautet? Der Broker, von dem der Analyst finanziell abhängig ist, hätte gar keine Freude. Nichtstun bringt kein Geld. Und ein Sell-Stempel wäre ebenfalls eine ganz vertrackte Angelegenheit. Das brächte zwar Bewegung in die Verkaufsfront. Ist die Firma aber bestehender oder potenzieller Kunde des Brokers würde ein solch negatives Urteil diese Beziehung mit Sicherheit belasten. Kein Wunder also lauten die meisten Empfehlungen der Analysten auf buy.

      Die unkontrollierten Konfliktfelder rund um Broker-Modelle sind auf Dauer natürlich problematisch. Viele Banken haben sich aus diesem Grund inzwischen aus dem Geschäft zurückgezogen. Die Gilde der unabhängigen Aktien-Broker ist arg geschrumpft und dort, wo Broker und Analyst noch Wand an Wand arbeiten, ist dazwischen eine Chinese wall hochgezogen. Die Analysten müssen sich höchstens Sorgen darüber machen, dass ihre Research-Budgets immer stärker zusammen schmelzen – kaum ein Investor will dafür noch Bares auf den Tisch legen. Auch das hat eine Kehrseite: Wollen Investmentbanken im lukrativen IPO-Markt in der Begleitung von Börsengängen Erfolg haben, sind sie auf den Aktien-Research existenziell angewiesen.

      Heute müssten Analysten wohl Artenschutz geniessen – es gibt inzwischen zu wenige gute Exponenten dieser Berufsgattung. Für hochsensible CFOs oder CEOs mag das eine erfreuliche Nachricht sein. Für alle anderen am Finanzmarkt Tätigen sind das keine guten News. Börsennotierte Unternehmen sind auf einen reibungslos