Тотеnтаnz / Пляска смерти. Книга для чтения на немецком языке. Бернгард Келлерман

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den neuen Wintermantel aus einem Schrank.

      «Mit dem Mantel kann ich mich überall sehen lasse», sagte Fabian und betrachtete sich befriedigt im Spiegel.

      «Überall». erwiderte März mit der leicht heiseren Stimme eines alten Mannes. «Mit der schönsten jungen Dame der Stadt können Sie getrost Arm in Arm durch die Wilhelmstraße spazieren».

      Fabian lachte. Er liebte Schmeicheleien, auch wenn sie plump waren. Dann bat er, Muster für Winteranzüge sehen zu dürfen, und der Schneider holte Stoffbündel aus den Regalen und warf sie auf den Ladentisch. Fabian wünschte gern einen Stoff, den nicht jeder Beamte und Verkäufer trug. Während er seine Stoffe aussuchte, streifte er öfter einige dicke Ballen brauner Stoffe, wie man sie zu den Uniformen der Partei trug, mit den Blicken. «Schöne Stoffe». lobte er und prüfte das Tuch zwischen den Fingern.

      «Erstklassige Ware, einfach unverwüstlich». versicherte der Schneider, das Metermaß um den Rockkragen gehängt. «Sind Sie inzwischen schon bei Habicht gewesen, um sich eintragen zu lassen».

      Fabian schüttelte den Kopf. «Sie wissen, ich war wegen einer Herzgeschichte vier Monate auf Urlaub».

      «Ja, das weiß ich. Nun aber bleiben Sie ja wohl vorläufig hier bei uns? Sie kennen doch Habicht, den Leiter der Ortsgruppe».

      «Ja, natürlich kenne ich ih», erwiderte Fabian. «Er hat mir vor zwei Jahren meine Reitstiefel ausgebessert».

      «Ausgebessert». Der Schneider lachte. «Heute bessert er nichts mehr aus. Er kann sich ja heute nicht mehr retten vor Aufträgen und beschäftigt fünfzig Gesellen. Es ist ihm zu gönnen[38]. Tag und Nacht war er für die Partei tätig, Tag und Nacht, und das in einer Zeit, wo es noch Leute gab, die einen nicht ernst nahmen, wenn man sich für die Partei einsetzte. Habicht und ich sind fast die ersten hier in der Stadt gewesen. Nun, Habicht hat sein Glück gemacht, er hat das lange Haus der Witwe Kirsch gekauft und eine Unmenge Maschinen angeschafft. Einem Ortsgruppenleiter leiht jede Bank Geld! Er dürfte wohl bald eine Fabrik eröffnen! Dieser Stoff würde Sie herrlich kleiden, sehen Sie? Sie werden ja doch noch zu uns kommen, ich wette mit Ihnen, was Sie wollen».

      «Ich weiß es nich», antwortete Fabian ausweichend. «Als ehemaliger Militär müsste ich mich ja wohl einer militärischen Formation anschließen».

      «Ganz unbedingt! Sie waren Hauptmann, soviel ich weiß? Nun, da würden Sie sehr rasch einen hohen Posten erhalten».

      Fabian sah wenig begeistert aus und schüttelte den Kopf. «Das will ich eben vermeide», erwiderte er. «Sie ahnen nicht, wie wenig Zeit ich habe».

      «Ach, Sie meinen wegen des Postens». fuhr der Schneider eifrig fort. «Nun, wenn Sie keine Zeit haben, nehmen Sie eben nichts an. Das machen ja viele. Ein Mann, der so sprechen kann wie Sie, gehört zu uns. Oft habe ich zu den Kameraden gesagt: „Warum ist Doktor Fabian nicht bei uns? Solch einen Mann müssten wir haben, einen solchen Redner!“ Noch heute höre ich Sie im Rathaussaal sprechen, das war wirklich eine Rede».

      Fabian ließ sich noch eine Auswahl von Stoffen zeigen, die März mit großer Gewandtheit auf den Tisch warf. Dabei saß er auf dem Ladentisch und telefonierte mit seinem Büro. Er bat seine Sekretärin, Fräulein Zimmermann, noch eine Viertelstunde zu warten, er werde in wenigen Minuten ins Büro kommen. Endlich schien März seinen Geschmack getroffen zu haben. Fabian liebäugelte mit einem etwas helleren, zimtfarbenen Ton, der fast wie Plüsch aussah. «Ich würde diesen Stoff vorziehe», sagte er. «Nun habe ich in den ersten Tagen allerdings noch soviel Dringliches zu erledigen, aber immerhin, wir könnten ja mit dem Anzug beginnen, Herr März».

      Der kleine weißhaarige Schneider dienerte. «Sehr wohl, sehr wohl». rief er diensteifrig aus. «Es wird jedenfalls gut sein, sich daranzuhalten, denn es kann jederzeit wieder eine Sperre kommen. Jetzt will jeder in die Partei eintreten. In dieser Woche allein haben sich drei Professoren vom Gymnasium eintragen lassen, Rektor Müller, Redakteur Schill, die ganze Intelligenz der Stadt. Habicht weiß schon nicht mehr, wo ihm der Kopf steht[39]». «Aber hören Sie, unter einer Bedingung». begann Fabian von neuem und dämpfte seine Stimme. «Niemand darf etwas davon erfahren, niemand, unter gar keinen Umständen».

      Der Schneider hob beide Hände beschwörend in die Höhe und erwiderte: «Keine Seele, bei meinem Wort».

      Fabian fühlte nochmals den zimtfarbenen Stoff zwischen den Fingern. «Gut, diesen also nehme ich». sagte er. «Dann habe ich den Anzug fertig daliegen, wenn ich ihn brauche, und zu Habicht kann ich ja jeden Tag gehen, er bringt die Sache wohl schnell in Ordnung». «Aber natürlich. Bei Ihnen wird er sich besondere Mühe geben». Der Schneider lachte heiser und öffnete die Ladentür.

      Vom Schneider begab sich Fabian sofort in sein Büro. Doktor Hammerschmidt, der ihn während seiner Abwesenheit vertrat, war bereits gegangen, ebenso sein Büropersonal, aber seine Sekretärin, Fräulein Zimmermann, ein älteres, unansehnliches Mädchen, erwartete ihn noch, den Hut schon auf dem Kopf. «Die ganze Stadt scheint schon zu wissen, dass Sie aus dem Urlaub zurück sin», empfing sie ihn. «Die Anrufe habe ich hier notiert. Herr Sanitätsrat Fahle hat heute schon dreimal angeklingelt und lässt Sie bitten, ihn, wenn möglich, noch heute in Amselwies anzurufe», bestellte sie.

      Fabian bat, ihn sogleich mit Sanitätsrat Fahle zu verbinden. Der Sanitätsrat war seit Jahren Fabians Hausarzt, dem er sehr verpflichtet war und den er, wie die ganze Stadt, aufrichtig verehrte. Sanitätsrat Fahle sprach mit müder Stimme und ziemlich verworren. «Es handle sich um eine private Angelegenheit, die sich am Telefon nur schwer berichten lass».. Ja, er lebe seit einiger Zeit auf seinem Landsitz und sei von all den Aufregungen krank geworden.

      Fabian versprach, morgen bei ihm vorzusprechen. Dann gab er Fräulein Zimmermann den Auftrag, ihm alle aktuellen Akten bereitzulegen, er wolle heute bis in die späte Nacht arbeiten. «Bringen Sie mir auch bitte die Jahresberichte der Schellhammerschen Werk», fügte er hinzu. «Die Berichte Schellhammer werde ich sofort heraussuchen. Die Akten liegen schon berei», erwiderte die Sekretärin. «Es ist übrigens wenig Neues hinzugekommen, wie Sie wissen. In der Praxis ist es zur Zeit sehr still». fügte sie hinzu. Da Fabian nichts entgegnete, wünschte sie ihm gute Nacht und ging.

      «Gute Nach», sagte Fabian. Er war allein und vertiefte sich in den Stapel Akten. Seine Praxis als Anwalt, die vordem außerordentlich florierte, war in den letzten Monaten ganz auffällig zurückgegangen, sie deckte kaum noch seine Spesen.

      «In der Praxis ist es zur Zeit sehr still». Er lachte vor sich hin. «Sie scheinen noch immer nicht zu verstehen, Fräulein Zimmermann, dass man uns ganz einfach boykottiert». sagte er zu seiner Sekretärin und erinnerte sich erst, dass sie schon gegangen war, «Noch immer scheinen Sie die wahre Lage der Dinge zu erkennen, mein wertes Fräulei», fuhr er sarkastisch fort. Und mit einem überlegenen Lächeln fügte er hinzu: «Ich glaube, Ihnen indessen verraten zu dürfen, meine Beste, dass sich das bald ändern dürfte, sehr bald».

      Er griff nach einem Aktenstück und begann darin zu lesen. «Glauben Sie, dass ich ein Mann bin, der die geringste Lust hat, unterzugehen? Wie? Nun, man kennt doch die Geschichte, Verehrteste. Murat und Ney wären zeit ihres Lebens kleine Korporale geblieben, wenn sie nicht die Klugheit und den Mut besessen hätten, Entschlüsse zu fassen».

      X

      Am nächsten Morgen frühstückte Fabian mit großer Befriedigung im Herzen. Nun wohl, er hatte gehandelt! Es gab natürlich noch dieses und jenes, womit er nicht einverstanden war, aber er war froh über seine Entschlossenheit. Nur ein Narr konnte in dieser Welt Vollkommenheit erwarten, sagte er sich. Die Interessen seiner Familie und seiner beiden Jungen hatten einen Entschluss von ihm gefordert. In wenigen Wochen hätte man ihm das Büro geschlossen, und dann saß er auf der Straße. Er war aber keineswegs geneigt, wegen einer Formalität seinen Lebensstandard aufzugeben, solange es noch andere Möglichkeiten gab. Das konnte wahrhaftig niemand von ihm verlangen. Und noch etwas kam dazu, etwas sehr Wesentliches! War er in der Partei, so ließ man ihn in Ruhe, und er brauchte nicht in der Angst zu leben, von den Leuten der Heiligengeistgasse abgeholt zu werden, wenn es ihnen gerade Vergnügen machte!

      An diesem Morgen hielt er sich länger in seinem Büro



<p>38</p>

es ist ihm zu gönnen – не стоит ему завидовать

<p>39</p>

nicht wissen, wo einem der Kopf steht – запутаться, растеряться