900 MINUTEN. S. Johnathan Davis

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Название 900 MINUTEN
Автор произведения S. Johnathan Davis
Жанр Языкознание
Серия 900
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958350557



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viel wertvoller als das Ziel ist.

       Wir hatten alles. Doch wir waren arrogant. Dadurch haben wir alles verloren. Die Welt ging vor die Hunde und wir wurden mitgerissen. Nun wandelten die Toten über die Erde, während wir Menschen um den kümmerlichen Rest kämpften, der noch übrig geblieben war. Nicht die Stärksten oder Intelligentesten überlebten. Es waren die Geeignetsten, diejenigen, die dazu fähig waren, sich an die neue Ordnung anzupassen. Und jeder von uns hatte unvermeidbar etwas verloren – ein Stück Menschlichkeit. Es waren die Zis gewesen, die am Anfang vom Ende gestanden hatten … aber wir werden es sein, die sich selbst ausrotten. Am Ende ist die Menschheit die eigentliche Plage.

      Kapitel 1

      Meine Knöchel wurden weiß. Ich drückte mich gegen die Instrumententafel. Tasten und Anzeigen blinkten wild durcheinander. Ich bereitete mich auf den Aufprall vor. Ich hatte ein flaues Gefühl in der Magengrube. Der Helikopter machte förmlich einen Sprung in der Luft. Ich glaubte, dass ich schrie. Sicher war ich mir nicht. Es ging alles so schnell. Unter uns sah ich ruhiges, flaches Wasser. Der Strahl des Chopper-Scheinwerfers spiegelte sich darin. Der Lichtkegel wurde kleiner und kleiner. Ich blickte zu Kyle hinüber. Er bog seinen Körper nach hinten, während er wie ein Irrer am Steuerbügel riss. Auch er konnte das nicht aufhalten.

      Ich sah den Aufprall auf dem Wasser mehr, als dass ich ihn spürte. Unbefestigte Gegenstände wurden in einem irren Chaos nach vorne geschleudert. Ich glaubte, die Rotorblätter schlugen als Erstes auf. Der Hubschrauber drehte sich auf die Seite. Ein Verbandskasten flog wie ein Geschoss durch die Kabine. Es gab ein krachendes Geräusch, als er gegen Jarvis’ Kopf schlug. Dunkles Blut spritzte gegen die Frontscheibe. Der Chopper drehte sich wie ein Karussell. Noch eine weitere Drehung und wir wurden durchgerüttelt, als das Heck auf die dunklen Wellen traf. Dadurch prallte ich gegen die Decke des Cockpits. Ein stechender Schmerz durchzuckte meinen Nacken. Mein Körper wurde wie eine Stoffpuppe hin und her geschleudert … ich konnte kaum noch atmen. Die Welt um mich herum verblasste.

      Dann gab es nichts als Dunkelheit.

      Es kam mir so vor, als wäre mir das eisige Wasser nur einen Augenblick später ins Gesicht geschlagen. Ich riss meine Augen auf. Langsam drückte ich mich hoch und musste feststellen, dass ich mich auf der Cockpitdecke befand und zu dem Sitz hinaufsah, auf dem ich gesessen hatte. Das einzige Licht in der Kabine kam von dem, was von der blinkenden Instrumententafel übrig war, die nun über meinem Kopf baumelte.

      Ich fühlte, wie der Druck in meinen Ohren nachließ. Dann biss ich die Zähne aufeinander. Der Chopper sank. Ich drehte mich um, damit ich einen Blick auf die Frontscheibe werfen konnte. Ich keuchte beim Anblick des Wassers, das durch die Fugen der Glasscheibe eindrang. Das Fenster schien dem wachsenden Druck im Augenblick noch standzuhalten. Etwas erregte meine Aufmerksamkeit. Ich bemerkte, dass der Scheinwerfer des Helikopters immer noch eingeschaltet war. Es flackerte kurz und unregelmäßig zwischen langen Seealgen hindurch und winkte zum Abschied, während wir weiter in den Abgrund gezogen wurden.

      Ich blickte zu Kyle hinüber. Er hing kopfüber im Pilotensitz. Kyle war klug genug gewesen, seinen Sicherheitsgurt zu benutzen. Der Schnappverschluss öffnete sich, als ich an einem Hebel zog. Er fiel mit dem Kopf voran und schlug gegen die Cockpitdecke. Kyle landete mit ausgestreckten Armen und konnte sich so mit einer schnellen Bewegung aufrichten. Er sah zu mir herüber und sagte: »Ich hatte schon bessere Landungen.«

      Ich nickte müde und griff mir an den Kopf. Blut tropfe von meiner Stirn. Ich wusste nicht, ob es mein Eigenes war, oder das von jemand anderem.

      »Jarvis ist bewusstlos, aber er lebt!«, schrie Kyle. Er hatte zwei Finger an Jarvis Hals gedrückt und zog sie nun wieder weg. »Wo zum Teufel ist die Waffe?«

      Wir beide richteten unsere Aufmerksamkeit auf die Kabine hinter uns. Die Waffe, eine kleine Neun-Millimeter-Pistole, lag außerhalb von Rodgers Reichweite, unserem vierten und letzten Passagier. Auch er war bewusstlos und beide Beine schienen unter einem der Sitze, der sich gelöst hatte, eingeklemmt worden zu sein.

      Ich tauchte nach vorne, um nach der Pistole zu greifen. Genau in dem Moment kam Rodgers zu sich. Seine Augen waren voller Panik, als er die Situation erkannte, in der er sich befand. Niemand sagte ein Wort. Man konnte kein Geräusch hören, bis auf das allgegenwärtige Tropfen des Wassers, das langsam den Chopper füllte.

      Wir sanken weiter.

      »Holt mich verdammt nochmal hier raus. Meine Beine sind eingeklemmt!«, schrie Rodgers.

      Ich warf einen Blick auf die Waffe in meiner Hand. Das knackende Geräusch der Windschutzscheibe zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Dann breitete sich der erste Riss auf der Oberfläche aus. Wir mussten aus diesem Grab raus.

      Rodgers konnte sehen, was ich dachte. »Wag es ja nicht, John!«, schrie er. »Schieß nicht dieses Glas raus.«

      Ich warf einen kurzen Blick zurück auf die Frontscheibe und konnte sehen, wie die Außenbeleuchtung das trübe Wasser erhellte. Dann landeten wir sanft und mit einem dumpfen Schlag verkehrt herum auf dem schlammigen Grund des Sees. Der Helikopter bewegte sich nach vorne, dann zur Seite. Wir alle rollten mit ihm hin und her, bis er endlich liegenblieb. Eine Bewegung draußen erregte meine Aufmerksamkeit. Etwas hatte sich in der Strömung bewegt. Genau am Rande dessen, was durch die Außenbeleuchtung sichtbar war.

      »Was war das? Was zur Hölle war das?«, brüllte Rodgers und bewegte sich hin und her, um seine Beine zu befreien.

      »Pssst«, flüsterte Kyle, während er den Kopf zur Seite legte.

      Vor Schreck hielten wir alle inne und starrten in die flimmernde Außenbeleuchtung.

       Ein dumpfes Klopfen über uns brach die Stille. Wir waren wie erstarrt. Keiner von uns bewegte sich, als plötzlich ein dumpfes und kratzendes Geräusch zu hören war. Erst war es leise, dann wurde es langsam lauter.

      »Sie sind da draußen, Mann. Zerschieß das Glas nicht. Tue es nicht!«, sagte Rodgers gegen alle Vernunft wieder. Dieses Mal sah er mich direkt an. »Heilige Scheiße … heilige verfluchte Scheiße!«, rief er und deutete auf die Frontscheibe.

      Als wir es alle sahen, fühlte ich, wie mir das Herz in die Hose rutschte. Das schwache Leuchten der Instrumententafel enthüllte zwei leere, rote Augen, die zu uns hineinsahen. Die Augen verrieten, dass es sich um einen Untoten handelte. Die Kreatur glitt vom Fenster in den Schlamm. Für einen Moment verloren wir sie aus den Augen. Dann stand das Monster in all seiner tödlichen Pracht auf, direkt vor der Außenbeleuchtung. In der dunklen Strömung hing die Kleidung locker herunter.

      Ein Schweißtropfen rann über mein Gesicht und meine Hände fingen an zu zittern. Ich konnte fühlen, wie die Waffe wackelte, als die Kreatur auf uns zuwatete und ihr durch das Wasser aufgedunsenes, weißes Gesicht gegen die Scheibe presste. Dadurch wanderte der kleine Riss nur noch weiter die Windschutzscheibe hinunter.

      Das Wasser stieg und war knöcheltief, als Jarvis den Kopf hob. Er schaute sich um und sah mich an, er erkannte die Pistole in meiner Hand und dann sagte er müde: »Sieht so aus, als wären wir in einer etwas misslichen Lage. Nicht wahr, Jungs?«

      Noch mehr Kratzen vom Dach. Zu der Kreatur gesellte sich eine zweite. Beide hämmerten langsam gegen das Glas. Er hatte recht. Wir waren am Arsch.

      »Schaffst du es?«, fragte Kyle und sah auf Jarvis herab.

      »Ich fürchte, ich muss bei dieser gemütlichen Schwimmrunde passen, meine Freunde«, sagte er. Er nahm seine Hand vom Bein und zeigte, dass sie voller Blut war. Ich biss mir fest auf die Lippe, um die aufkommende Hysterie zu verbergen, als wir das Metallrohr sahen, das aus seinem Oberschenkel ragte.

      Die Kreaturen drückten weiter von außen. Das Wasser stand mir bis zum Knie, als Kyle hinter Jarvis ging, um seinen Kopf zu heben.

      »Von wegen, du bist nicht bereit dafür«, sagte Kyle ruhig. »Reiß dich verdammt nochmal zusammen. Wir werden hier rauskommen.«

      »Zerschieß nicht die verdammte Scheibe, John. Es muss einen anderen Weg geben!«, schrie Rodgers wieder. Ich drehte mich um und sah, dass er sich befreit hatte.