Ausgewählte Werke über die Sexualität von Sigmund Freud.

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Название Ausgewählte Werke über die Sexualität von Sigmund Freud
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isbn 9788027207282



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       Sigmund Freud

      Ausgewählte Werke über die Sexualität von Sigmund Freud

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      2017 OK Publishing

      ISBN 978-80-272-0728-2

      Inhaltsverzeichnis

       Die Sexualität in der Ätiologie der Neurosen

       Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie

       Meine Ansichten über die Rolle der Sexualität in der Ätiologie der Neurosen

       Zur sexuellen Aufklärung der Kinder

       Über infantile Sexualtheorien

       Über einen besonderen Typus der Objektwahl beim Manne

       Über die allgemeinste Erniedrigung des Liebeslebens

       Das Tabu der Virginität

       Zwei Kinderlügen

       Die infantile Genitalorganisation

       Der Untergang des Ödipuskomplexes

       Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschieds

       Über libidinöse Typen

       Über die weibliche Sexualität

       Die Sexualität in der Ätiologie der Neurosen

      (1898)

      Inhaltsverzeichnis

       Durch eingehende Untersuchungen bin ich in den letzten Jahren zur Erkenntnis gelangt, daß Momente aus dem Sexualleben die nächsten und praktisch bedeutsamsten Ursachen eines jeden Falles von neurotischer Erkrankung darstellen. Diese Lehre ist nicht völlig neu; eine gewisse Bedeutung ist den sexuellen Momenten in der Ätiologie der Neurosen von jeher und von allen Autoren eingeräumt worden; für manche Unterströmungen in der Medizin ist die Heilung von »Sexualbeschwerden« und von »Nervenschwäche« immer in einem einzigen Versprechen vereint gewesen. Es wird also nicht schwerhalten, dieser Lehre die Originalität zu bestreiten, wenn man einmal darauf verzichtet haben wird, ihre Triftigkeit zu leugnen.

      In einigen kürzeren Aufsätzen, die in den letzten Jahren im Neurologischen Zentralblatt, in der Revue neurologique und in der Wiener Klinischen Rundschau erschienen sind, habe ich versucht, das Material und die Gesichtspunkte anzudeuten, welche der Lehre von der »sexuellen Ätiologie der Neurosen« eine wissenschaftliche Stütze bieten. Eine ausführliche Darstellung steht noch aus, und zwar wesentlich darum, weil man bei der Bemühung, den als tatsächlich erkannten Zusammenhang aufzuklären, zu immer neuen Problemen gelangt, für deren Lösung es an Vorarbeiten fehlt. Keineswegs verfrüht erscheint mir aber der Versuch, das Interesse des praktischen Arztes auf die von mir behaupteten Verhältnisse zu lenken, damit er sich in einem von der Richtigkeit dieser Behauptungen und von den Vorteilen überzeuge, welche er für sein ärztliches Handeln aus ihrer Erkenntnis ableiten kann.

      Ich weiß, daß es an Bemühungen nicht fehlen wird, den Arzt durch ethisch gefärbte Argumente von der Verfolgung dieses Gegenstandes abzuhalten. Wer sich bei seinen Kranken überzeugen will, ob ihre Neurosen wirklich mit ihrem Sexualleben zusammenhängen, der kann es nicht vermeiden, sich bei ihnen nach ihrem Sexualleben zu erkundigen und auf wahrheitsgetreue Aufklärung über dasselbe zu dringen. Darin soll aber die Gefahr für den einzelnen wie für die Gesellschaft liegen. Der Arzt, höre ich sagen, hat kein Recht, sich in die sexuellen 16 Geheimnisse seiner Patienten einzudrängen, ihre Schamhaftigkeit – besonders der weiblichen Personen – durch solches Examen gröblich zu verletzen. Seine ungeschickte Hand kann nur Familienglück zerstören, bei jugendlichen Personen die Unschuld beleidigen und der Autorität der Eltern vorgreifen; bei Erwachsenen wird er unbequeme Mitwisserschaft erwerben und sein eigenes Verhältnis zu seinen Kranken zerstören. Es sei also seine ethische Pflicht, der ganzen sexuellen Angelegenheit fernezubleiben.

      Man darf wohl antworten: Das ist die Äußerung einer des Arztes unwürdigen Prüderie, die mit schlechten Argumenten ihre Blöße mangelhaft verdeckt. Wenn Momente aus dem Sexualleben wirklich als Krankheitsursachen zu erkennen sind, so fällt die Ermittlung und Besprechung dieser Momente eben hiedurch ohne weiteres Bedenken in den Pflichtenkreis des Arztes. Die Verletzung der Schamhaftigkeit, die er sich dabei zuschulden kommen läßt, ist keine andere und keine ärgere, sollte man meinen, als wenn er, um eine örtliche Affektion zu heilen, auf der Inspektion der weiblichen Genitalien besteht, zu welcher Forderung ihn die Schule selbst verpflichtet. Von älteren Frauen, die ihre Jugendjahre in der Provinz zugebracht haben, hört man oft noch erzählen, daß sie einst durch übermäßige Genitalblutungen bis zur Erschöpfung heruntergekommen waren, weil sie sich nicht entschließen konnten, einem Arzt den Anblick ihrer Nacktheit zu gestatten. Der erziehliche Einfluß, der von den Ärzten auf das Publikum geübt wird, hat es im Lauf einer Generation dahin gebracht, daß bei unseren jungen Frauen solches Sträuben nur höchst selten vorkommt. Wo es sich träfe, würde es als unverständige Prüderie, als Scham am unrechten Orte verdammt werden. Leben wir denn in der Türkei, würde der Ehemann fragen, wo die kranke Frau dem Arzte nur den Arm durch ein Loch in der Mauer zeigen darf?

      Es ist nicht richtig, daß das Examen und die Mitwisserschaft in sexuellen Dingen dem Arzt eine gefährliche Machtfülle gegen seine Patienten verschafft. Derselbe Einwand konnte sich mit mehr Berechtigung seinerzeit gegen die Anwendung der Narkose richten, durch welche der Kranke seines Bewußtseins und seiner Willensbestimmung beraubt und es in die Hand des Arztes gelegt wird, ob und wann er sie wiedererlangen soll. Doch ist uns heute die Narkose unentbehrlich geworden, weil sie dem ärztlichen Bestreben zu helfen dienlich ist wie nichts anderes, und der Arzt hat die Verantwortlichkeit für die Narkose unter seine anderen ernsten Verpflichtungen aufgenommen.

      17 Der Arzt kann in allen Fällen Schaden stiften, wenn er ungeschickt oder gewissenlos ist, in anderen Fällen nicht mehr und nicht minder als bei der Forschung nach dem Sexualleben seiner Patienten. Freilich, wer in einem schätzenswerten Ansatze zur Selbsterkenntnis sich nicht das Taktgefühl, den Ernst und die Verschwiegenheit zutraut, deren er für das Examen der Neurotiker bedarf, wer von sich weiß, daß Enthüllungen aus dem Sexualleben lüsternen Kitzel anstatt wissenschaftlichen Interesses bei ihm hervorrufen werden, der tut recht daran, dem Thema der Ätiologie der Neurosen fernzubleiben. Wir verlangen nur noch, daß er sich auch von der Behandlung der Nervösen fernhalte.

      Es ist auch nicht richtig, daß die Kranken einer Erforschung ihres Sexuallebens unüberwindliche Hindernisse entgegensetzen. Erwachsene pflegen sich nach kurzem Zögern mit den Worten zurechtzurücken: Ich bin doch beim Arzte, dem darf man alles sagen. Zahlreiche Frauen, die an der Aufgabe, ihre sexuellen Gefühle zu verbergen, schwer genug durchs Leben zu tragen haben, finden sich erleichtert,