LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2). Raymond Benson

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Название LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2)
Автор произведения Raymond Benson
Жанр Языкознание
Серия Black Stiletto
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958352919



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wollte.«

      Ich antwortete: »Weil ich einem von euren Jungs die Beine gebrochen habe?«

      Er nickte: »Don DeLuca – Franco – ist ziemlich verärgert deswegen. Die Familie ist wirklich hinter dir her.«

      Ich bestätigte ihm, dass der Kerl mir verraten hatte, dass ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt war.

      »Was kann ich tun, Tony? Ich musste mich verteidigen. Er hat auf mich geschossen.«

      Er sagte, dass der Don eine Art von Belohnung für jeden ausgesetzt hatte, der mich umbrachte. Keine Ahnung, was das in der Mafia-Welt genau bedeutete.

      »Tony?«, fragte ich ihn. »Weiß irgendjemand außer dir, dass ich die Black Stiletto bin?«

      Er schüttelte den Kopf. »Wenn der Don oder irgendjemand aus der Familie wüssten, dass ich mit dir gesprochen habe, wäre ich ein toter Mann.«

      »Nun, wenn das so ist, kann ich gut auf mich selbst aufpassen, solange du es für dich behältst. Wie sollten sie mich finden, es sei denn, jemand hat auf der Straße so ein unverschämtes Glück wie der Kerl letzten Monat.«

      Tony zuckte mit den Achseln und sagte: »Ich wollte dich nur warnen. Vielleicht wäre es besser, wenn die Black Stiletto ihr Gesicht nicht mehr zeigt. Also, ihre Maske, meine ich.«

      »Lass das mal meine Sorge sein. Ich weiß deine Warnung zu schätzen.«

      Er aß ein Stück Kuchen, während ich etwas Kaffee trank. Die Platten in der Jukebox hatten zu »My Happiness« von Connie Francis gewechselt. Tony begann zu berichten, wie schwer es die Familie mittlerweile hatte. Er erzählte, dass das neue Regime die Mafia aus Kuba rausgeworfen hatte und nun die ganzen italienischen »Geschäfte« darunter litten. Sie hatten Geld in Kasinos und Hotels in Havanna investiert, genau so, wie sie es in Las Vegas getan hatten, und Castro sperrte sie jetzt einfach aus. Und auch das Federal Government ging hart gegen das organisierte Verbrechen vor. Spätestens seit den Anhörungen Anfang des Jahrzehnts machte man der Mafia die Hölle heiß. Er sagte, dass neue Verbrecherorganisationen auf den Plan traten und um ihr Territorium kämpften. Besonders der Rauschgifthandel sei ein wunder Punkt. Das Heroin kam über Frankreich oder Südostasien ins Land, und es gab verschiedene Gruppen, die es importierten und vertrieben. Tonys Familie arbeitete mit einer dieser Gruppen zusammen, aber er verriet mir nicht, welche es war. Er sagte, dass schwarze Gangster in Harlem versuchten, das Geschäft an sich zu reißen, und es ungemütlich wurde. Zwischen beiden Lagern war ein Krieg entflammt, und das gefiel Tony nicht. Er erwähnte ein paar Typen, die ich getroffen hatte, und die kürzlich ums Leben gekommen waren. Auf der Straße niedergeschossen.

      »Viele der alten Hasen in der Familie waren komplett dagegen gewesen, ins Drogengeschäft einzusteigen«, sagte Tony. »Don Giorgio wollte damit nichts zu tun haben, Franco aber schon. Er sagt, dass das große Geld von nun an mit Rauschgift verdient wird.«

      Als ich anfing, mich mit Fiorello zu treffen, war ich sehr naiv gewesen, was die Mafia anbelangte. Vielleicht blendete ich auch vieles aus. Ich wusste, dass das, was sie taten, illegal war, aber ich ignorierte es. Liebe macht blind. Ich war so verrückt nach Fiorello, dass ich nichts von den schlimmen Dingen wissen wollte, in die er verwickelt war. Aber seitdem er tot ist, beginne ich zu verstehen, wie bösartig diese Menschen wirklich sind. Ich dachte, die würden nur solche Sachen wie Glücksspiele und Buchmacherei betreiben, aber jetzt weiß ich, dass sie Hurenhäuser unterhalten, Schutzgelder erpressen, in Erpressung und Drogenhandel verwickelt sind und dass sie Leute umbringen. Zuerst fühlte ich mich von ihrer gegenseitigen Loyalität und der familiären Atmosphäre um sie herum angezogen. Nun macht mich der Gedanke krank, dass ich auf ihren Parties war und mich mit Fiorello und seinen Freunden verbrüdert hatte. Tony ist einer von ihnen, und ich fragte mich, ob es scheinheilig von mir war, wenn ich weiter mit ihm befreundet bliebe. Aber er ist so liebenswürdig und nett, dass ich mir Tony einfach nicht als Killer vorstellen kann. Ich vertraue ihm.

      »Wirst du dabei mitmachen, Tony?«, fragte ich ihn. »Drogen sind schlecht. Sie zerstören Leben.«

      Er zuckte wieder mit den Schultern. »Was sollte ich sonst tun? Ich befolge Befehle.«

      »Warum steigst du nicht einfach aus? Machst Schluss?«

      Er lachte nur spöttisch. »Man kann nicht aussteigen. Wenn du einmal dabei bist, lassen sie dich nicht wieder raus. Zumindest nicht lebend.«

       Februar 1959

      Heute ist Valentinstag. Und ich habe keinen Schatz. Ich habe zwar Freddie und Soichiro, aber das nicht meine Freunde in dem Sinne. Ich hatte überlegt, John Richardson anzurufen, nur um ein wenig mit ihm zu flirten, aber ich entschied mich dagegen. Außerdem hatte ich keine Zeit, denn ich war schon spät dran für meine Trainingsstunde mit Soichiro. Mittlerweile ist es auch schon nach 17 Uhr, und wahrscheinlich hat John das Büro bereits verlassen. Na ja.

      Im Karate-Unterricht arbeite ich an den höheren Graden meines Schwarzen Gürtels. Im Moment habe ich den ersten Grad, den man den ersten Dan nennt, oder Shodan. Soichiro erklärte mir, dass ich die höheren Grade erst erreichen kann, wenn ich älter bin, weil diese ein bestimmtes Alter und bestimmte Zeitabstände voraussetzen. Zum Beispiel kann ich den zweiten Dan, oder Nidan, erst zwei Jahre nach Erreichen meines ersten Dan erwerben. Das Mindestalter für den zweiten Dan ist Zwanzig, das ist also nicht das Problem. Aber man muss fünfundzwanzig sein und drei Jahre gewartet haben, um den dritten Dan zu erreichen. Und man muss fünfunddreißig sein, um den fünften Dan zu bekommen! Hinzu kommt, dass alle Grade über dem fünften Dan nur ganz besonderen Senseis vorbehalten sind, die besonders gute Lehrer geworden sind, bedeutende Kampfsportschulen eröffnet haben und so weiter. Soichiro sagt, dass er noch nie jemanden mit einem achten Dan oder höher getroffen hat, weil es die nur in Japan gibt. Soichiro selbst trägt nur den vierten Dan. Ein anderer wichtiger Faktor, um einen höheren Rang zu erreichen, ist an Wettkämpfen teilzunehmen. Das möchte ich nicht. Ich will meine Fähigkeiten in Karate und Judo für mich behalten. Ich will nicht, dass mich jemand bei einem Kampf sieht, Eins und Eins zusammenzählt und sich denkt, vielleicht ist sie ja die Black Stiletto! Wenn ich also den zweiten Dan erreiche, bin ich schon mehr als zufrieden. Nur die wenigsten Schüler schaffen es überhaupt bis zu einem schwarzen Gürtel, von daher habe ich schon einen beachtlichen Meilenstein erreicht.

      Seitdem trainiere ich auch nicht mehr mit anderen Schülern zusammen. Jetzt gibt es nur noch mich und Soichiro, einer gegen einen. Ich mag es so. In der letzten Zeit lässt er mich Bewegungen mit verbundenen Augen üben. Ich fragte ihn, wozu das gut sei, und er sagte, dass das meine anderen Sinne schärfen würde. Er sagte, ich müsste lernen, einen Angriff zu hören und zu fühlen. Das kann ich bereits, aber Soichiro weiß nichts von meinen besonderen sensorischen Fähigkeiten. Ich hielt es trotzdem für ein gutes Training, also verband ich mir die Augen und wir kämpften. Zuerst hielt Soichiro sich vornehm zurück. Er bewegte sich langsam und kündigte seine Angriffe an, sodass ich seine Schläge leicht parieren konnte. Ich unterbrach den Kampf und sagte ihm, dass wir es richtig probieren sollten.

      Autsch.

      Ich hörte, wie sein Arm und seine seiken – seine Karate-Faust – durch die Luft auf mich zurasten. Ich spürte sie kommen, aber ich war zu langsam, um den Schlag abzuwehren. Er traf mich mitten am Brustbein – nicht hart genug, um ernsthafte Schäden anzurichten, aber es tat verdammt weh. Er sah, dass ich Schmerzen hatte, und fragte, ob ich in Ordnung sei. Ich sagte Ja und dass er weitermachen soll. Dann konzentrierte ich mich stärker. Durch die Augenbinde war alles um mich herum stockfinster, aber ich konnte spüren, wie er mich umkreiste. Ganz schwach vernahm ich seine bloßen Füße auf der Matte, etwas, von dem ich sicher war, dass das niemand sonst konnte. Er kam auf mich zu – und ich schwöre, dass ich hörte, wie einer seiner Füße die Matte verließ, und ich daher wusste, dass er nach mir treten würde. Sofort wehrte ich den Tritt ab und erwiderte den Angriff mit einem Mae Geri, einem frontalen Tritt in seinen Magen. Damit überraschte ich ihn. Dieses Mal war ich an der Reihe, ihn zu fragen, ob alles okay war!

      Das ging zehn Minuten lang so weiter. Hin und her, austeilen und einstecken. Manchmal legte er mich herein und landete einen Treffer. Aber die meiste Zeit über war ich imstande, ihn abzuwehren und mit einer Tsuki Te – einer