Название | Gesammelte Werke von Dostojewski |
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Автор произведения | Федор Достоевский |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027204205 |
Deine bis in den Tod getreue
Fast die ganze Zeit, während Raskolnikow las, vom Anfang des Briefes an, war sein Gesicht feucht von Tränen; als er aber bis zum Schlüsse gelangt war, war es bleich und krampfhaft verzerrt, und ein trübes, bitteres, ingrimmiges Lächeln spielte auf seinen Lippen. Er legte sich mit dem Kopfe auf sein dünnes, abgenutztes Kissen und dachte lange, lange nach. Heftig schlug ihm das Herz, und heftig wogten seine Gedanken hin und her. Schließlich wurde es ihm zu schwül und zu eng in diesem gelben Kämmerchen, das wie ein Schrank oder wie ein Koffer aussah. Sein Blick und seine Gedanken verlangten nach freiem Räume. Er ergriff seinen Hut und ging hinaus, diesmal ohne sich davor zu fürchten, daß er jemandem auf der Treppe begegnen könnte; dieser Gedanke kam ihm gar nicht. Er schlug die Richtung nach der Wassilij-Insel ein, den W…-Prospekt entlang, als hätte er einen eiligen Geschäftsgang dorthin, ging aber nach seiner Gewohnheit, ohne auf den Weg zu achten, vor sich hin flüsternd und sogar laut mit sich redend, worüber sich die Vorübergehenden nicht wenig wunderten. Viele hielten ihn für betrunken.
IV
Der Brief seiner Mutter bereitete ihm heftige Qual. Hinsichtlich des wichtigsten und wesentlichsten Punktes hatte bei ihm keinen Augenblick ein Zweifel bestanden, auch nicht, als er noch mit dem Lesen beschäftigt gewesen war. Die Kernfrage war für ihn entschieden, und zwar endgültig entschieden. »Diese Heirat findet, solange ich lebe, nicht statt; hole diesen Herrn Lushin der Teufel!«
»Die ganze Sache ist ja doch so durchsichtig«, murmelte er, spöttisch lächelnd, vor sich hin und gab sich schon im voraus einem Gefühle des Triumphes wegen der glücklichen Durchsetzung seines Entschlusses hin. »Nein, Mama, nein, Dunja«, dachte er, »ihr könnt mich nicht täuschen! … Und da entschuldigen sie sich auch noch, daß sie nicht meinen Rat erbeten, sondern die Sache ohne mich entschieden haben! Unsinn! Sie denken, jetzt lasse sich die Sache nicht mehr vereiteln; aber wir werden ja sehen, ob das geht oder nicht geht. Und was für eine famose Ausflucht: Pjotr Petrowitsch, heißt es, ist von seinen Geschäften so stark in Anspruch genommen, daß er sogar seine Heirat nur mit Extrapost oder Schnellzug bewerkstelligen kann. Nein, Dunjetschka, ich durchschaue alles und weiß, worüber du mit mir so viel zu sprechen vorhast. Ich weiß auch, worüber du die ganze Nacht nachgedacht hast, während du im Zimmer auf und ab gingst, und um was du vor dem Bilde der Muttergottes von Kasan, das in Mamas Schlafzimmer steht, gebetet hast. Es ist ein schwerer Gang, der Gang nach Golgatha. Hm! … Es ist also bereits unwiderruflich beschlossen: Sie möchten einen geschäftskundigen, praktisch gesinnten Mann heiraten, Awdotja Romanowna, einen Mann, der eigenes Vermögen besitzt (der »bereits« eigenes Vermögen besitzt, das klingt noch solider, eindrucksvoller), zwei amtliche Stellungen bekleidet und die Anschauungen unserer jüngeren Generation teilt, wie Mama schreibt, und »wie es scheint« ein guter Mensch ist, wie Dunjetschka selbst bemerkt. Dieses »wie es scheint« ist ganz besonders prachtvoll. Und diese gute Dunjetschka wird dieses »wie es scheint« heiraten! Prachtvoll! Prachtvoll!
Merkwürdig ist aber auch, warum mir Mama eigentlich etwas von der »jüngeren Generation« geschrieben hat. Wollte sie damit lediglich die Person charakterisieren, oder verfolgte sie damit eine weitergehende Absicht: mich für Herrn Lushin günstig zu stimmen? Oh, ihr Schlauen! Auch noch einen andern Umstand aufzuklären wäre interessant: bis zu welchem Grade waren sie beide an jenem Tage und in jener Nacht und in der ganzen folgenden Zeit offenherzig gegeneinander? Wurde wohl zwischen ihnen alles mit Worten ausgesprochen, oder wußten sie beide, daß die eine wie die andre ein und dasselbe im Herzen und im Sinne hatte, so daß es nicht erforderlich war, alles laut zu sagen, wobei man sich leicht hätte verplappern können? Wahrscheinlich hat sich die Sache zum Teil wirklich so verhalten; das läßt sich aus dem Briefe ersehen: der Mama kam er schroff vor, »ein wenig schroff«, und die naive Mama teilte diese Beobachtung ihrer Tochter mit. Aber die wurde natürlich böse darüber und »antwortete sogar ärgerlich«. Selbstverständlich! Wen sollte so etwas nicht wütend machen, wenn eine Sache auch ohne naive Fragen klar ist und wenn bereits entschieden ist, daß weitere Debatten sinnlos sind. Und warum schrieb sie mir da: »Lieber Rodja, liebe Deine Schwester Dunja; sie liebt Dich mehr als sich selbst«: quälen sie da im geheimen Gewissensbisse, weil sie zugestimmt hatte, daß die Tochter für den Sohn geopfert werde? »Du bist unsere Zuversicht, unser ein und alles!« O Mama!‹
Der Ingrimm kochte in ihm immer stärker, und wäre ihm jetzt Herr Lushin begegnet, so hätte er ihn wahrscheinlich