Название | Gesammelte Werke von Gottfried Keller |
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Автор произведения | Готфрид Келлер |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027225873 |
Am nächsten Morgen legte ich denselben Weg, der von Tau und Sonne funkelte und blitzte, mit meinem Geräte beladen, zurück und sah bald den See unter dem Morgendufte hervorleuchten, Haus und Garten waren vom jungen Tag übergoldet und warfen ein reizendes Farbenbild in die unbewegte Flut, zwischen den Beeten bewegte sich eine blaue Gestalt, so fern und klein wie in einem Nürnberger Spielzeuge, das Bild verschwand wieder hinter den Bäumen, um bald desto größer und näher hervorzutreten und mich in seinen Rahmen mit aufzunehmen. Schulmeisters hatten mit dem Frühstücke auf mich gewartet, ich war sehr eßlustig geworden durch den weiten Weg und sah mich daher mit großer Zufriedenheit hinter dem Tische, während Anna die Tugenden eines angehenden Hausmütterchens aufs lieblichste spielen ließ und sich endlich neben mich setzte und so zierlich und mäßig an dem Essen nippte wie eine Elfe und als ob sie keine irdischen Bedürfnisse hätte. Ich sah sie indes kaum eine Stunde nachher mit einem mächtigen Stück Brot in der Hand und, mir auch ein solches bringend, unbefangen und tüchtig dreinbeißen mit ihren kleinen weißen Zähnen, und dies begierige Essen im Gehen und Plaudern stand ihr ebenso wohl an wie vorher der bescheidene Anstand am Tische und reizte mich, meinen Pferdekopf, wie wir die großen Brotstücke nannten, ebenso schnell und lustig zu verzehren, trotz des reichlich genossenen Frühstückes.
Nach diesem war der Vater mit der alten Magd in seinen Weinberg gestiegen, um von den reifenden Trauben das Laub zu brechen, welches den Sonnenstrahlen den Zugang versperrte. Die Besorgung des Weinberges war, nebst dem Schlagen und Kleinmachen des Holzes, seine Hauptarbeit in seinem beschaulichen Leben. Ich hingegen sah mich nach einem Gegenstande meiner Tätigkeit um. Anna hatte eine mächtige Wanne voll grüner Bohnen der Schwänzchen und Fäden zu entledigen und an lange Fäden zu reihen, um sie zum Dörren vorzubereiten. Damit ich in ihrer Nähe bleiben konnte, gab ich vor, ich müßte nun zur Abwechselung einmal Blumen nach der Natur malen, und bat sie, mir einen Strauß derselben zu brechen. Der Zusammenstellung wegen begleitete ich sie in den Garten, und nach einer guten halben Stunde hatten wir endlich ein hübsches Bouquet beisammen und setzten es in ein altmodisches Prunkglas, dieses auf einen Tisch, der in einer Weinlaube hinter dem Hause stand; Anna schüttete ihre Bohnen rings darum her, und wir setzten uns einander gegenüber, bis zur Mittagsstunde arbeitend und von unseren gegenseitigen Lebensläufen, Eltern und Familien erzählend. Ich war nun ganz erwärmt und heimisch geworden und begann bald mit der Überlegenheit eines Bruders dem guten Kinde mit wichtigen Urteilen, eingestreuten Bemerkungen und Belehrungen zu imponieren, indessen ich meine Blumen mit verwegenen bunten Farben anlegte und sie mir erstaunt und vergnügt zuschaute, über den Tisch gebeugt und ein Büschel Bohnen in der einen, das kleine Taschenmesserchen in der anderen Hand. Ich zeichnete den Strauß in natürlicher Größe auf einen Bogen und gedachte damit ein rechtes Prunkstück im Hause zurückzulassen. Inzwischen kam die Magd vom Berge und forderte meine Gespielin auf, ihr zum Bereiten des Essens behilflich zu sein. Diese kurze Trennung, dann das Wiedersehen am Tische, die Ruhestunde nach demselben, das aufrichtige Bewundern meiner vorgeschrittenen Arbeit von seiten des Schulmeisters, gewürzt mit weisen Sprüchen, und endlich die Aussicht auf ein abermaliges Zusammensein bis zum Abend in der Laube veranlaßten ebenso viele angenehme Bewegungen und Zwischenspiele. Anna schien auch meines Sinnes zu sein, da sie eben wieder einen ansehnlichen Haufen Bohnen auf den Tisch schüttete, welcher bis zum Abend auszureichen schien. Allein die Haushälterin erschien plötzlich und erklärte, daß Anna mit in den Weinberg müßte, damit man heute mit demselben noch fertig würde und eines kleinen Überbleibsels wegen nicht am andern Tage hinzugehen brauche. Diese Erklärung betrübte mich, und ich ward sehr ärgerlich über die alte Frau, Anna hingegen brach sogleich willig und freundlich auf und bezeigte weder Freude noch Verdruß über die Änderung ihres Planes. Die Alte, als sie mich bleiben sah, sagte, ob ich nicht auch mitkomme, ich werde doch nicht allein hiersein wollen und es sei recht schön im Weinberge. Allein ich war nun schon zu tief betrübt und unwillig und erklärte, ich müßte meine Zeichnung zu Ende führen. Demgemäß wurde mir ein kleines Fläschchen Wein und Brot in der Stube zurechtgesetzt für die Vesperzeit und der Hausschlüssel übergeben, den ich neben mich legte. Bald war ich allein in der einsamen Gegend und der Nachmittagsstille und fühlte mich nun doch wieder zufrieden. Auch kam dies Alleinsein meinem Machwerke zu gut, indem ich mir mehr Muhe gab, die natürlichen Blumen vor mir wirklich zu benutzen und an ihnen zu lernen, während ich am Vormittage mehr nach meiner früheren Kindermanier drauflosgepinselt hatte. Ich mischte die Farben genauer und verfuhr reinlicher und aufmerksamer mit den Formen und Schattierungen, und dadurch entstand ein Bild, welches an der Wand unschuldiger Landbewohner etwas vorstellen konnte.
Darüber verfloß die Zeit schnell und leicht und brachte den Abend, indessen ich mit Liebe die Zeichnung nach meiner Einsicht vervollkommnete und überall ein Blatt oder einen Blumenstiel ausbesserte und einen Schatten verstärkte, dort einen vergessenen Staubfaden hinzufügte. Die Neigung für das Mädchen lehrte mich dies gewissenhafte Fertigmachen und Durchgehen der Arbeit, welches ich bis dahin noch nicht gekannt, und als ich gar nichts mehr anzubringen sah, schrieb ich in eine Ecke des Blattes »Heinrich Lee fecit«, was ich mir anderswo schon gemerkt hatte, und unter den Strauß mit schöner Schrift den Namen der künftigen Eigentümerin.
Der Weinberg mußte inzwischen noch ein großes Stück Arbeit gegeben haben, denn schon schwebte die Sonne dicht über dem Waldrande und warf ein feuerfarbenes Band über das dunkelnde Gewässer her, und noch hörte ich nichts von meinen Gastfreunden. Ich setzte mich auf die Stufen vor dem Hause, den Wein und das Brot neben mir, wie ein Arbeiter, der seines Lohnes wert ist. Die Sonne ging hinab und ließ eine hohe Rosenglut zurück welche auf alles einen sterbenden Nachglanz warf und die Zeichnung auf meinen Knien samt meinen Händen wunderbar rötete und etwas Rechtem gleichsehen ließ. Da ich sehr früh aufgestanden war und in diesem Augenblicke auch sonst nichts Besseres zu tun wußte, schlief ich allmählich ein, und als ich erwachte, standen die Zurückgekehrten in der vorgerückten Dämmerung vor mir und am dunkelblauen Himmel wieder die Sterne. Meine Malerei wurde nun in der Stube bei Licht besehen, die Magd schlug die Hände über den Kopf zusammen und hatte noch nie etwas Ahnliches erblickt, der Schulmeister fand mein Werk gut und belobte meine Artigkeit gegen sein Töchterchen mit schönen Worten und freute sich darüber, Anna lächelte vergnügt auf das Geschenk, wagte aber nicht, es anzurühren, sondern ließ es auf dem flachen Tische liegen und guckte nur hinter den anderen hervor darüber hin. Wir nahmen nun das Nachtmahl ein, nach welchem ich aufbrechen wollte; aber der Schulmeister verhinderte mich daran und gab Befehl, mir ein Lager zu bereiten, da ich mich auf dem dunklen Berge unfehlbar verirren würde. Obgleich ich einwandte, daß ich den nächtlichen Weg ja schon einmal zurückgelegt hätte, ließ ich mich doch leicht bereden, aus bloßer Freundschaft dazubleiben, worauf