Название | Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher |
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Автор произведения | Стендаль |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788026824862 |
›Man möchte meinen, es seien verzauberte Geister‹, sagte er sich. Nach einer Weile faltete er das Blatt auseinander und las den folgendermaßen abgefaßten Befehl:
›Oberst Lebaron vom sechsten Dragonerregiment, Kommandeur der zweiten Brigade der ersten Kavalleriedivision des vierzehnten Armeekorps, befiehlt allen Reitern, Dragonern, Jägern und Husaren, nicht über die Brücke zu reiten und sich im Gasthof zum Weißen Roß an der Brücke, seinem Quartier, unter seinem Kommando zu sammeln.
Gegeben an der Sainte-Brücke am 19. Juni 1815. Auf Befehl des am rechten Arm verwundeten Obersten Lebaron Larose, Wachtmeister.‹
Kaum stand Fabrizzio eine halbe Stunde an der Brücke auf seinem Posten, als er sechs Jäger zu Pferd und drei zu Fuß kommen sah. Er teilte ihnen den Befehl des Obersten mit.
»Wir kommen sogleich wieder«, erwiderten vier von den Berittenen und ritten in starkem Trab über die Brücke. Fabrizzio unterhandelte nun mit den beiden anderen. Während des Wortwechsels, der immer lebhafter wurde, überschritten die drei Unberittenen die Brücke. Einer von den beiden Berittenen, die zurückgeblieben waren, verlangte schließlich den Befehl zu sehen, und indem er ihn nahm, sagte er: »Ich will ihn meinen Kameraden zeigen. Die werden gleich umkehren. Verlaß dich drauf!«
Damit galoppierte er von dannen. Sein Kamerad folgte ihm. Alles das geschah im Handumdrehen.
Voller Wut rief Fabrizzio einen der verwundeten Soldaten, der an einem Fenster des ›Weißen Rosses‹ erschien. Der, ein Wachtmeister, wie Fabrizzio an seinen Tressen sah, kam heraus und rief von weitem: »Zieh den Säbel! Du stehst doch Wache!«
Fabrizzio gehorchte. Dann meldete er: »Sie haben mir den Befehl weggenommen.«
»Den Kerlen steckt noch die gestrige Geschichte in den Gliedern!« sagte der Wachtmeister mit finsterer Miene. »Ich will dir eine meiner Pistolen geben. Will man wieder den Übergang erzwingen, so schieße sie in die Luft ab. Ich werde kommen, oder der Oberst wird selbst erscheinen.« Fabrizzio hatte sehr wohl bemerkt, daß der Wachtmeister bei der Meldung von der Wegnahme des Befehls eine empörte Gebärde gemacht hatte. Er begriff, daß man ihm einen persönlichen Schimpf angetan hatte, und er gelobte sich, sich nicht wieder zum besten halten zu lassen.
Mit der Sattelpistole des Wachtmeisters bewaffnet, nahm Fabrizzio seinen Posten stolz wieder ein. Da sah er sieben berittene Husaren anreiten. Er hatte sich so aufgestellt, daß er die Brücke sperrte. Er teilte ihnen den Befehl des Obersten mit. Die Reiter sind wenig erbaut darüber. Der keckste versucht durchzukommen. Fabrizzio, eingedenk einer weisen Lehre seiner Freundin, der Marketenderin, die ihm einmal gesagt hatte, man müsse stechen und nicht hauen, senkt die Spitze seines langen Pallaschs und macht Miene, dem, der den Übergang erzwingen will, einen Stich beizubringen.
»Was, er will uns zu Leibe, der grüne Junge?« schreien die Husaren. »Als ob gestern nicht gerade genug von uns gefallen wären!«
Alle miteinander ziehen ihre Säbel und stürmen auf Fabrizzio ein. Er hält sich für verloren, aber er denkt an die empörte Gebärde des Wachtmeisters und will nicht von neuem mißachtet werden.
Auf seine Brücke zu weichend, trachtet er danach, zu stechen. Es sah drollig aus, wie er seinen langen geraden Säbel, einen Pallasch der schweren Reiter und viel zu schwer für ihn, handhabte, so daß die Husaren alsbald wußten, mit wem sie es zu tun hatten. Nun suchten sie ihn nicht zu verwunden, sondern ihm nur den Rock vom Leibe zu säbeln. So erhielt Fabrizzio drei bis vier flache Hiebe über die Arme. Er seinerseits, der Vorschrift der Marketenderin weiter getreu, stach tapfer darauf los. Unglücklicherweise verletzte er einen Husaren mit seiner Säbelspitze an der Hand. Äußerst ergrimmt; von so einem Soldaten verwundet worden zu sein, stach er als Antwort fest zu und traf Fabrizzio in den Oberschenkel. Der Stich ging um so tiefer, als das Pferd unseres Helden, statt dem Geplänkel zu entfliehen, offenbar Gefallen daran fand und den Angreifern entgegendrängte. Als diese das Blut an Fabrizzios rechtem Bein herabrinnen sahen, ward ihnen bange, den Scherz zu weit getrieben zu haben. Sie drückten ihn gegen das linke Brückengeländer und machten sich im Galopp davon. Sobald Fabrizzio frei war, schoß er seine Pistole in die Luft ab, um den Obersten zu rufen.
Vier Husaren zu Pferd und zwei zu Fuß vom selben Regiment wie die früheren näherten sich der Brücke und waren noch zweihundert Schritt davon entfernt, als der Pistolenschuß fiel. Sie hatten den Vorgang auf der Brücke von weitem genauestens beobachtet, und in der Annahme, Fabrizzio hätte auf ihre Kameraden geschossen, sprengten die vier Berittenen mit ausgelegten Säbeln auf ihn los. Es war ein regelrechter Angriff.
Durch den Pistolenschuß aufgeschreckt, trat der Oberst Lebaron eilends aus der Tür des Gasthofes und war gerade in dem Augenblick auf der Brücke, als die Husaren angeritten kamen. Er befahl ihnen persönlich Halt.
»Hier gibts keinen Oberst mehr!« rief einer von den vieren und drückte sein Pferd vorwärts.
Außer sich vor Zorn, hielt der Oberst in seinen Vorhaltungen inne und ergriff mit seiner rechten verwundeten Hand den rechten Zügel dieses Reiters.
»Halt, Saukerl!« rief er dem Husaren zu. »Ich kenne dich. Du bist von der Schwadron des Rittmeisters Henriet!«
»Dann mag mir der Rittmeister selber den Befehl geben! Rittmeister Henriet ist gestern gefallen und wird dir eins pfeifen!« höhnte der Husar.
Bei diesen Worten will er den Übergang erzwingen und überreitet den alten Oberst, so daß er auf den Brückenbelag stürzt, wo er sitzen bleibt. Fabrizzio, der zwei Schritt hinter ihm auf der Brücke steht, auf der dem Gasthof entgegengesetzten Seite, treibt sein Pferd an. Während das Pferd, das der Oberst krampfhaft am Zügel festhält, diesen ganz umwirft, bringt der empörte Fabrizzio dem Husaren einen festen Säbelstich bei. Zu seinem Glück macht das Pferd, von dem stürzenden Oberst am Zügel gezerrt, eine Wendung zur Seite, so daß die lange Klinge von Fabrizzios schwerem Reitersäbel an der Husarenjacke abgleitet. In seiner Wut wendet sich der Husar gegen ihn und versetzt ihm mit aller Kraft einen Hieb, der das Ärmeltuch zerschneidet und tief in den Arm dringt. Unser Held fällt.
Einer der unberittenen Husaren sieht die beiden Brückenverteidiger am Boden liegen, benutzt die Gelegenheit, schwingt sich auf Fabrizzios Pferd und will es eben in Galopp setzen. Der Wachtmeister ist inzwischen aus dem Gasthof herbeigeeilt, weil er seinen Oberst hat fallen sehen und ihn schwer verletzt glaubt. Er rennt dem Pferde Fabrizzios nach und stößt seine Säbelspitze dem Räuber in die Lenden. Der fällt.
Als die übrigen Husaren nur noch den Wachtmeister auf der Brücke stehen sehen, reiten sie im Galopp darüber weg und verschwinden schleunigst. Der zu Fuß flieht in die Felder.
Der Wachtmeister ging zu den Verwundeten. Fabrizzio war bereits wieder auf den Beinen. Die Wunde schmerzte nicht weiter, blutete jedoch stark. Der Oberst erhob sich nur mühsam; sein Sturz hatte ihn betäubt, aber er war nicht verletzt.
»Ich habe keine Schmerzen,« sagte er zum Wachtmeister, »nur in meiner alten Wunde an der Hand.«
Der vom Wachtmeister verwundete Husar starb.
»Zum Teufel mit ihm!« rief der Oberst, und zum Wachtmeister und den anderen beiden herbeikommenden Reitern gewandt, fügte er hinzu: »Sorgt nur für den jungen Kerl da, dem es so übel ergangen ist durch meine Schuld! Ich will selber auf der Brücke bleiben und versuchen, die Tollgewordenen aufzuhalten. Führt den jungen Mann in den Gasthof und verbindet ihm den Arm! Nehmt eins von meinen Hemden!«
Fünftes Kapitel
Das ganze Abenteuer hatte keine Minute gedauert. Fabrizzios Wunden waren unbedeutend. Man verband ihm den Arm mit Leinwandstreifen, die aus dem Hemd des Obersts geschnitten wurden, und wollte ihm ein Lager im Obergeschoß des Gasthofs bereiten.
»Aber während ich hier in der Oberstube aufgepäppelt werde,« sagte Fabrizzio zum Wachtmeister, »wird sich mein Pferd unten im Stall allein langweilen und mit einem anderen Herrn auf und davon gehen.«
»Gar nicht übel für einen Rekruten!« meinte der Wachtmeister.
Man bettete Fabrizzio auf frisches Stroh in demselben Stand, wo sein Pferd angebunden war. Da er sich sehr schwach fühlte, brachte ihm der Wachtmeister einen