Der Mondstein (Ein Wilkie Collins-Krimi). Wilkie Collins Collins

Читать онлайн.
Название Der Mondstein (Ein Wilkie Collins-Krimi)
Автор произведения Wilkie Collins Collins
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027222131



Скачать книгу

Bindemittel machte dieselbe binnen 12 Stunden —— das heißt also bis um 3 Uhr Donnerstag Morgen trocken. Um 11 Uhr haben Sie hier Ihr Verhör vorgenommen —- ziehen Sie 3 von 11 ab —— bleibt 8. Die Malerei war schon acht Stunden trocken gewesen, als Sie annahmen, daß die Kleider der Mägde dieselbe übergewischt hatten.«

      Das war der erste Schlag auf Herrn Seegreaf’s Haupt. Hätte er nicht Verdacht gegen Penelope gehabt, so hätte ich ihn bemitleidet!

      Nachdem Sergeant Cuff den Farbepunkt auf diese Weise festgestellt hatte, gab er seinen Collegen als unbrauchbar auf und wandte sich an Herrn Franklin, von dem er sich bessern Beistand versprach.

      »Es ist klar, Herr Blake,« sagte er, »daß Sie uns den rechten Schlüssel in die Hand geliefert haben.« Kaum hatte er diese Worte gesagt, als sich die Thür des Schlafzimmers öffnete und Fräulein Rachel zu uns hereintrat. Sie wandte sich an den Sergeanten, ohne die geringste Rücksicht darauf zu nehmen, daß er ihr völlig fremd sei. »Bemerkten Sie,« sagte sie, auf Herrn Franklin deutend, »daß er es sei, der den Schlüssel in Ihre Hand gelegt habe?«

      »Dies ist Fräulein Verinder,« flüsterte ich dem Sergeanten zu.

      »Dieser Herr, mein Fräulein,« erwiederte der Sergeant, indem er mit seinen stahlgrauen Augen Fräulein Rachel scharf in’s Gesicht blickte, »hat möglicher Weise den Schlüssel in unsere Hände gelegt.«

      Sie wandte sich um und versuchte Herrn Franklin anzusehen —— ich sage versuchte, denn sie wandte sich plötzlich wieder ab, noch ehe ihre Augen den seinigen begegnet waren. Sie schien sich in einer ganz eigenthümlichen Gemüthsverfassung zu befinden; sie erröthete und wurde dann wieder blaß. Mit der Blässe gewann ihr Auge einen neuen Ausdruck —— einen Ausdruck, der mich entsetzte.

      »Nachdem ich Ihre Frage beantwortet habe. mein Fräulein,« fing der Sergeant wieder an, »bitte ich um die Erlaubniß, nun meinerseits eine Frage an Sie zu richten. Auf der Farbe an der Thür ist etwas übergewischt —— wissen Sie zufällig, wann das geschehen ist oder wer es gethan hat?«

      Statt jeder Antwort fuhr Fräulein Rachel mit ihren Fragen fort, als ob der Sergeant gar nicht gefragt oder sie ihn nicht gehört hätte.

      »Sind Sie auch ein Polizeibeamter?« fragte sie.

      »Ich bin Sergeant Cuff von der geheimen Polizei.« [ Geheime Polizei im englischen Sinne detectiv police, die für die Entdeckung von Verbrechern im Geheimen thätige Polizei. Anm. d. Uebers.]

      »Halten Sie es der Mühe Werth, von einem jungen Mädchen einen Rath anzunehmen?«

      »Ich werde ihn gern anhören, mein Fräulein.«

      »Thun Sie Ihre Pflicht allein und lassen sich nicht von Herrn Franklin Blake helfen.«

      Sie sprach diese Worte mit einem solchen Ausdruck von Hohn und Wuth, mit einem so furchtbaren Ausbruch des Hasses gegen Herrn Franklin in Stimme und Blick, daß ich, obgleich ich sie von ihrer frühesten Kindheit an kannte, obgleich ich sie nächst Mylady am meisten von allen Menschen ehrte und liebte, zum ersten Male in meinem Leben mich ihrer schämte.

      Sergeant Cuffs unbewegliche Augen blieben unablässig auf sie geheftet.

      »Ich danke Ihnen, mein Fräulein. Wissen Sie zufällig etwas über den Fleck auf der Farbe? Können Sie ihn selbst gemacht haben?«

      »Ich weiß nichts von diesem Fleck.«

      Mit diesen Worten ging sie wieder in ihr Schlafzimmer und schloß es hinter sich zu. Diesmal hörte ich sie wie früher Penelope in Thränen ausbrechen, sobald sie allein war. Ich konnte es nicht über mich gewinnen, Herrn Cuff anzusehen — ich blickte auf Herrn Franklin, der mir zunächst stand. Er schien von dem, was vorgegangen, noch peinlicher berührt als ich selbst.

      »Ich habe Ihnen schon gesagt,« erwiederte er, »daß ich ihretwegen beunruhigt sei, und nun sehen Sie warum.«

      »Fränlein Verinder scheint über den Verlust ihres Diamanten etwas ungehalten,« bemerkte der Sergeant. »Es ist ein kostbarer Edelstein; sehr begreiflich, sehr begreiflich!«

      Hier übernahm also ein völlig Fremder dieselbe Entschuldigung unseres Fräuleins, die ich Tags zuvor, als sie sich gegen Seegreaf vergessen, vorgebracht hatte. Ein kalter Schauer überlief mich, ich wußte selbst nicht warum. Jetzt weiß ich, daß mir in jenem Augenblick die erste Ahnung davon gekommen ist, daß lediglich in Folge des Anblicks und der Reden von Fräulein Rachel dem Sergeanten Cuff ein neues und schreckliches Licht in der Sache ausgegangen sein könne.

      »Man darf es mit den Worten einer jungen Dame nicht so genau nehmen,« sagte der Sergeant zu Herrn Franklin, »lassen Sie uns das eben Vorgefallene vergessen, und unser Geschäft ohne Unterbrechung fortsetzen. Dank Ihrer Mittheilung wissen wir, wann die Farbe trocken war. Was wir zunächst herauszufinden haben, ist, wann dieselbe zuletzt ohne den Fleck gesehen worden ist. Sie sind ein Mann von Einsicht und verstehen mich.«

      Herr Franklin nahm sich zusammen und suchte seine Gedanken von Fräulein Rachel abzulenken und der Farben-Angelegenheit zuzuwenden.

      »Ich glaube Sie zu verstehen, je enger wir die Frage der Zeit begrenzen können, desto enger begrenzen wir das Feld der Untersuchung.«

      »So ist’s,« erwiederte der Sergeant.

      »Haben Sie Ihre Arbeit noch nach ihrer Vollendung am Mittwoch Nachmittag angesehen?«

      Herr Franklin schüttelte den Kopf, »das glaube ich nicht.«

      »Haben Sie die Arbeit angesehen ?« fragte Cuff mich.

      »Auch ich kann das nicht behaupten.«

      »Wer war die letzte Person, die sich am Mittwoch Abend in diesem Zimmer befunden hat?«

      »Ich glaube Fräulein Rachel.«

      Herr Franklin fiel ein: »Oder möglicher Weise Ihre Tochter, Herr Betteredge.« Er wandte sich zu Sergeant Cuff und erklärte ihm, daß meine Tochter Fräulein Rachel’s Kammermädchen sei.

      »Herr Betteredge, ersuchen Sie Ihre Tochter, herauf zu kommen,« sagte der Sergeant, rief aber gleich darauf »Halt!« und nahm mich in eine Ecke an’s Fenster.

      »Der Oberbeamte hier,« flüsterte er mir zu, »hat mir einen ziemlich vollständigen Bericht gegeben, wie er die Untersuchung geleitet hat. Unter Anderem hat er nach seiner eigenen Mittheilung die Dienstboten aufsässig gemacht, es ist höchst wichtig sie wieder zu beruhigen.

      Theilen Sie gefälligst Ihrer Tochter und den übrigen Dienstboten mit meiner Empfehlung Folgendes mit, erstens daß ich bis jetzt keinen Beweis habe, daß der Diamant gestohlen, sondern daß ich nur weiß, daß er verloren ist; zweitens daß mein Verfahren gegen die Dienstboten sich einfach darauf beschränkt, sie zu bitten, sich zusammenzuthun und mir bei der Wiedererlangung behülflich zu sein.«

      Ich fand in diesen Worten eine Bestätigung dessen, was ich von der Entrüstung der Dienstboten bei dem durch Seegreaf auf ihre Zimmer gelegten Sequester gesehen hatte.

      »Mit Ihrer Erlaubniß möchte ich den Mägden noch ein Drittes sagen. Haben Sie etwas dagegen,« fragte ich, »daß sie Trepp auf Trepp ab laufen und in ihre Zimmer gehen, wann sie wollen?«

      »Nicht das Mindeste,« sagte Herr Cuff.

      Das wird das beste Mittel sein, sie alle von der Köchin bis zur Scheuermagd zu besänftigen.«

      »Besorgen Sie diese Beruhigung sofort, Herr Betteredge.«

      In weniger als fünf Minuten war die Sache gethan. Nur auf eine Schwierigkeit stieß ich. Es bedurfte einer ziemlich energischen Ausübung meiner Autorität als Chef, um zu verhindern, daß nicht die gesammte weibliche Dienerschaft mir und Penelopen in ihrem Eifer, Sergeant Cuff als freiwillige Zeugen behülflich zu sein, in das Boudoir hinauf folgte. Der Sergeant schien mit Penelopen zufrieden zu sein. Er sah etwas weniger melancholisch aus, und mehr wie damals, als er die weiße Rose betrachtete. Folgendes ist die Aussage meiner Tochter, wie der Sergeant sie zu Protokoll genommen hat. Sie machte ihre Aussage, glaube ich, sehr gut. Ja, sie ist ganz und gar mein Kind! Sie hat nichts von ihrer