Название | Der Mondstein (Ein Wilkie Collins-Krimi) |
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Автор произведения | Wilkie Collins Collins |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222131 |
Aber weiß der Teufel, warum Herr Godfrey Alles für sich und seine Dame behielt! Dagegen aber höre ich den Leser sagen, bot Herr Franklin doch gewiß Alles auf, die Gesellschaft in eine heitere Stimmung zu versehen? Weit gefehlt! Er schien zwar seine Fassung völlig wiedererlangt zu haben und war in Folge von Penelope’s Mittheilnng über Herrn Godfrerys Aufnahme im Rosengarten sehr gut aufgelegt Aber was er auch heute sagen mochte, fast immer kam es auf eine Tactlosigkeit heraus, so daß er am Ende Einige beleidigt und Alle verlegen gemacht hatte. Seine ausländische Erziehung, jene französische, deutsche und italienische Seite, von denen ich schon früher gesprochen habe, äußerte sich am gastlichen Tische Myladys in einer höchst unliebsamen Weise.
Was soll man z. B. dazu sagen, wenn er über den Grad sprach, bis zu welchem sich die Bewunderung einer verheiratheten Frau für einen andern Mann als ihren Gatten versteigen dürfe und diese Bemerkungen in seiner witzigen, scharfsinnigen, französischen Manier an die unverehelichte Tante des Predigers von Frizinghall richtete? Oder wenn er dann wieder die deutsche Seite hervorkehrte und einem großen Gutsbesitzer, einer anerkannten Autorität auf dem Gebiete der Viehzüchtung, als dieser seine Erfahrungen über die Mittel zur Herstellung ausgezeichneter Ochsen mittheilte, entgegnete, daß, genau genommen, Erfahrung gar nichts nütze, und daß vielmehr das rechte Mittel, gute Ochsen zu züchten, das sei, sich in sich selber zu versenken, aus seinem Innern die Idee eines vollkommenen Ochsen zu entwickeln und ihn dann herzustellen? Oder was soll man endlich zu Folgendem sagen? Als beim Käse und Salat ein Mitglied unserer Grafschaft sich über die Verbreitung der Demokratie in England in folgenden heftigen Worten erging: »Wenn wir einmal die alten Stützen unserer Verfassung verlieren, was meinen Sie, Herr Blake, was wir da noch übrig behalten?« antwortete unser Freund, auf dem diesmal der Italiener sprach: »Wir würden dann noch drei Dinge übrig behalten: Liebe, Musik und Salat.« Er choquirte nicht nur durch Ausbrüche wie diese die ganze Gesellschaft, sondern er verlor auch, als er dann wieder die englische Seite seines Wesens hervorkehrte, seine ausländische Höflichkeit und sagte, als die Unterhaltung auf den ärztlichen Beruf kam, so bitter-satyrische Dinge über Aerzte, daß er den gutmüthigen kleinen Herrn Candy in eine wahre Wuth versetzte.
Der Streit zwischen ihnen entspann sich, als Herr Franklin, ich weiß nicht mehr in welcher Veranlassung, erklärte, daß er neuerdings sehr schlecht geschlafen habe.
Herr Candy bemerkte darauf, daß sein Nervensystem offenbar angegriffen sei, und daß er unverzüglich Etwas dagegen gebrauchen müsse.
Herr Franklin erwiederte, daß sich ärztlich behandeln lassen und im Dunkeln tappen für ihn ganz gleichbedeutende Dinge seien.
Herr Candy gab ihm den Hieb geschickt zurück und sagte, daß Herr Franklin selbst, medicinisch gesprochen, im Dunkeln umhertappe, um Schlaf zu suchen, und daß nur die Medicin ihm zu diesem verhelfen könne.
Herr Franklin, an dem jetzt wieder die Reihe war, einen Hieb zu führen, bemerkte, daß er oft habe sagen hören, ein Blinder könne einen Blinden führen, daß er aber jetzt zum ersten Mal den wahren Sinn dieses Wortes verstehe.
In dieser Weise ging das Scharmützel eine Weile fort, bis beide anfingen heftig zu werden, namentlich Herr Candy, der in der Vertheidigung seines Berufs die Herrschaft über sich selbst so völlig verlor, daß Mylady sich genöthigt sah, dazwischen zu treten und die Fortsetzung des Gesprächs zu untersagen. Dieser nothgedrungene Act der Autorität von Seiten der Hausfrau brachte die matt glimmende Flamme der Geister völlig zum Erlöschen. Hie und da flackerte noch ein kurzes Gespräch auf, wiewohl aber immer nur, um wenige Augenblicke kümmerlich zu glimmen. Der Dämon des Diamanten waltete über diesem Mittagessen und Jedermann fühlte sich erleichtert, als meine Herrin endlich die Tafel aufhob und den Damen das Zeichen gab, die Herren ihrem Weine zu überlassen.
Ich hatte eben die Krystallflaschen in einer Reihe vor dem alten Herrn Ablewhite aufgestellt, welcher den Hausherrn vertrat, als plötzlich ein Ton von der Terrasse herauf erklang, der mich völlig aus meiner Butler-Fassung brachte. Herr Franklin und ich sahen einander an; es war der Ton der indischen Trommel, so wahr ich lebe! Es waren die Jongleurs die zugleich mit dem Mondstein zu unserem Hause zurückkehrten!
Als sie im Begriff waren, sich an der Ecke der Terrasse aufzustellen, humpelte ich hinunter, um sie wegzuschicken; aber ein unglücklicher Zufall wollte, daß die beiden »Dragoner« mir zuvorkamen. Sie platzten in ihrem ungeduldigen Verlangen, die Indier ihre Künste produciren zu sehen, auf die Terrasse los wie ein Paar Raketen. Die anderen Damen folgten ihnen; dann kamen auch die Herren hinzu. Ehe man sich’s versah, hatten die Spitzbuben angefangen ihre Begrüßungen zu machen, und waren die Dragoner damit beschäftigt, den hübschen kleinen Jungen zu liebkosen. Herr Franklin stellte sich an die eine Seite von Fräulein Rachel und ich postirte mich hinter sie. Wenn unser Argwohn begründet war, so präsentirte sie ohne Ahnung irgend einer Gefahr wie sie dastand den Diamanten an ihrer Brust den danach lüsternen Indiern! Was sie für Taschenspielerstücke und wie sie sie machten, kann ich nicht sagen.
Der unangenehme Verlauf des Mittagessens und das fatale Erscheinen dieser Spitzbuben, die eben im rechten Moment gekommen waren, um den Edelstein mit ihren eigenen Augen zu sehen, brachten mich nachgerade außer Fassung. Die erste bemerkenswerthe Thatsache war dann das plötzliche Erscheinen des indischen Reisenden, Herrn Murthwaite. Indem er aus dem Halbkreis« in welchem die Damen und Herren saßen oder standen, heraustrat, stellte er sich ruhig hinter die Jongleurs und fing plötzlich an, sich in ihrer Landessprache mit ihnen zu unterhalten.
Hätte er ihnen einen Bajonnettstoß versetzt, hätten sie sich schwerlich tigerartig wilder gegen ihn geberden können, als sie es bei den ersten indischen Worten, die er aussprach thaten.
Im nächsten Augenblick verbeugten sie sich gegen ihn — und begrüßten ihn in ihrer höflichsten und kriechendsten Manier.
Nachdem sie einige Worte in ihrer unverständlichen Sprache mit einander gewechselt hatten, entfernte sich Herr Murthwaite ebenso ruhig wieder, wie er gekommen war. Darauf näherte sich der Anführer der Indier, der ihnen als Dolmetscher diente, wieder den Damen und Herren. Es entging mir nicht, daß das kaffeefarbige Gesicht des Kerls grau geworden war, seit Herr Murthwaite mit ihm gesprochen hatte. Er verneigte sich gegen Mylady und erklärte ihr, daß die Vorstellung zu Ende sei.
Die »Dragoner,« welche über diesen plötzlichen Schluß unbeschreiblich desapointirt waren, brachen in ein lautes »Oh!« gegen den Urheber dieses unerwarteten Schlusses, Herrn Murthwaite, aus.
Der Anführer der Indier legte seine Hand demüthig auf seine Brust und sagte zum zweiten Mal, die Jongleur-Vorstellung sei vorüber.
Der kleine Junge ging mit einem Hute in der Hand umher. Die Damen zogen sich in den Salon zurück und die Herren gingen mit Ausnahme der Herren Franklin und Murthwaite wieder zu ihrem Wein. Ich und der Diener folgten den Indiern, bis wir überzeugt waren, daß sie unsern Grund und Boden verlassen hatten.
Aus unserem Rückwege längs der Büsche spürte ich Tabaksgeruch und fand Herrn Franklin und Herrn Murthwaite, den Letzteren eine indische Cigarre rauchend, langsam unter den Bäumen auf- und abgehend.
Herr Franklin forderte mich auf, mich zu ihnen zu gesellen.
»Das ist,« sagte Herr Franklin, indem er mich dem großen Reisenden vorstellte, »Gabriel Betteredge, der alte Diener und Freund unserer Familie, von dem ich so eben mit Ihnen gesprochen habe. Wiederholen Sie ihm, wenn ich bitten darf, was Sie mir gesagt haben.«
Herr Murthwaite nahm sein Cigarre aus dem Munde und lehnte sich in seiner müden Weise gegen einen Baumstumpf.