Kemet. Melanie Vogltanz

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Название Kemet
Автор произведения Melanie Vogltanz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783945045657



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von meinen Verwandten gesucht hatte, dann sicher nicht diese besserwisserische Katze, die sich für die Herrscherin der Welt hielt.

      Als hätte sie meine Gedanken gelesen, begann sie, hinter mir süffisant zu schnurren – glaubt mir, das kann sie gut.

      »Was willst du?«, fragte ich fordernd.

      »Spielen.«

      Ich blieb stehen und schaute über die Schulter, wo nun statt einer Katze eine Frau mit schwarzem Haar und sonnengeküsstem Gesicht stand. Sie wirkte hier ebenso fehl am Platz wie ich.

      Alarmiert ließ ich meinen Blick durch den Park schweifen, aber es war niemand zu sehen, der ihre Verwandlung hätte mitbekommen können.

      »Verdammt, Bastet«, fuhr ich sie an. »Wenn die Menschen–«

      Sie unterbrach mich – mich – und sah mich dabei aus ihren gelben Augen mitleidig an. »Die Menschen sind unsere Diener. Was soll schon passieren? Ich werde mich sicher nicht verstecken.«

      »Unsere Diener«, wiederholte ich trocken. »Diese hier ganz sicher nicht. Ich meine, hast du dich mal umgesehen?«

      »Und, was soll ich sehen? Menschen, deren Gewänder sich in eine ganz furchtbare Richtung entwickelt haben und die nun lieber diesem Internet huldigen als uns?« Bastet machte ein verächtliches Geräusch. »Sie werden mir danken, wenn ich mit ihnen fertig bin.«

      »Was willst du denn tun?«

      »Die anderen haben einen Plan«, gab sie schulterzuckend zurück. »Wir werden bald wieder der Mittelpunkt ihrer erbärmlichen Leben sein.«

      Ich verdrehte die Augen und wandte mich von ihr ab. Vor mir ragte das Prettlack’sche Gartenhaus auf – ich war öfter dort, um in verschiedensten Büchern zu stöbern, die jedermann zur Verfügung standen. Sie waren sehr aufschlussreich, wenn man bedachte, was ich in meinem jahrhundertelangen Schlaf alles verpasst hatte. Glücklicherweise gehörte es zu unseren göttlichen Fähigkeiten, jede Sprache zu beherrschen.

      »Willst du dich für den Rest deines Lebens verkriechen?« Bastet ließ nicht locker. »Hast du vergessen, wer du warst – wer du bist

      »Vielleicht würde ich das gerne«, murmelte ich, mit einem Mal müde.

      Hinter mir lachte Bastet. »Erbärmlich.«

      Als ich mich zu ihr herumdrehte, sah ich nur noch eine schwarze Katze ins Gebüsch huschen. Ohne weiter darüber nachzudenken, folgte ich ihr.

      ***

      »Wo gehst du hin?«, flüsterte ich zu mir selbst, während ich an der Ecke eines Blocks darauf wartete, dass Bastet einen Vorsprung gewann. Sie hatte noch nicht bemerkt, dass ich ihr folgte. Und wenn doch, dann zeigte sie es nicht.

      Die Katze rannte quer über die Straße und verschwand. Ich blinzelte verwirrt, bis mir klar wurde, dass sich dort ein Loch im Boden auftat – ein geöffneter Gullideckel. Rasch trat ich näher und sah hinunter in die Dunkelheit. Ein Lächeln verzog meine Lefzen.

      »Da habt ihr euch also versteckt.«

      Nach einem prüfenden Blick auf meine Umgebung sprang ich hinunter und wurde sogleich vom aufdringlichen Gestank der Kanalisation empfangen. Ich rümpfte meine feinfühlige Nase und wartete, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Irgendwo hinter mir konnte ich kleine Pfoten über das Gestein kratzen hören – ein gefundenes Fressen für Bastet. Aber ich glaubte kaum, dass sie hier war, um Ratten zu fangen. Nein, die anderen waren in der Nähe. Ich konnte es spüren.

      Was für ein Ort für Götter.

      Ich versuchte die Gerüche von schmutzigem Wasser und Exkrementen auszublenden und folgte dem Duft der Katze. Das Echo meiner Schritte wurde von Erde und Staub verschluckt. Hinter der nächsten Ecke fand ich eine Gittertür vor; ich glaubte, dahinter weitläufige Katakomben zu erkennen. Die Tür stand einen Spaltbreit offen. Das Schloss war eindeutig zerstört worden – nein, geschmolzen. Von Götterhand, da war ich mir sicher.

      Aus dem Nichts prallte ein schwerer Körper gegen mich und riss mich mit sich. Ehe ich reagieren konnte, landeten wir in der stinkenden Kloake. Sofort kämpfte ich mich nach oben und schnappte angewidert nach Luft. Doch starke Hände rissen an meinen Haaren und drückten meinen Kopf erneut unter Wasser.

      Genug.

      In mir erwachte der Sturm. Das Wasser explodierte um mich herum und die gewaltige Kraft, die meinen Körper verließ, schleuderte meinen Angreifer davon. Die Magie glühte in meinen Adern und ließ Blitze vor meinen Augen aufzucken. Ich sah mich sofort nach demjenigen um, der es gewagt hatte, mich aus dem Hinterhalt zu attackieren.

      »Cherti«, knurrte ich, als ich den bulligen Mann mit den Widder-hörnern erkannte.

      Er wischte sich zornig das Dreckwasser aus dem Gesicht und kam ein paar Schritte näher.

      »Du passt ja gut hierher«, sagte ich mit Blick auf die modrigen Wände. »Muss dich wohl an die Unterwelt erinnern, nicht wahr?«

      Ein wütendes Grollen drang aus Chertis Brust, mehr Tier als Gott.

      »Das reicht.«

      Osiris erschien mit verschränkten Armen vor der Gittertür und schaute auf uns herab. Hinter ihm standen Bastet in Menschengestalt und seine Frau Isis. Deren schönes, aber strenges Gesicht zeigte keinerlei Regung, als sie mich sah. Als hätten wir nie Seite an Seite um etwas gekämpft. Osiris’ Leben, um genau zu sein.

      »Komm, Cherti«, befahl Osiris dem Unterweltgott. »Wir haben Großes vor.«

      Ich bleckte die Zähne. »Ach ja? Und das wäre?«

      Osiris fuhr sich mit der Hand über seinen Ziegenbart und sah mich an, als überlegte er, ob ich eine Antwort wert sei. Isis kam ihm zuvor.

      »Er wird mir meinen Tempel zurückgeben«, hauchte sie und legte ihm liebevoll eine Hand auf den Unterarm. »Nicht wahr, mein Geliebter?«

      Osiris musterte seine Gemahlin wie seinen kostbarsten Besitz. »So ist es, meine Schöne.«

      Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle übergeben. Stattdessen fragte ich: »Was für ein Tempel?«

      »Der Isis-Tempel natürlich. Erst erobern wir Mainz und dann bauen wir ihn wieder auf. Und von dort aus werden wir herrschen. Sie werden uns anbeten.«

      Isis hing wie verzaubert an Osiris’ Lippen. Sie konnte es wohl kaum erwarten, ihrem übernatürlichen Ego noch mehr Futter zu geben.

      »Und dann darf ich mit ihnen spielen«, sinnierte Bastet. Ihre raubtierhaften Eckzähne glitzerten.

      »Ihr seid doch wahnsinnig«, stellte ich fest. »Wollt ihr die Menschheit wirklich unterwerfen oder gar Schlimmeres?«

      Osiris antwortete nicht. Er gab Cherti ein Zeichen, ihm zu folgen, und wandte sich mit seiner Frau von mir ab. Der Unterweltgott starrte mich aus bösen Augen an, als er an mir vorbei durch den Kanal watete.

      »Osiris, warte«, bat ich aufgebracht. »Das kannst du nicht tun. Du schuldest mir dein Leben!«

      Er hielt inne und sagte über die Schulter hinweg: »Wie ich das sehe, schulde ich es meiner Frau.« Er drückte Isis’ Hand. »Du warst nur ein Mittel zum Zweck.«

      »Ich war der Einzige, der den Totenritus durchführen konnte«, erinnerte ich ihn abfällig. »Ohne mich würde deine Frau jetzt bei deinen konservierten Leichenteilen um Aufmerksamkeit buhlen.«

      Empört sog Isis die Luft ein. Gleichzeitig schmetterte Osiris mir mit einer energischen Handbewegung einen Feuerball entgegen. Ich sprang schnell zur Seite und das lodernde Geschoss verglühte an der Kanalwand. Zurück blieb ein gewaltiger Brandfleck, der ich hätte sein können.

      »Verdammt!«

      Osiris lächelte mir gleichgültig zu. »Du weißt nicht, wo dein Platz ist. Aber ich glaube, hier unten bist du ganz gut aufgehoben.«

      Mit diesen Worten wandte er sich ab und nahm sein Gefolge mit. Ungläubig sah ich