Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde. Оскар Уайльд

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Название Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde
Автор произведения Оскар Уайльд
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027225644



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nicht von schrecklichen Dingen! Wenn man über eine Sache nicht spricht, ist sie nicht geschehen. Nur was man äußert, sagt Harry, gibt den Dingen ihre Wirklichkeit. Erwähnen möcht' ich aber, daß sie nicht das einzige Kind der Frau war. Es ist noch ein Sohn da, ein famoser Junge vermutlich. Aber er ist nicht beim Theater. Matrose oder so was ähnliches. Und jetzt erzähle mir was von dir, was malst du?«

      »Du warst in der Oper?« sagte Hallward gedehnt, und seine Stimme war gepreßt vor Schmerz. »Du warst in der Oper, während Sibyl Vane tot in irgendeiner schmutzigen Stube lag? Du kannst mir von anderen bezaubernden Weibern erzählen, und daß die Patti göttlich gesungen hat, noch ehe das Mädchen, das du geliebt hast, die Ruhe des Grabes gefunden hat, darin sie schlafen soll? Mensch, bedenke doch, welche Schrecknisse auf den kleinen weißen Körper warten!«

      »Hör auf, Basil, ich will davon nichts hören!« rief Dorian und sprang auf. »Du darfst mir über diese Dinge nichts sagen. Was geschehen ist, ist geschehen, was vergangen ist, ist vergangen.«

      »Nennst du gestern die Vergangenheit?«

      »Was hat die wirklich verstrichene Zeit damit zu tun? Nur seichtes Volk braucht Jahre, um ein Gefühl zu überwinden. Ein Mensch, der Herr über sich selbst ist, kann einen Schmerz ebenso leicht überwinden, wie er einen Genuß entdecken kann. Ich will nicht der Spielball meiner Empfindungen sein. Ich will sie ausnützen, mich an ihnen freuen und sie beherrschen.«

      »Dorian, es ist schauderhaft! Irgend etwas hat dich ganz verändert. Du siehst noch genau so aus wie der wunderhübsche Junge, der Tag für Tag in mein Atelier kam, um für mein Bild zu sitzen. Aber damals warst du einfacher, natürlich und herzlich. Du warst das unverdorbenste Menschenkind auf der ganzen Welt. Ich weiß nicht, was jetzt über dich gekommen ist. Du sprichst, als hättest du kein Herz, kein Mitleid in dir. Das ist Harrys Einfluß. Ich sehe es.«

      Der junge Mensch wurde rot, ging ans Fenster, sah ein paar Augenblicke auf den grün schimmernden, von der Sonne betupften Garten. »Ich schulde Harry sehr viel, sehr viel, Basil,« sagte er schließlich – »mehr als ich dir schulde. Du hast mir nur Eitelkeit beigebracht.«

      »Ich bin bestraft worden dafür, Dorian – oder werde es eines Tages sein.«

      »Ich weiß nicht, was du meinst, Basil«, rief Dorian aus und drehte sich um. »Ich weiß nicht, was du willst! Was willst du?«

      »Ich will den Dorian Gray wieder, den ich gemalt habe«, sagte der Künstler traurig.

      »Basil,« erwiderte der Jüngling, trat vor ihn hin und legte ihm die Hand auf die Schulter, »du bist zu spät gekommen. Als ich gestern hörte, daß sich Sibyl Vane getötet habe – –«

      »Sich getötet! Gott im Himmel! ist das ganz sicher?« schrie Hallward und stierte ihn mit dem Ausdruck äußersten Schreckens an.

      »Mein lieber Basil! Du glaubst doch nicht, daß es nur ein gewöhnlicher Unglücksfall war? Natürlich hat sie sich selbst getötet.«

      Der ältere Mann vergrub sein Gesicht in den Händen. »Wie schrecklich!« flüsterte er und ein Schauer durchrann ihn.

      »Nein,« sagte Dorian Gray, »es ist gar nichts Schreckliches daran. Es ist eine der größten romantischen Tragödien unserer Zeit. In der Regel führen Schauspieler das alltäglichste Leben. Sie sind gute Ehemänner oder treue Ehefrauen oder sonst irgendwas Langweiliges. Du verstehst, was ich meine – hausbackene Tugend und lauter solche Dinge. Wie anders war Sibyl! Sie lebte ihre beste Tragödie. Sie war immer eine Heldin. Am letzten Abend, wo sie spielte – an dem Abend, wo du sie gesehen hast –, spielte sie schlecht, weil sie die Liebe als Wirklichkeit erkannt hatte. Als sie ihre Unwirklichkeit erfuhr, starb sie, wie Julia daran gestorben wäre. Sie entschwand wieder in das Reich der Kunst. Sie umschwebt etwas von einer Märtyrerin. Ihr Tod hat all die pathetische Nutzlosigkeit der Märtyrerschaft, all seine vergeudete Schönheit. Aber wie gesagt, du brauchst nicht zu glauben, daß ich nicht gelitten hätte. Wenn du gestern in einem bestimmten Augenblick, etwa um halb sechs oder um drei Viertel sechs gekommen wärst – dann hättest du mich in Tränen aufgelöst gefunden. Selbst Harry, der hier war und mir erst die Nachricht brachte, hat keine Ahnung, was ich durchgemacht habe. Ich litt namenlos. Dann ging es vorüber. Ich kann das Gefühl nicht wiederholen. Niemand kann das, sentimentale Menschen ausgenommen. Und du bist furchtbar ungerecht, Basil. Du kommst hierher, um mich zu trösten. Das ist gut und lieb von dir. Du findest mich getröstet und bist wütend. So sieht dein Mitgefühl aus! Du erinnerst mich an eine Geschichte, die mir Harry über einen Philanthropen erzählt hat, der sich zwanzig Jahre seines Lebens damit abquälte, irgendeinen Mißstand aus der Welt zu schaffen oder ein ungerechtes Gesetz abzuändern – ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Schließlich gelang es ihm, und nichts konnte größer sein als seine Enttäuschung. Er hatte nun absolut nichts mehr zu tun, starb beinah vor Langerweile und wurde ein unversöhnlicher Menschenhasser. Und außerdem, mein lieber, alter Basil, wenn du mich wirklich trösten wolltest, so lehre mich lieber vergessen, was geschehen ist, oder lehre mich's von rein künstlerischer Seite ansehen. War es nicht Gautier, der gern über die ›consolation des arts‹ geschrieben hat? Ich erinnere mich, daß mir mal in deinem Atelier ein kleines Buch in Pergamentband in die Hand fiel, und ich darin auf diesen entzückenden Ausdruck stieß. Nun, ich bin ja nicht wie der junge Mann, von dem du mir einmal in Marlow erzählt hast, und der zu sagen pflegte, gelber Atlas könne einen über alles Elend im Leben hinwegtrösten. Ich liebe schöne Dinge, die man in die Hand nehmen und angreifen kann. Alter Brokat, grünpatinierte Bronzen, Lackarbeiten, Elfenbeinschnitzereien, eine erlesene Zimmerkunst, Luxus, Prunk, das sind alles Dinge, die einem viel geben können. Aber die künstlerische Seelenstimmung, die sie erzeugen oder mindestens offenbaren, bedeutet mir doch noch mehr. Ein Zuschauer seines eigenen Lebens sein, wie Harry sagt, das heißt, den Schmerzen des Lebens entrinnen. Ich weiß, du bist erstaunt, daß ich so zu dir spreche. Du hast noch nicht bemerkt, wie ich mich entwickelt habe. Ich war ein Schulknabe, als du mich kennenlerntest. Jetzt bin ich ein Mann. Ich habe neue Leidenschaften, neue Gedanken, neue Vorstellungen. Ich bin anders, aber du mußt mich trotzdem nicht weniger lieb haben. Ich bin verändert, aber du mußt immer mein Freund bleiben. Natürlich habe ich Harry sehr gern. Aber ich weiß auch, daß du besser bist als er. Du bist nicht stärker – dazu ängstigst du dich zu viel vorm Leben – aber du bist besser. Und wie glücklich waren wir doch miteinander! Verlaß mich nicht, Basil, und zanke nicht mit mir. Ich bin, was ich bin. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«

      Der Maler war seltsam bewegt. Der junge Mensch war ihm unsagbar teuer, und seine Erscheinung war der große Wendepunkt in seiner Kunst gewesen. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, ihm noch weitere Vorwürfe zu machen. Am Ende war seine Gleichgültigkeit nur eine vorübergehende Laune. Es steckte ja soviel Gutes, soviel Edles in ihm.

      »Gut, Dorian,« sagte er endlich mit einem wehmütigen Lächeln, »ich will von heut an nie wieder über diese furchtbare Sache sprechen. Ich hoffe nur, dein Name wird nicht in Verbindung damit genannt. Die Leichenschau soll heute nachmittag stattfinden. Bist du vorgeladen?«

      Dorian schüttelte den Kopf, und eine unangenehme Empfindung glitt bei dem Wort »Leichenschau« über sein Gesicht. In all diesen Dingen lag etwas so Rohes und Gemeines. »Sie kennen meinen Namen nicht«, antwortete er.

      »Aber sie wußte ihn doch?«

      »Nur meinen Vornamen, und den hat sie gewiß niemand gesagt. Sie erzählte mir einmal, daß alle sehr begierig seien, zu erfahren, wer ich sei und daß sie ihnen beständig sage, ich heiße der Prinz Märchenschön. Das war hübsch von ihr. Du mußt mir eine Zeichnung von Sibyl machen, Basil. Ich möchte von ihr gern etwas mehr haben als die Erinnerung an ein paar Küsse und einige gestammelte pathetische Worte.«

      »Ich will versuchen, etwas zu machen, Dorian, wenn ich dir damit eine Freude bereite. Aber du mußt zu mir kommen und mir selbst wieder sitzen. Ich komme ohne dich nicht vom Fleck.«

      »Ich kann dir nie wieder sitzen, Basil. Das ist unmöglich!« rief Dorian und schrak zurück.

      Der Maler starrte ihn an. »Mein lieber Junge, was für ein Unsinn«, rief er. »Willst du damit sagen, daß du mein Bild nicht gut findest? Wo ist es? Warum hast du den Wandschirm vorgestellt? Laß es mich sehen. Es ist die beste Arbeit,