Название | Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch |
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Автор произведения | Walther Kabel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075835246 |
Frau Helgas Hände sind frei …
Gerhard Dorner fällt langsam in den Schiffssessel am Tische, läßt den Kopf auf die Arme sinken, und seine Schultern, sein ganzer Körper beben wie im Schüttelfrost …
16. Kapitel
Als Gerda kam …
Wir drei anderen verhalten uns regungslos. Ich befreie dann auch den Alten von den geteerten Stricken, reibe Frau Jörnsens Handgelenke …
Kamerad Dorner hebt den Kopf … Ein Blick, der uns enttäuscht, gleitet über uns hinweg. Ein umflorter Blick ohne den Frohsinn, den wir drei erwartet haben …
»Also Gerhard Dorner …!« meint er leise. »Ja – Gerhard Dorner, es stimmt … Doch – der Name allein hat mir wenig zurückgegeben. Ich bin Gerhard Dorner, und verschwommen sehe ich Bilder, die in mein früheres Dasein hinübergreifen … Schiffsheizer … Fahrt nach Deutschland, um teilzunehmen an dem Existenzkampf meiner Heimat gegen die Übermacht … Alles so unklar, so, als könnte ich das alles auch nur gelesen haben in lebendigster, eindrucksvollster Schilderung …«
Er reicht Jörnsen die Hand … »Ich danke dir … Es ist immerhin etwas … Vielleicht bringt die heilende Zeit mir volles Licht über das Einst …«
Frau Helga erhebt sich. »Ich möchte an Deck. Ich ersticke hier …«
Und sie verläßt die Kajüte, zieht aber den Schlüssel aus der Tür und schreitet davon. Ob diese Szene hier ihr so nahe geht?! Ich hatte bisher nie gemerkt, daß sie übermäßig viel Gefühl besaß.
Dorner beachtet sie nicht, beschäftigt sich nur mit sich selbst … Sein Blick ist jetzt wie nach innen gerichtet, ist der eines Menschen, der nach innen lauscht, der aus der Seele feinsten Schwingungen mit Auge und Ohr die Melodie ferner Klänge entwirren will.
Ich lehne an dem schmalen Schrank neben dem Sofa, und das Herz ist mir schwer. Sollte das Schicksal wirklich so unendlich grausam sein und dem Kameraden auch jetzt noch die Pforte zum dunklen Gemach früheren Erlebens halb versperrt halten?! – Ich habe wenig Hoffnung, daß die Zeit hier die gütige Erlöserin werden wird. Wenn dieser Augenblick, wo der Name Gerhard Dorner an Boche Boches Ohr doch wie der Posaunenton eines neuen Daseinsabschnitts gedrungen sein muß, die Fesseln nicht gesprengt hat, – – was sollte noch stärkere Wirkung erzielen als dies?! Und die Wirkung war im Grunde gleich Null.
Dann sagt mein armer Kamerad wieder: »Woher kennst du meinen Namen, Holger Jörnsen?«
Der Alte schaut sinnend auf das strahlend helle Deck hinaus …
»Ich habe euch beiden noch vieles mitzuteilen … Wir erörtern das besser alles im Zusammenhang … – Abelsen, vielleicht erzählst du zunächst, wie Erik Jörnsen starb, der hier sein Weib und Kind seit anderthalb Jahren verborgen hielt, weil sie angeblich an Aussatz litten … Dies hier ist Eriks Jacht »Skansen«, die – angeblich – bei den Falklandsinseln gescheitert, gesunken war.« Er sprach merkwürdig zerstreut. Seine Gedanken waren nicht bei der Sache. »Ihr werdet die beiden nachher sehen, die er hier lebend begrub, bis drei patagonische Fischer auf der Seehundsjagd hier in die Wasserhöhle gerieten und Senta, meine Nichte, ihnen den Brief für Gerda mitgab, den die braven braunen Kerle auch getreulich weiterbeförderten.«
Seine Stimme vibrierte leicht, und seine Augen blieben geradeaus gerichtet …
Gerda!! Senta!! – Ich sah plötzlich unseren Garten vor mir … Die Schaukel … Und auf der Schaukel zwei blonde Mädelchen, – ich selbst hinter dem Schaukelkasten auf dem Rande stehend und uns drei hoch in die Luft schwingend … Kindheitstage …! Jetzt wußte ich: Gerdas jüngere Schwester hatte Senta geheißen, ein stilles Kind, das stets friedlich für sich allein blieb …
Gerhard reckte die Hand über den Tisch … »Jörnsen, Jörnsen, – – was war mir Gerda?! Jörnsen, – ich kenne sie … Was war sie mir, und wo ist sie?! Seine Finger umkrallen des Alten Unterarm …
Und Holger Jörnsen erwidert, während eine leichte Blässe sein Gesicht farblos macht:
»Drehe dich um, Gerhard …« Die Stimme versagt ihm fast … »Deine Gerda kommt … Drehe dich um …«
Dorner fährt hoch …
Ich trete einen Schritt vor …
Gerda kommt … Kommt langsam vom Vorschiff über das Deck … Gerda in jenen Kleidungsstücken, die Frau Helga in Iquique so sorgfältig auswählte.
Dorner taumelt vorwärts – durch die Tür – Gerda entgegen …
Zwei jubelnde Schreie …
Zwei Menschen, die sich in den Armen liegen, die sich umklammert halten …
Neben mir sagt Holger Jörnsen leise:
»Sein Weib, Abelsen … seine Frau …! Nicht Gerda Arnstör, sondern Gerda Dorner, freiwillige Krankenpflegerin an der deutschen Westfront, seine Pflegerin nach seiner ersten schweren Gasvergiftung, dann sein Weib, dann er wieder zur Front, verschollen … Bis jener Tag in der Ostsee ihn zu uns auf den Torstensen führte mit dir zugleich, Abelsen … zu uns, die wir dem Fährschiff gefolgt waren, nach dir suchten, Abelsen. Du wirst das nachher alles noch besser begreifen. Du bist in eine seltene Tragödie mit hineingezogen worden …«
Ich höre alles nur halb …
In mir erstirbt etwas für ewig. Ich, der Ausgestoßene, habe wieder geliebt, und diese Liebe zerfällt in Asche …
»Gerda war Helga, angeblich meine Frau, Abelsen … Wir hatten unsere Gründe dafür, Gerda unkenntlich zu machen, als wir Trelleborg kurz nach der »Drottning Viktoria« verließen, denn unsere Absicht war schon damals, hier dieses Versteck der Jacht »Skansen« aufzusuchen …«
Ich höre alles nur halb …
Die beiden dort an Deck standen nun Hand in Hand, und Gerhard Dorners Gesicht war wie von einem Rausch von tiefster Seligkeit durchglüht.
Meine Liebe war Asche … Ich armer Tor, Tramp des Erdenrunds, – – sollte mein verpfuschtes Dasein denn in die Alltagsbahn ruhigen Glücks wieder einlenken?!
Und Hand in Hand kamen sie nun zu uns … Mein Kamerad ein völlig anderer … Gerda mir lächelnd zunickend, noch Tränenspuren in den Augen.
»Die Pforte ist offen!« rief Dorner mit dem seligen Übermut dessen, der alles Böse, Tragische überwunden hat … »Gerda hat den Riegel gesprengt … Boche Boche ist begraben … Jetzt bin ich Gerhard Dorner, jetzt bin ich’s wirklich!«
Ich bin kein Dichter, will kein Dichter sein. Dichter besingen den Alltag. Mein Lied klingt anders. Mein Lied ist Erleben abseits der Heerstraße der Glücklichen, Satten, Zufriedenen.
Ich komme zum Schluß.
Wir saßen um den Tisch der Kajüte herum, und die Vorräte des Torstensen hatten ein Festmahl gespendet. Sechs saßen um den Tisch, und drei hockten an Deck: die drei Patagonier!
Frau Senta Jörnsens blonder Junge, blaß und still, – Frau Senta selbst, früh gealtert, bleich, in den Augen das große Leid ihrer Ehe, – diese beiden paßten nicht in die Stimmung hinein, die selbst mir förmlich anflog, wenn ich das strahlende wieder vereinte Ehepaar neidlos beobachtete.
Nachher war ich mit Holger Jörnsen allein … Ich will mich genauso knapp fassen, wie er es tat, als er mir nun die noch offenen Fragen mit kurzen Sätzen ausfüllte. Er war Junggeselle. Sein Zwillingsbruder, reich gewordener Fischer in Trelleborg, hatte ursprünglich den Kutter für sich bauen lassen … »Als Gerda dann den Brief ihrer Schwester erhalten hatte, lieber Abelsen, – den Brief, den Erik ihr in jener Nacht abtrotzen wollte, als du dazwischen tratst, da wandte sie sich an mich, den alten, unruhigen Käpten, der trotz seiner fünfundsechzig Jahre noch