Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835246



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hinter der Reling, aber die Kugelsaat meines Bleispuckers muß sie auf diese zweihundert Meter im Nu dezimieren.

      Ich zaudere. Wir haben keine Verluste … Ich schiele nach Chubur hin. Er raucht und blickt geradeaus. Chanaf meint verächtlich, die drüben seien Sauschützen …

      Trotzdem war’s Zeit …

      Ich stelle das Visier … drücke ab … Ziele zunächst auf die Reling und die Gallionsfigur der Jacht, anscheinend ein nacktes Weib …

      Die Kugeln spritzen, – der erste Gurt ist leer … Chanaf reicht mir den zweiten, schiebt den Kasten näher. Aber die Jacht schwenkt plötzlich herum, zeigt die Breitseite, wendet in kurzem Bogen …

      Chubur ruft grimmig:

      »El Gento, Schiff fliehen …!«

      Ja – sie flüchten …

      Sie sollen merken, daß sie klüger tun, uns zu meiden …

      Meine Kugelspritze faucht tackend, – – drüben an Deck völlige Leere …

      Die trübe ferne Dämmerung im Süden verschluckt die Jacht. Selbst mit dem Glase ist sie nicht mehr zu finden.

      Das war kein Sieg, das war nicht einmal ein Kampf, das war nur das Vorspiel …

      Denn Chuburs grellender Baß peitscht uns hoch, zwingt unsere Köpfe gen Norden …

      »Die Insel!!« brüllt Chubur, und sogar die Zigarre entfällt ihm … »Die Insel, El Gento …!! Die Insel!!«

      Wir starren halb gen Westen …

      Über dem schillernden Meere liegt ein graues, helles Land, darüber Büsche, niedere Bäume, Kokospalmen, Fächerpalmen …

      Das, was kein Kampf war, hat uns die Insel finden lassen, die wir für versunken hielten.

      Chanaf tanzt wie ein Verrückter neben mir … Seine Stimme schnappt über:

      »Die Insel, – – sein die Insel, El Gento – – sein bestimmt die Insel!!«

      Unwillkürlich gleitet mein Blick über die Kabinenfenster hin.

      Und – aus den aufgeschlitzten Decken des einen reckt sich ein weißer Arm hervor … eine Handrakete zischt hoch, pufft eine grüne Leuchtkugel aus.

      Bevor ich’s noch hindern kann, hat Manik gefeuert …

      Ein leiser Schrei dort drinnen …

      Ich stürze hinein … Unter dem Fenster liegt Ellen, und die Totenblässe ihres Gesichts und das Winseln des Hundes und Hirutos finsterer Blick lassen mich taumeln.

      Hiruto hebt Ellen empor, trägt sie auf das Bett …

      »Gehen Sie!« sagt er kalt … »Ich werde Ellen verbinden. Ein Lungenschuß …«

      Ich weiß nicht, was ich rede …

      »Die … Insel …« stammele ich nur … »Sie … ist … wieder aufgetaucht …«

      »Aufgetaucht?! Sie war nie versunken … Sie war künstlich eingenebelt … Das ist das ganze Geheimnis. Gehen Sie und bringen Sie mir die Apotheke …«

      Ich schicke Chanaf mit dem großen Kasten hinein, ich selbst bringe Schüsseln, Wasser …

      Hiruto weist uns hinaus. »Wenn sie stirbt, sterben Sie auch!« sagte er mit beängstigender Ruhe.

      Ich lehne vorn an der Ankerwinde, und vor meinen Augen zerfließt das nahe Bild des kleinen Eilandes zu einem leichenblassen Gesicht … Chubur fragt sehr kaltschnäuzig: »Werden Miß sterben?«

      Ich könnte ihm dafür an die Kehle springen. Aber man muß Chubur vieles nachsehen. Und auch Manik, der den verhängnisvollen Schuß abgefeuert hat, hört kein Wort des Vorwurfs.

      Chubur fragt ebenso sachlich:

      »He – wozu die hat Signal gegeben, El Gento?«

      »Wenn ich das wüßte!« – Ich finde mich allmählich wieder zu mir selbst zurück. Ich schicke Chubur zu Chanaf, der jetzt am Steuer steht. Wir wollen das Eiland erst einmal umrunden. Inzwischen wird die Morgendämmerung heraufziehen, und wir werden feststellen, ob die Insel verteidigt wird.

      Die Brigg gleitet in hundert Meter Abstand am Ufer hin. Ich erkenne mit dem Glas zwei Holztürme, – es können nur Antennenmasten sein. Ich sehe helle Felsgebilde zwischen den Büschen, ich kann sehr bald die Größe des Eilandes abschätzen, auch die ungefähre Form, ein unregelmäßiges Viereck, größte Länge von Nord nach Süd vielleicht vierhundert Meter, größte Breite von Ost nach West vielleicht sechshundert. Die Ufer sind stellenweise ziemlich steil, an der Nordseite, die wir nun erreichen, schneidet eine kleine Bucht tief ins Land.

      Was mich wundert, ist die merkwürdig hellgraue Färbung des Gesteins. Auch der flache Uferteil zeigt keinerlei Sand – alles nur derselbe Fels …

      Chubur deutet auf die Bucht, die durch eine Reihe Klippen wie durch eine Mole geschützt ist. »Dort ankern, El Gento … Nachher, wenn erst Tag …«

      Die Brigg umkreist weiter das Inselchen. Ich spähe nach Hütten oder Häusern aus … Ich bin ein Stück in die Wanten gestiegen, und der Morgen spendet bereits erstes Licht. Die Sterne verblassen. Die Mondsichel blinkt matter. Ich kann das Eiland überschauen, – nur am Ufer gibt es Bäume, Büsche, im Innern nur Felsen … kein Haus, kein Dach, kein lebendes Wesen … – nur die beiden hölzernen Antennenmasten, zwischen denen eine Eindrahtantenne im Morgenwinde leicht pendelt.

      Meine Araukaner hängen jetzt wie ich in den Wanten, Chubur steckt oben im Krähennest, wir tauschen unsere Ansichten über das Inselchen aus. Viel ist da nicht zu sagen, wenn man eben von dem hellen Gestein absieht, das ich in dieser Art noch nie irgendwo vorgefunden habe, und ich kenne doch so ziemlich die ganze Welt, habe überall der Technik gedient, habe meinen Ingenieurberuf über alles geliebt und war stets ein Mann, der den praktischen Sinn hoch über die leere Theorie stellte.

      Als wir so zum zweiten Male vor der Nordbucht anlangten, schiebt sich im Osten der Sonnenball über den dunstigen Horizont hinweg, die ersten Strahlen schießen über das Meer, und – ein Zufall?! – Baron Hirutos offenbar befehlsgewöhnte Stimme ruft nach oben:

      »Ich möchte Sie einen Augenblick sprechen, Mr. El Gento. Ellens Verletzung ist zum Glück nur leichter Natur.«

      Ich danke ihm, daß er diesen wertvollen Nachsatz sofort hinzugefügt hat. Der schwere Seelendruck schwindet, und ich reiche ihm froh die Hand, in die er die Spitzen seiner Finger legt, denn das Übrige ist weiß bandagiert.

      Man merkt ihm die durchwachte Nacht nicht an. Sein Anzug ist tadellos, seine gepflegte Erscheinung, sein kluges, rosiges Gesicht und diese Stimme, die genau so beherrscht ist, verraten abermals den Mann von Rang und Stand. Seine dunklen kleinen Augen prüfen meine Züge, dann schwenkt sein Blick flüchtig über das Eiland hin, und mir scheint’s, als ob in den Tiefen dieser Augen ein schwaches Lächeln dämmert.

      »Die Kugel,« sagt er, »traf als matter Querschläger die Rippen und lag dicht unter der Haut. Ich habe sie entfernt.«

      Er hebt seine Linke und öffnet sie. In der Handfläche liegt ein Nickelmantelgeschoß, das kaum deformiert ist. Die Züge des Laufes sind schwach in den Mantel eingedrückt wie breite, gewundene Kratzer.

      »Dies ist die Kugel.«

      »Gott sei Dank, daß es so abging …« und ich nehme die Kugel, betrachte sie und verfärbe mich in den Gedanken, daß dieses Stückchen Blei ein junges Leben hätte auslöschen können.

      Hiruto beobachtet mich. »Ellen trägt Ihnen nichts nach,« meint er. »Sie hat ja gegen Ihren ausdrücklichen Befehl gehandelt. Die Jacht wird Sie nicht mehr belästigen.«

      »Infolge der Rakete?« frage ich schnell.

      Er schweigt und deutet sein gewohntes Achselzucken an.

      Dann: »Werden Sie hier landen?«

      »Ist es die Insel?«