Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

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Название Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075831200



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war das, was folgte.

      Wie im Traum sprach sie nun vor sich hin: „Mir fiel es schon damals auf, daß er immer wieder auf die als Pfeifenbeutel verborgende Skizze zurückkam! – Also deshalb – deshalb –!“

      Frau Theresa Knork erschien plötzlich in der Tür.

      „Magda – Magda, – mein Kind!“ rief sie mit tränenschwerer Stimme und breitete die Arme nach ihrer Tochter aus.

      Das junge Weib jedoch blickte nur flüchtig nach der Mutter hin, stand auf, sagte fest, aber mit seltsam klangloser Stimme:

      „Mein Leben ist verpfuscht. Ich weiß jetzt, daß Palperlon mich hintergangen hat, daß nur er der Einbrecher gewesen sein kann.“ Sie schaute Harst dabei an. „Ich glaube jetzt auch alles andere, was von Palperlon behauptet wird. Er hatte mich in ein Netz von Lügen eingesponnen. Ich habe oft an seinen Worten gezweifelt. Ein Weib, das liebt, ist leicht zu täuschen, wehrt nur zu gern alle Zweifel von sich ab.“ Dann wandte sie sich an Brodersen. „Lassen Sie mich in meine Zelle zurückführen. Nachmittags will ich Ihnen alle Fragen beantworten.“

      Frau Knork stand mit schlaff herabhängenden Armen da.

      „Magda!“, rief sie nochmals.

      Aber ihre Tochter schüttelte nur den Kopf und sprach wie in die Luft hinaus: „Es gibt keine Magda Knork mehr –“

      Der Nachtzug Stockholm-Malmö ging um 10 Uhr 30 Minuten ab. Wir hatten ein Schlafwagenabteil belegt und machten es uns dort nach Möglichkeit bequem. Wir waren beide in ernstester Stimmung. Magda Knork hatte sich sofort nach Rückkehr in ihre Zelle mit Zyankali, das sie in ihren Kleidern verborgen gehabt haben mußte, vergiftet. Sie hatte für ihre Eltern nur einen Zettel mit den Worten: „Verzeiht mir!“ zurückgelassen.

      Harst saß ganz still da und blies wie ein Automat den Zigarettenrauch von sich. Plötzlich sagte er dann:

      „Ich bin überzeugt, daß Lihin Omen nur Magdas wegen Liebhaberdetektiv geworden ist.“

      „Du meinst also, daß Doktor Branden unser Konkurent ist?“ fragte ich schnell.

      „Ja. Wir wissen von Lihin Omen, daß er Berliner und reich ist. Beides trifft auch bei Branden zu. Die Hauptsache aber ist der Brief, den Lihin Omen Frau Knork zusteckte. Nur jemand, der die Familie Knork persönlich kennt, wird schreiben: „Ich hätte für Sie, Ihre Tochter und Ihren Gatten keine Mühe gescheut.“

      „Du magst recht haben,“ erklärte ich nicht völlig überzeugt.

      „Ich habe recht. Ich werde Dir das beweisen, sobald wir aus Südafrika zurück sind. – Hoffentlich finden wir in Bremen sofort einen Dampfer, der nach Kapstadt abgeht. Ich möchte keinen Tag versäumen. Palperlon will ja fraglos die Muwuru-Mine plündern. Ich nehme an, daß er bereits dorthin unterwegs ist. Er hat etwa 18 Stunden Vorsprung vor uns. Das macht viel aus bei einem Menschen, wie er es ist. – Übrigens waren mir Magda Knorks Angaben – der rothaarige Irländer, die Worte Okirupu und großer Fetisch – sehr wertvoll. Besonders der „große Fetisch“! – Erinnere Dich an Frau Knorks Erzählung, an die Rätselbrücke, die niemand passieren läßt, der eine Matsaua-Schlange getötet hat. Diese Matsaua-Schlangen spielen in dem Fetischdienst der Sulus eine große Rolle. Mit das Interessanteste ist nun wohl der sogenannte Souquiant, die Schlange mit dem Menschenkopf, die die Sulu als „den großen Fetisch“ verehren. Dieser Souquiant ist eben die Matsaua-Schlange, ein ungiftiges, armdickes Reptil mit einem Kopf, dessen Zeichnung ungefähr an ein menschliches Greisengesicht erinnert.“

      Zwölf Tage drauf waren wir in Kapstadt. Ohne Aufenthalt fuhren wir nach der Stadt Ladysmith weiter. Von hier aus hatte Johannes Knork in Begleitung zweier Mineningenieure, eines englischen Regierungsbeamten und dreier Suludiener zu Pferde die Reise fortgesetzt, wie uns Frau Knork noch mitgeteilt hatte. Dieser Beamte, ein Herr Moffley, war bald gefunden. Er erzählte uns, daß Knork niemandem näheres über die Lage der Fundstelle mitgeteilt und stets erklärt hatte, er würden erst an Ort und Stelle an Hand seiner Skizze beweisen, daß er der erste Finder der Diamantmine sei. Moffley bestätigte uns, daß Knork einen Leoparden an der Tränke habe schießen wollen, aber nicht zurückgekehrt sei. Alle Nachforschungen hätten keinerlei Erfolg gehabt. – Über die Rätselbrücke wußte er nicht viel. Er hatte sie noch nicht gesehen da Knork einen halben Tagesmarsch vor dem Muwuru verschwunden war. – Harst bat Moffley dann, uns einen eingeborenen Führer zu besorgen. Dieser Sulu namens Mansa war ein älterer Mann, der sich gut bewährte. Wir nahmen noch ein Packpferd mit; als Waffen nur Jagdmesser und unsere Repetierpistolen.

      Unser Ritt ging zunächst nach Nordost durch bergiges Gelände, dann durch einen fruchtbaren Landstrich, wobei wir mehrere Kafferndörfer berührten. – Unser Führer Mansa sprach das Englische recht gut. Wir hatten unterwegs Zeit genug, ihn über alles Mögliche auszufragen. Harst hatte so nebenbei einmal das Wort Okirupu erwähnt. Da war der Sulu sofort aufmerksam geworden. Forschend hatte er Harst angeblickt und gefragt, ob dieser denn den Priester des großen Fetisch kenne. So erfuhren wir, daß Okirupu ein direkter Nachkomme des letzten Sulukönigs Dinigulu sei und in einem Dorfe nordöstlich der Rätselbrücke wohne.

      Eines Mittags bogen wir dann zwischen zwei Bergen in ein sehr romantisches, felsiges Flußtal ein. Dort unten rauschte und brauste der Muwuru.

      Von diesem Augenblick an änderte sich Harsts Benehmen vollständig. Er wurde überaus vorsichtig und mißtrauisch. Mansa verstand kein Wort Deutsch. Harst sagte daher zu mir in deutscher Sprache: „Wir haben bisher von Palverlons Anwesenheit hier in Südafrika nicht das geringste bemerkt. Und doch wette ich, daß er hier ist. Es gibt noch einen zweiten Weg zum Muwuru, von Norden her, von Johannesburg. Möglich, daß er den gewählt hat.“

      Wir ritten nun in das Flußtal hinab. Es gab hier etwas wie einen Weg. Man sah, daß die Rätselbrücke von den umwohnenden Sulus und Kaffern doch häufiger benutzt wurde. Die Brücke erkannten wir schon von weitem. Der Fluß war etwa fünfzig Meter breit, die Ufer meist abschüssig und bis zu zwanzig Meter hoch. An einer Stelle lag mitten in der reißenden, schäumenden Strömung ein Felsblock von vielleicht 25 Meter Höhe. Diese schlanke Natursäule stellte den Pfeiler der Brücke dar.

      Hundert Meter vor der Brücke bog Harst in eine Schlucht ab und befahl unserem Führer, hier das Lager aufzuschlagen und auf uns zu warten.

      Harst und ich machten uns dann zu Fuß nach der Brücke auf. Harst hatte sein Fernglas mitgenommen und erklärte nun, als wir sehr langsam dem Flusse zuschritten: „Es muß mit dieser Rätselbrücke eine besondere Bewandtnis haben. Merktest Du nicht, daß Mansa stets verlegen schwieg, wenn ich ihn nach der Bedeutung dieser Bezeichnung dieses Felsenüberganges als „Brücke der Geheimnisse“ fragte?“

      Während Harst so sprach, ließ er seine Blicke ohne Unterlaß umherschweifen. Auch ich spähte dauernd nach irgend etwas Verdächtigem aus.

      Jetzt standen wir auf der Uferhöhe. Vor uns reckte sich eine Felszunge über den halben Fluß nach dem Steinpfeiler hin, der ungefähr viereckig und oben flach bei etwa 12 Meter Seitenlänge war. Harst rührte sich nicht. Nur sein Kopf drehte sich bald hierhin, bald dorthin, und seine Augen eilten bedächtig spürend von Punkt zu Punkt. Dann nahm er sein Fernglas und stellte es auf die Mitte der Naturbrücke ein.

      Ich wurde ungeduldig. „Fürchtest Du, daß Palperlon uns hier auflauert?“ meinte ich mit ganz wenig Ironie.

      Er ließ das Glas sinken. „Du würdest dies gleichfalls fürchten, wenn Du dort oben auf der Paßhöhe zwischen den beiden Bergen dasselbe bemerkt hättest wie ich, – nämlich – dies hier, das ich aufhob, als ich einen Steigbügelriemen in Ordnung brachte.“ Er faßte in die Tasche seiner Jagdjoppe und hielt mir eine Papierkugel hin, steckte sie aber sofort wieder ein. „Es ist Zeitungspapier, ein Stück von dem oberen Teil der ersten Seite der in Johannesburg erscheinenden Buren-Post,“ erklärte er weiter. „Und zwar ein Stück einer erst acht Tage alten Nummer. Mansa sagte uns nun, daß sich bis hierher sehr selten Weiße verirren und daß auf endlose Meilen nur Negerdörfer zu finden sind. Zunächst beweist das Stück Zeitungspapier also, daß vor kurzem ein Weißer hier gewesen ist. Damit ist jedoch das, was diese Papierkugel mir zu sagen hatte, noch nicht erschöpft.“

      Jetzt