Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

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Название Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075831200



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      „Sieben und eine halbe,“ verbesserte Harst.

      „Gut, also sieben und eine halbe. Ich könnte Sie beide hier über den Haufen schießen. Zwei Stirnschüsse – und die Polizei könnte sich umsonst den Kopf zerbrechen, wer Sie beide beseitigt hat. Diese Art von Rache widerstrebt mir. Ich fordere folgendes von Ihnen, Herr Harst. Sie werden mir die ehrenwörtliche Zusage machen, mir binnen acht Tagen die Summe von fünf Millionen in Tausendmarkscheinen auszuhändigen, also am 11. September nachts ein halb zwölf Uhr in diesem Zimmer. Sie müssen mir weiter versprechen, in der Zwischenzeit nichts gegen mich zu unternehmen, auch nicht etwa die Hilfe der Polizei oder anderer Leute anzurufen. Ferner müssen Sie sich verpflichten, mich erst nach vier Stunden zu verfolgen, wenn ich mir am 11. September das Geld hier abgeholt habe. Gehen Sie hierauf nicht ein, so muß ich leider nachher ein Trauerhaus verlassen, in dem man zwei Tote beweinen wird.“

      Dies war eine rücksichtsvolle Umschreibung für: „Muß ich Sie niederknallen!“

      Und – Orstra würde dies tun! Daran zweifelte ich nicht. Wir kannten ihn; wir wußten, was wir von ihm zu erwarten hatten.

      Harald erwiderte jetzt: „Fünf Millionen bares Geld in acht Tagen zu beschaffen, wird nicht ganz leicht sein – selbst mir nicht! Wirklich, Orstra, Sie stellen sich das einfacher vor, als es ist. Ich müßte das Geld gerade stehlen!“

      „Dann stehlen Sie es! – Erhalte ich Ihre ehrenwörtliche Zusicherung nicht binnen zehn Minuten, so –, na, Sie verstehen mich!“

      „Vollkommen, Orstra, vollkommen! – Einen Augenblick. Ich muß nachdenken –“

      Stille – Totenstille im ganzen Hause.

      Oben im ersten Stock schliefen Harsts Mutter und die treue Mathilde. Sie ahnten nicht, daß hier im Erdgeschoß ein Spiel um Sein oder Nichtsein gespielt wurde.

      Dann sagte Harald:

      „Es geht nicht, Orstra! Acht Tage sind eine zu kurze Frist. Gewähren Sie mir drei Wochen, dann will ich –“

      „Keine Rede davon!“ fiel Orstra ihm ins Wort. „Acht Tage – na, sagen wir vierzehn Tage ist das Höchstmaß!“

      „Müssen es gerade 1000-Markscheine sein? – Ich werde das Geld vielleicht wirklich – stehlen müssen, Orstra. Und – vielleicht erwische ich auch ausländische Banknoten.“

      Orstra blickte Harald scharf an. „Sie belieben Witze zu machen, Herr Harst!“

      „Durchaus nicht. Wenn nötig, kommt es mir auf einen Diebstahl nicht an. Ich kann Ihnen das Geld nachher ja wieder abnehmen.“

      „Sie haben irgend einen Hintergedanken bei alledem, Herr Harst!“

      „Nur den einen, daß ich mich vielleicht als Dieb versuchen werde. – Sind Sie auch mit ausländischen Banknoten zufrieden?“

      „Ja. – Und Sie geben Ihr Ehrenwort – auch darauf, daß Sie mich unbehelligt jetzt weggehen lassen?“

      „Natürlich, Orstra. Auch darauf. Also – vierzehn Tage Frist und die Erlaubnis, daß ich das Geld stehlen darf?“

      „Aus Ihnen wird kein Mensch klug! Ja denn! Also abgemacht!“

      „Abgemacht, Orstra. Sie sind vierzehn Tage und vier Stunden, bis zum 18. September morgens dreiviertel vier Uhr, vor uns sicher.“

      Orstra verbeugte sich. „Ich habe einen Gentleman vor mir! – Herr Schraut, nehmen Sie Ihrem Freunde die Fesseln ab –“

      „Halt!“ erklärte Harst da. „Noch einen Moment. Ich möchte Ihnen jetzt nur noch beweisen, daß ich mein Ehrenwort gar nicht hätte zu geben brauchen.“

      Er hatte blitzschnell die Arme gehoben, hatte sie nach rechts geschwenkt.

      Die Spiralen des Drahtes glitten über den Lauf der langen Pistole. Dann ruckte Harst mit den Armen zu – und die sich um den Pistolenlauf schmiegenden Spiralen rissen die Mündung nach oben.

      „So – wenn Schraut jetzt zuspringt und Ihnen an den Hals fährt, gehen Ihre Kugeln in die Zimmerdecke,“ sagte Harald lächelnd. „Sie sehen – ich hätte Sie überwältigen können. Aber ich verzichtete darauf, weil ich – anderes mit Ihnen vorhabe!“

      Orstras Verblüffung war so groß, daß er zunächst gar nichts sagte. Dann meinte er kopfschüttelnd:

      „Von Ihnen kann man lernen! Sehr viel lernen! – Was haben Sie denn mit mir vor?“

      „Oh – ich möchte Ihnen nochmals beweisen, daß Sie mir doch nicht entgehen. Jedenfalls: zwischen uns herrscht jetzt Waffenstillstand! Schraut – nimm mir die Fesseln ab.“

       Inhaltsverzeichnis

      Harald langte in die Tasche und holte sein Zigarettenetui hervor, rauchte sich eine Mirakulum an und meinte:

      „Wie kamen Sie dazu, gerade diese Verkleidung zu wählen, Orstra?“

      „Nun, weil zwei Leute in derselben Ausmachung vorhin Ihr Haus umschlichen, Herr Harst.“

      „Ah – der Kollege Prießkorn und sein Gehilfe! – Ganz recht. Die hatten es auf einen armseligen Defraudanten abgesehen.“

      „So?! Und ich glaubte, es wären Leute, die Ihnen eins auswischen wollten –“

      „Nein. Es ist die Wahrheit: es handelte sich um zwei Berufsdetektive!“ –

      Es war ein Genuß, Haralds so ganz echt wirkenden Worten zu lauschen und sein Benehmen, seine Gesten, sein Mienenspiel zu beobachten. Seine Absicht war mir klar: er wollte Orstra um keinen Preis merken lassen, daß er dessen Verbindung mit Max Gumlowsky kannte.

      „So war der junge Mensch der Defraudant?“ fragte Orstra mit etwas lauerndem Blick. „Ich sah Sie nämlich gegen halb zehn mit ihm davongehen. So hatte ich Zeit, mich umzukostümieren. Ich wohne hier ganz in der Nähe.“

      Harald lächelte wieder.

      „Natürlich nicht als Ottmar Orstra?!“

      „Werde mich hüten! Mir stehen genug tadellose Ausweispapiere zur Verfügung – mit allen möglichen Namen. – Was wollte denn der junge Defraudant bei Ihnen, Herr Harst?“

      „Das ist mir noch unklar. Er – hatte hier heimlich Geld deponiert.“

      „So?! – Etwa die unterschlagene Summe?“

      „Ich möchte darüber nicht sprechen. Der Geschädigte will von einer Anzeige absehen. Für mich ist die Geschichte erledigt.“

      Orstra erhob sich. „Ich will nichts länger stören, Herr Harst. Wir sind uns also einig: Am 17. September um halb zwölf finde ich mich hier ein und erhalte fünf Millionen in Banknoten. Erst am 18. September morgens nach halb drei Uhr –“

      „Bitte – meinetwegen auch vier Uhr –“

      „Gut – also dann erst dürfen Sie meine Verfolgung aufnehmen!“

      „Stimmt – wir sind einig. Auf Wiedersehen, Orstra. – Schraut, begleite den Herrn hinaus.“ –

      Als ich vor der Haustür Orstras Verbeugung etwas knapp erwiderte, sagte er schnell:

      „Glauben Sie mir, Herr Schraut, der Tod war Ihnen trotz der Drahtspiralen heute recht nahe! Sorgen Sie dafür, daß das Geld zur rechnen Zeit da ist –“

      Dann eilte er davon. Ich kehrte ins Zimmer zurück und fand Harald beim Studium des Stammbaums der Familie Lehmann.

      Ich stützte mich mit beiden Händen auf den Tisch und fragte:

      „Weshalb ließest Du Dich auf diesen Handel ein?! Wir hätten Orstra doch ganz bequem überwältigen können.