Die guten Frauen von Christianssund. Anna Grue

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Название Die guten Frauen von Christianssund
Автор произведения Anna Grue
Жанр Языкознание
Серия Dan Sommerdahl
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783037920404



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Getränks. Ein kleiner Sahneschnurrbart zog sich über seine Oberlippe, Marianne gab ihm eine Serviette.

      Dan zuckte mit den Achseln. »Eigentlich nicht.«

      »Wie, du vermisst es nicht?« Flemming tupfte sich die Oberlippe sauber.

      »Ganz ehrlich? Nein«, antwortete Dan. »Wenn ich überhaupt wieder bei Kurt & Ko anfange, dann nur wegen des Geldes.«

      »Was für ein Unfug!«, ging Marianne dazwischen. »Wenn du keine Lust mehr hast, kannst du doch einfach kündigen. Wir können auch nur von meinem Einkommen leben.«

      »Davon leben? Ja, das sicher«, erwiderte Dan. »Aber so gut wie jetzt? Nein.« Er kraulte Luffe im Nacken. Der alte Labrador lehnte am Knie seines Herrchens, ein wenig beleidigt, weil er nicht aufs Sofa durfte. Es war eines von Mariannes eher obskuren Prinzipien: Wenn sie Gäste hatten, musste der Hund auf dem Fußboden bleiben.

      »Du könntest auch als Freelancer arbeiten«, sagte sie. »Einen gut dotierten Job würdest du jederzeit bekommen, das weißt du genau. Dann könntest du dir die Arbeit einteilen, damit so etwas nicht noch einmal passiert.«

      »Und was ist mit dem Firmenwagen? Und der Rente? Man muss ziemlich schuften, wenn das Einkommen als Freiberufler all das abdecken soll.«

      »Wir haben einen ausgezeichneten Wagen, der die meiste Zeit ohnehin nur in der Garage herumsteht und Staub frisst. Und deine Rente ist doch schon jetzt geradezu grotesk hoch«, widersprach sie und griff nach Flemmings Zigaretten. »Darf ich?«

      »Hast du nicht aufgehört?« Flemming gab ihr Feuer.

      »Ich bin nur eine Party-Raucherin.« Sie lächelte und stieß den Rauch in einem langen Strom aus.

      »Ja, und jeder Tag ist ein Fest«, sagte Dan. Er versuchte, munter zu klingen. »Wen willst du damit zum Narren halten?«

      »Ach, hör schon auf!« Marianne sah ihn wütend an. »Ich habe das durchaus im Griff.« Ihr gekräuselter, hellbrauner Pony stand in der Luft wie ein Strohdach im Sturm. Darunter blitzten ihre dunklen Augen mit einer gehörigen Portion Eigensinn. Etwas an diesem Blick erinnerte Dan an ein kleines, freches Shetlandpony, aber er wusste aus bitterer Erfahrung, dass er das auf keinen Fall sagen durfte, wenn sie in dieser Stimmung war.

      »Na dann«, sagte Flemming und trank den letzten Schluck Kaffee. »Ich muss sehen, dass ich nach Hause komme.«

      »Bist du mit dem Wagen da?« Marianne stand ebenfalls auf.

      »Zu Fuß. Das tut mir ganz gut.« Flemming klopfte sich auf den kleinen Rettungsring, der sich in den letzten Jahren über seinem Gürtel gebildet hatte. »Herzlichen Dank für das Essen, Marianne. Es war wie immer wunderbar!« Er küsste sie auf die Stirn, und sie hielt einen Augenblick seine Hand, bevor sie ihn glücklich paffend in den Flur begleitete.

      »Und du, Dan?« Flemming drehte sich um. »Bist du bald wieder so weit, um dir eine Abreibung beim Badminton zu holen? Den Platz könnten wir gleich morgen früh bekommen.«

      Dan wollte gerade zu einer Entschuldigung ansetzen, als Flemmings Handy klingelte. »Mist«, sagte er, nachdem er die Nummer gesehen hatte. »Sieht fast so aus, als wäre mein Arbeitstag noch nicht zu Ende.« Er hob das Handy ans Ohr. »Ja, ich bin’s. Wo, sagst du?« Er warf Dan einen Blick zu. »Das gibt’s doch gar nicht! Ist Giersing auf dem Weg?« Er griff nach seinem Mantel, den Marianne ihm entgegenhielt, aber sein Blick war auf unendlich eingestellt. »Ja, ja sicher, ich komme sofort. He, ich hab keinen Wagen dabei. Lass mich bitte abholen, Gørtlergade 8. Bis gleich.«

      Er klappte das Handy zusammen und steckte es in die Tasche. Dann überprüfte er, wie viele Zigaretten er noch in seinem Päckchen hatte, erst danach richtete er den Blick auf seinen Gastgeber, der am Türrahmen lehnte und wartete.

      »Bei dir in der Agentur wurde eine Leiche gefunden, Dan«, sagte Flemming endlich. »Eine Frau.«

      »Wer?« Dan richtete sich auf.

      »Noch haben wir sie nicht identifiziert, so wie es aussieht, ist es eine Putzfrau.«

      Dan runzelte die Stirn. »Lilliana?« Er schüttelte den Kopf. »Sie ist jung und stark. Wieso sollte sie plötzlich umfallen und …«

      »Sie wurde ermordet, Dan.«

      Marianne ging wortlos zu ihrem Mann und nahm seine Hand.

      Dan sah verstört aus. »Aber wer kommt denn auf die Idee – Lilliana? Bist du sicher, dass sie es ist?«

      »Du kannst ja mitkommen und sie identifizieren. Je eher wir ihren Namen wissen, desto besser.« Flemming öffnete die Haustür und sah sich nach dem Streifenwagen um, der ihn abholen sollte.

      »Aber ist denn der andere nicht bei ihr?«, erkundigte sich Dan.

      »Welcher andere?«

      »Na, ihr Kollege. Zum Teufel, wie heißt er doch gleich: Benjamin! Ist er nicht dort?«

      Flemming zuckte mit den Achseln. »Gefunden wurde sie von einem Mann namens Kristian Helbjørn. Von einem Benjamin war nicht die Rede.« In diesem Moment hielt der Streifenwagen vor dem Haus, und Flemming trat auf den Fußweg. »Kommst du?«

      Dan und Marianne sahen sich einen Augenblick an. Dann ließ sie seine Hand los. »Warte«, sagte sie. »Ich hol deinen Mantel.«

      Um in die Werbeagentur Kurt & Ko zu kommen, musste man zuerst durch ein hohes altes Tor fahren. Die imponierenden verschnörkelten, gusseisernen Gittertore standen immer offen, sodass man direkt über den gepflasterten Hof zur Parkgarage in der Kelleretage der alten Werfthalle fahren konnte. Einige Firmen im Sundværket arbeiteten in einem der mehrstöckigen Gebäude, in denen früher die Ingenieurbüros und die Buchhaltung der Werft untergebracht waren, während andere ihre Büros in der eigentlichen Werfthalle oder in einem der flachen Gebäude an den Docks eingerichtet hatten.

      Kurt & Ko verfügte in einem der Dockhäuser über eine ganze Etage mit insgesamt circa fünfzehnhundert Quadratmetern. Das Haus bestand vollständig aus Holz, mit über hundert Jahre alten massiven Eichenbalken als tragenden Elementen. Von der breiten Terrasse, die direkt am Wasser lag, hatte man freien Zugang zu dem langen Hafenkai, das sich bis zum Rathausmarkt im Zentrum der Stadt zog. Ein Streifenwagen hielt mit eingeschaltetem Blaulicht auf dem Platz vor der Eingangstür. Das Licht wurde vom regennassen Pflaster reflektiert und ließ die Fenster des denkmalgeschützten Gebäudes kalt glitzern. Am Eingang stand ein jüngerer Mann im Smoking. Er hatte seine Fliege aufgebunden, sodass sie ihm wie ein getüpfeltes Paddel um den Hals hing. Neben ihm stand ein Mann in silberfarbenen Laufschuhen und einem schwarzen Ski-Anorak. Er hatte grau gelocktes Haar und musste so in den Vierzigern sein.

      Flemming sprang über das rot-weiße Plastikband, das ein paar Meter vor den Glastüren gespannt war. Er hielt direkt auf die kleine Gruppe zu. Dan blieb ein wenig zurück, als Flemming und der Mann in den Vierzigern sich begrüßten. Ein komisches Gefühl, so mitgeschleppt zu werden, er fühlte sich wie ein unwillkommenes, sensationslüsternes Anhängsel und wünschte sich einen großen Anstecker mit der Aufschrift: Die Polizei hat mich darum GEBETEN, hier zu sein! Doch dann rief er sich in Erinnerung, dass Flemming hier der Chef war. Das Risiko, dass einer der uniformierten Beamten oder der junge James-Bond-Klon einen Begleiter des Kriminalkommissars verscheuchen würden, war so gut wie inexistent.

      Nach einer Minute siegte die Neugier über die Verlegenheit, und Dan trat ein wenig näher. Kristian Helbjørn erklärte gerade, wie er die Leiche gefunden hatte. »Wir wechseln uns mit dem nächtlichen Kontrollgang ab«, sagte er. »Und ich habe mich gewundert, dass die Terrassentür offen stand. Also ging ich …«

      »Entschuldigen Sie, wenn ich unterbreche«, sagte Flemming. »Können wir nicht hineingehen und uns setzen? Ich friere.« Er ging ins Haus und gab Dan mit dem Kopf ein Zeichen, dass er gern mitkommen könne. James Bond hatte offensichtlich andere Dinge zu erledigen, er verschwand in Richtung Küche, wo ein paar Menschen in weißen Overalls schweigsam ihrer Arbeit nachgingen. Kriminaltechniker, vermutete Dan.

      Kurt & Ko bestand aus einem einzigen großen, von tonnenschweren Eichenbalken