Al Capone Staffel 2 – Kriminalroman. Al Cann

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Название Al Capone Staffel 2 – Kriminalroman
Автор произведения Al Cann
Жанр Языкознание
Серия Al Capone Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783863778156



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der einfach nicht zu begreifen vermochte, daß Al Capones große Festung hier umstellt worden sein sollte. Daß der Feind bereits mitten im Lager war. Da er aber weder Lust noch Zeit zum Nachdenken hatte und andererseits fand, daß der sofortige Tod immer schlimmer ist als der spätere, griff er mit beiden Händen nach den Stoffbeuteln, die tatsächlich die Form von gewaltigen weißen Riesenwürsten hatten, schob sie über den Schalter und wollte die Hände hochnehmen.

      »Du kannst die Hände unten lassen, Junge. Aber keine Bewegung!«

      In diesem Augenblick hatte Aldoni drüben auf der anderen Seite Joe Scarepa erkannt. Er wollte einen Schrei ausstoßen, da fauchte ihm schon der Schuß entgegen. Die Kugel riß ihn herum und warf ihn gegen einen der Tresore. Ein riesiger Mensch vorn am Schalter, der nur scheinbar zu den Kunden gehörte, reagierte blitzschnell und wollte sich auf Scarepa werfen.

      Da brüllte ihm ein Schuß aus dem Revolver Frank Dillingers entgegen und streckte ihn nieder.

      Wie gelähmt standen einundvierzig Menschen da.

      Richard Dillinger ging mit den beiden Geldwürsten zum Ausgang. Schnurgerade hielt er auf einen schweren Pontiac zu, der vor der Tür stand.

      Joe folgte ihm.

      Frank blieb an der Tür, wartete, bis die beiden draußen waren, zog dann die Tür hinter sich zu und ging im Krebsgang zum Straßenrand.

      Richard hielt dem Mann am Steuer den Revolver entgegen.

      »Warte, bis die beiden drin sind – dann Vollgas! Und wenn du nicht schnell genug fährst, war es deine Fahrt zum Friedhof.«

      Er war unheimlich, der blutjunge Richard Dillinger aus St. Louis. Chicagos Gangster waren eine Menge gewohnt.

      Aber die Eiseskälte, die dieser Mann bei jenem unglaublichen Coup an den Tag gelegt hatte, war unfaßbar.

      Als auch Frank den Wagen erreicht hatte, warf der Fahrer einen Gang ein.

      Da wurde drüben in der Buchmacherei eines der Fenster zertrümmert und eine Maschinenpistole bellte auf.

      Die Kugeln schlugen in die Flanke des Wagens. Eine zerfetzte ein Fenster.

      »Weiterfahren, schneller!« befahl Ric.

      Der Fahrer, ein Mann in den Vierzigern, lenkte den Wagen mit äußerstem Geschick quer über den Fahrdamm vorwärts.

      »Los, da drüben rechts biegst du ein!«

      »Das geht nicht, das ist verboten.«

      »Bieg ein, oder du bist gleich in der Hölle!« Ric stieß ihm den Revolver ins Genick.

      Da riß der Mann den schweren Wagen herum. Auf pfeifenden Pneus wirbelte die schwere Pontiac-Limousine auf nur zwei Rädern im rechten Winkel in die schmale Gasse hinein, in der Gegenverkehr herrschte.

      »Hupen!« befahl Ric. »Los, laß den Daumen auf dem Signal!«

      Die Fahrzeuge wichen zur Seite. Plötzlich aber schob sich ein schwerer Laster, der aus einer Wäscherei gekommen war, quer über die Straße.

      »Los, fahr drauf zu. Zwei Meter vor ihm stoppst du.«

      Der Fahrer gehorchte. Schweiß rann ihm unter der Kappe hervor.

      Als er den Pontiac wenige Yards vor dem Lastwagen gestoppt hatte, sprang Ric aus dem Wagen, rannte auf den Laster zu, federte aufs Trittbrett, riß die Tür auf und bellte den Fahrer an.

      »Zurücksetzen, Junge, aber dalli!«

      Der Mann hatte noch nie so schnell den Rückwärtsgang eingelegt und brachte das Gefährt von der Straße. Ric sprang ab und war im nächsten Moment wieder im Pontiac.

      »Weiter!«

      An der Ecke der uralten Garden Church hätten sie fast eine Frau überfahren. Ric konnte im allerletzten Augenblick dem Steuerrad noch einen Stoß geben, so daß der Wagen einen gefährlichen Schlenker machte und in Gefahr geriet, mit einem entgegenkommenden Gefährt zu karambolieren. Aber es ging noch einmal gut.

      Nach elf Minuten Fahrtzeit hatten sie den Columbus Park erreicht und befahlen dem Fahrer, auf dem Adams Boulevard anzuhalten. Ric nahm einen großen Geldschein aus der Tasche, warf ihn ihm hin und befahl:

      »Verschwinde!«

      Der Driver gab Gas und schoß davon.

      Frank stand auf zitternden Beinen da und blickte auf die beiden schweren Geldsäcke, die Ric noch immer in den Armen hielt.

      »Um Himmels willen! Wenn das gutgeht, dann heiße ich Moses!«

      Ric lief vorwärts und steuerte an der Ecke der Quincy Avenue auf einen Wagen zu, der eben am Bürgersteig angehalten hatte. Der Mann, der ihn gefahren hatte, war ausgestiegen und in ein Geschäft gegangen.

      Ric schwang sich hinters Lenkrad.

      »Los, einsteigen!« zischte er den beiden anderen zu, die ihm gefolgt waren.

      Der Mann hatte den Schlüssel nicht abgezogen. Ric warf den Motor an, und im nächsten Moment rollte der Wagen davon. Nicht schnell, nicht hastig – ganz normal. Niemand achtete darauf. Der Mann, der ihn gerade abgestellt hatte, war zu einer Besprechung bei der Jackson-Company gegangen, die fast drei Stunden dauerte.

      Wer da glaubt, es sei unbegreiflich, daß man einen Autoschlüssel so lange Zeit steckenlassen könnte, der ist noch nicht in Amerika gewesen, denn da ist es auch heute noch nicht anders. Die Nonchalance und angeborene Gleichgültigkeit des Amerikaners ist nun einmal nicht auszurotten; die Leute lassen nämlich nicht nur die Schlüssel in den Fahrzeugen stecken, sondern häufig auch noch die Fahrzeugpapiere in den Handschuhkästen.

      Eine halbe Stunde später hatte Richard den Wagen ein zweites Mal gewechselt – und zwar oben in Bellwood. Von hier aus fuhr er mit einem Lastwagen, den er ebenfalls stahl, nach Villa Park hinüber. Sie ließen den Wagen in der stillen Harrison Street stehen und gingen zum Butterfield Road hinunter.

      Längst hatten Ric und Joe ihre Mäntel ausgezogen und die Geldsäcke darunter verborgen.

      Es war dunkel, als sie in den »Blinddarm« zurückkehrten.

      Chicago stand kopf!

      Die Spätausgabe der Chicago News brachte das neue Ereignis in einer gewaltigen Schlagzeile.

      Drei Geistesgestörte überfielen stark bewachte Buchmacherkasse!

      Eliot Ness, Pinkas Cassedy und auch das Kommando unter Joseph Lock kamen zu spät. Als sie die Buchmacherei erreichten, war der tote Capone-Mann Luigi Aldoni bereits weggeschleppt worden und der schwer verwundete Frank Malipiero ebenfalls.

      *

      Der unfaßbare Coup des Richard Dillinger hatte der Weltstadt einen Schock gegeben, der ohnegleichen war. Die Angst, die die Capone-Gang und die anderen großen Banden über die Stadt gestreut hatten, war durch diesen Bombenschlag noch verdoppelt worden. Wenn es drei Männer wagen konnten, eine so stark bewachte Buchmacherkasse am hellichten Tag zu überfallen, was war dann die Sicherheit des Bürgers in dieser Stadt noch wert, wenn nicht einmal die schwer bewaffneten Leute Al Capones sicher waren, was war es dann noch?

      Rufs Matherley zögerte nicht, in seinem Bericht feurige Kohlen auf dem Haupt des FBI-Agenten Eliot Ness zu sammeln.

      Der ohnmächtige Chef des Special-Bureau am Oakwoods Cemetery schweigt! schrieb er im Untertitel.

      »Ja, er hat recht«, preßte der Norweger durch die Zähne, als sie auf dem Rückweg waren. »Wir sind ohnmächtig – total ohnmächtig! Wir brauchten eine Armee, um die Stadt auszufegen. Al Capone hat die Atmosphäre vergiftet, und was da eben geschehen ist, das ist ungeheuerlich.«

      Mußte es doch auch den Leuten vom FBI so scheinen, daß das, was da in der Cicero Avenue passiert war, nicht das Werk von drei Männern war, sondern daß das Ganze der seit langem vorbereitete Coup einer neuen großen Gang war, deren Name noch niemand kannte.

      Die drei Dillingers hatten nach dem Coup unangefochten den »Blinddarm« wieder erreicht.