Название | Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band |
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Автор произведения | Walther Kabel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075831101 |
12. Kapitel
Was die Presse zu sagen wußte
Zwei Tage später schrien die Zeitungsverkäufer in den Hauptverkehrsstraßen der Reichshauptstadt mit längst heiser gewordenen Kehlen immer wieder die Sensationstitel aus, unter denen die verschiedenen Tagesblätter Berlins den neuesten Kriminalfall behandelten.
Auch Heinz Gerster, der inzwischen wieder nach Berlin zurückgekehrt war, nachdem er sich mit der Geliebten über ihre Zukunftsabsichten ausgesprochen hatte, saß jetzt mit einer Zeitung in der Hand an einem der Marmortischchen des Cafes Kranzler und überflog mit atemloser Spannung den eingehenden Bericht über dieses in seiner Art wirklich einzig dastehende Verbrechen.
»– Erst durch das umfassende Geständnis des Komplicen des angeblichen Privatgelehrten Müller ist jedoch das Dunkel, das noch über diesen zum Teil so geheimnisvollen Vorgängen schwebte, völlig gelüftet worden. Dieser Diener Hartung, in Wirklichkeit ein Amerikaner namens Thomas Shepperley, hat sein Geständnis wohl nur in der Hoffnung abgelegt, daß er dadurch mildere Richter finden dürfte. – Unser Leser werden sich besinnen, daß vor etwa neun Monaten das kleine märkische Städtchen Buckow der Schauplatz einer Kriminalaffäre war, in deren Mittelpunkt ein gewisser Doktor Harry Timpsear stand, der sich dann bei seiner Verhaftung durch den rühmlichst bekannten Detektiv Fritz Schaper der irdischen Gerechtigkeit durch Selbstmord entzog, einen Selbstmord, welcher scheinbar durch ein Kügelchen Cyankali ausgeführt wurde. Scheinbar! - Tatsächlich brachte sich Timpsear jedoch nur ein nur ihm bekanntes Präparat bei das die Lebensfunktionen zum Aussetzen zwingt und dem menschlichen Körper dabei alle Merkmale des wirklich eingetretenen Todes verleiht. Bekanntlich hatte nun der Amerikaner eine Art Testament hinterlassen, in dem er bestimmt hatte, daß die Leiche seinem Freunde Thomas Shepperley zur Bestattung ausgeliefert werden sollte. Dieser Shepperley hat es dann verstanden, durch ihm von Timpsear schon vorher bezeichnete Gegenmittel den Scheintoten wieder ins Leben zurückzurufen. Statt des Verbrechers wurde darauf ein mit Steinen gefüllter Sarg beerdigt. Das Grab ist jetzt von der Polizei geöffnet und in der Tat leer gefunden worden. – Timpsear, der durch das Eingreifen des Detektivs Schaper sich in seinen verbrecherischen Plänen gestört sah, suchte sich an diesem zu rächen. Mit Hilfe gefälschter Ausweispapiere ließ er sich mit Shepperley in dem Städtchen Gauben nieder und benutzte hier den unter den Einwohnern verbreiteten Aberglauben von dem zeitweiligen Auftauchen eines grauen Gespenstes in dem Garten der Mönchsabtei für seine Zwecke, indem er dem Eigentümer des einsamen Gehöfts, dem Kaufmann Wernicke, zunächst den »Geist« zeigte, den der zur selben Zeit anscheinend erkrankte Shepperley darstellen mußte. Zur Aufklärung dieser Gespenstergeschichte wurde sodann Fritz Schaper hinzugezogen. Inzwischen war der vorher genannte Charles Deprouval, der Charlotte Wendel mit Hilfe eines aus dem englischen Generalkonsulat entwendeten offiziellen Briefbogens nach Berlin gelockt hatte, mit dem jungen Mädchen heimlich bei Nacht von der Bahnstation Zergewo aus in der Mönchsabtei eingetroffen, wo ihr Timpsear als ihr Onkel vorgestellt wurde, der sich vor den Nachstellungen hartnäckiger Feinde dorthin geflüchtet haben sollte. Charlotte Wendel wurde ein ganzer Roman erzählt, der so geschickt ersonnen war, daß sie alles blindlings glaubte und sich in einem Zimmer des Obergeschosses verborgen hielt, wie dies von ihr verlangt wurde, angeblich, damit ihres Onkels Feinde dessen Fährte nicht entdecken sollten. Das Weitere wissen unsere Leser bereits aus dem ersten Teil dieses Berichtes – wie die drei Verbündeten, Timpsear, Shepperley und Deprouval, die schon früher miteinander befreundet gewesen und in ständigem Briefwechsel geblieben waren, das Dach der Kapelle so herrichteten, daß es durch einen Ruck an dem Tau einstürzen und infolge der unter den Balken angebrachten chemischen Zündstoffe, die durch Zerbrechen von dünnen Glasröhrchen in Brand geraten, sofort auch in Flammen aufgehen mußte. Der Anschlag mißglückte jedoch. Deprouval fand den Tod in der brennenden Ruine, die beiden anderen Verbrecher wurden festgenommen, und Charlotte Wendel, die eine halbe Gefangene gewesen war, befreit. – Es bleibt nur noch nachzuholen, welche Absichten Deprouval mit dem jungen Mädchen gehabt hat. Da er sie schlauer Weise veranlaßt hatte, all ihre Legitimationspapiere mitzubringen, da er ferner wußte, daß nur dem alten Weiblein in dem Danziger Armenhause etwas über den Aufenthaltsort des jungen Mädchens bekannt war, jener Frau, der er durch sein Geldgeschenk für immer den Mund verschlossen zu haben glaubte, so gedachte er, wie Thomas Shepperley gleichfalls eingestanden hat, Charlotte Wendel sehr bald zu beseitigen und im Garten der Mönchsabtei zu verscharren. An ihrer Stelle sollte dann irgend ein anderes gleichaltriges Mädchen, das er durch Bestechung für seine Pläne gewinnen wollte, sich als Erbin melden, die durch die Ausweispapiere als die Nichte Albert Wendels auch anerkannt worden wäre und den Nachlaß erhalten hätte, den Charles Deprouval dann mit seinen Helfershelfern zu teilen beabsichtigte.
Fraglos wären all diese schurkischen Pläne geglückt, die ja bis ins einzelne sehr sorgfältig vorbereitet waren, wenn nicht Timpsear und seinen Genossen der Mann wieder rechtzeitig die Larve vom Gesicht gerissen hätte, der schon damals dem Amerikaner die Verübung weiterer Untaten unmöglich gemacht hatte. Und dieser Mann ist kein anderer als Fritz Schaper, unser genialer Privatdetektiv. Jedenfalls haben die Behörden Vorsorge getroffen, daß dieses Mal Doktor Harry Timpsear der Gerechtigkeit kein Schnippchen schlägt. Sein Haupt dürfte dem Henker verfallen sein. Steht doch auf seinem Schuldkonto nicht allein der Fall »der Mumie der Königin Semenostris« , sondern auch der des »grauen Gespenstes« . Das Richtbeil wird so die Erde endlich von einem Scheusal befreien, das in seiner Person ebenso viel glänzende wissenschaftliche Fähigkeiten, besonders auf dem Gebiete der Chemie, wie unerhörtes verbrecherisches Raffinement vereinte.«
— Ende —
Das Katzenpalais
1. Kapitel
Rechtsanwalt Heiling erreichte den Stadtbahnzug auf dem Bahnhof Börse noch im letzten Augenblick. Jetzt, wo die Millionenstadt Berlin nach dem abendlichen Geschäftsschluß das unzählige Heer der Angestellten ausspie wie ein übersättigter, müder Moloch, waren die Züge nach den westlichen Vororten mehr als überfüllt. Aber Ernst Heiling hatte Glück. Wie er sich noch mit knapper Not in ein Abteil zweiter Klasse hineinschwang, winkte ihm zwischen einer älteren Dame und einem fast überelegant gekleideten Herrn ein freies Plätzchen.
Er setzte sich, rückte den von dem eiligen Lauf etwas nach vorn gerutschten Klemmer auf seiner schmalen, feingebauten Nase an die richtige Stelle und entfaltete die Abendzeitung. Seine Aktenmappe, in der sich dringende Papiere befanden, die er daheim erledigen wollte, stellte er neben sich.
Aber