Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel

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Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075831101



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zeigte er ja, wie gute Nerven er hatte.

      „Tory,“ flüsterte ich mit sehr belegter Stimme, – „machen wir, daß wir hier fort kommen! Wir haben hier nichts zu suchen …!“

      „So? Ich denke doch!“ Und er schritt der Holztreppe zu.

      Als wir auf dem Absatz des zweiten Stockwerks angelangt waren, war ich wie in Schweiß gebadet.

      Die Stufen hatten so laut geknarrt und gequietscht, und bei jedem dieser Töne war mein Herz ein Schmiedehammer und meine Stirn feucht geworden.

      Hier oben gab es drei Türen.

      Tory hatte sich schnell orientiert und suchte die zu öffnen, die wahrscheinlich direkt in das Spukzimmer führte.

      Sie war verschlossen. Ein Schlüssel steckte nicht im Schloß. Daher begann der kleinste Dietrich hier seine Tätigkeit.

      Tory probierte und probierte …

      Endlich ein Kacken …!!

      Die Tür schob sich nach innen auf.

      Ich ließ Tory gern den Vortritt. Ich legte wenig Wert darauf, ihm zu folgen. Aber – allein im dunklen Treppenflur dieses Hauses – dieses …!! Nein – dann doch lieber mit hinein …

      Der weiße Lichtkegel der Taschenlampe glitt über die wenigen Möbelstücke hin. Auf dem Fußboden lag dicker Staub. Und in dieser Staubschicht zeichneten sich recht deutlich Spuren von menschlichen Füßen ab, die kreuz und quer durcheinanderliefen.

      Tory raunte mir zu: „Bleib’ stehen!“

      Er selbst ging auf Fußspitzen bis zur Tür gegenüber. Dort stand auf den brüchigen Dielen ein dunkles Etwas. Jetzt beleuchtete Tory es. Es war eine seltsam geformte große Urne oder Vase.

      Tory bückte sich und hob sie mühsam auf. Sie schien recht schwer zu sein. Dann brachte er sie angeschleppt und reichte sie mir.

      „Vorsicht, sie hat Gewicht!“ flüsterte er.

      Ich nahm sie in Empfang, und Tory schlich wieder auf Fußspitzen nach der Mitte des Zimmers hin, ließ von hier den Strahlenkegel abermals über die Wände gleiten.

      Ich sah, daß das weiße Licht plötzlich auf der linken Wand, wo ein riesiger Kachelofen stand, halt machte, wie mein Freund nun sich langsam dem Ofen näherte und etwas betrachtete, das ich nicht sehen konnte, da es durch den Ofen verdeckt wurde. Das Etwas mußte sich aber an der Wand dicht neben dem Ofen befinden.

      Ich wurde ungeduldig. Die Vase war recht schwer. Ich hielt sie mit meinen Armen umklammert. Und ich mußte sie ordentlich gegen den Leib drücken, damit sie mir nicht entglitt.

      Dann kam Tory langsam, recht zögernd, zu mir zurück, schaute mich eine Weile an und sagte kurz:

      „Gehen wir!“

      Er machte sich die höchst überflüssige Arbeit, die Tür wieder von außen zu verschließen.

      „Wozu das?!“ brummte ich ungeduldig.

      „Nachher!“ meinte er mit Betonung.

      Die Vase nahm er mir dann ab, indem er erklärte: „Du sollst nicht zum Diebe werden. Ich trage die Verantwortung!“

      5. Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Unbemerkt kamen wir wieder in meiner Wohnung an.

      Tory stellte die Vase auf den Sofatisch und trocknete sich dann den Schweiß von der Stirn.

      Ich holte die Kognakflasche. Wir tranken jeder schweigend zwei Gläschen. Dann ließ ich mich total erschöpft in die Sofaecke fallen. Auch Tory setzte sich in den Plüschsessel neben mich. Seine Augen waren auf unseren Raub gerichtet.

      „Was willst du eigentlich mit dem plumpen Ding!“ fragte ich ärgerlich. „Es ist Diebstahl – sogar mittels Einbruchs, da wir Nachschlüssel gebraucht haben.“

      „Sehr richtig …!“ Es klang zerstreut. Und ebenso zerstreut langte er nach einer Zigarette und zündete sie sich an.

      Der Kognak wirkte. Die unerträgliche Nervenanspannung ließ nach.

      „Möchtest du mir nicht erklären, wozu du das Ding mitgenommen hast?“ fragte ich streng. Ich markierte den um fünf Jahre älteren.

      Er blies den Rauch wie aus einem Ventil von sich.

      Dann: „Weil der Mörder die Vase gleichfalls stehlen wollte und weil ich dachte, er könnte nochmals zurückkehren und sie sich holen.“

      Ich wurde ganz steif vor Staunen. Und die Worte kamen nur ruckweise über meine Lippen:

      „Mörder – Mörder, – – was – soll – das – heißen?!“

      „Nichts anderes, als daß rechts neben dem Ungeheuer von Kachelofen eine Leiche an der Wand hing, die ich dir wohl besser nicht zeigte … Du bist zu nervös, Karl.“

      Eine Weile tiefe Stille. Nur meine Wanduhr tickte langsam und bedächtig.

      Dann begann Tory ganz von selbst: „Der Mensch war tot. Es hätte keinen Zweck gehabt, ihn von dem Haken herabzunehmen. Er hing in einer Drahtschlinge, die eine Schlagader halb durchschnitten hatte infolge der Schwere des Körpers. Unter dem Toten auf dem Boden lag eine Menge Blut. Und – er war nicht mehr zu retten.“

      Ich hörte zu, hörte die Worte. Aber sie kamen wie aus weiter Ferne …

      Endlich raffte ich mich auf:

      „Tory, ist das alles denn wahr?“ fragte ich und beleckte mir die trockenen Lippen.

      „So sehr wahr, daß ich sofort die Polizei hinschicken werde!“ erwiderte er. „Kannst du Rundschrift schreiben, Karl?“

      Ich nickte nur.

      Dann suchte er aus einer Lage Papier einen der mittleren Bogen heraus, und ich mußte folgendes schreiben:

      ‚Pfeffergang 9, zwei Treppen vorn ist soeben ein Mord verübt worden. Habe meine Gründe, meinen Namen zu verheimlichen, werde aber helfen, Täter zu finden. – Polizeiarzt mitnehmen!‘

      Der Bogen wurde in Briefform zusammengefaltet und mit Lichttalg versiegelt, wobei Tory als Petschaft ein Zehnpfennigstück benutzte.

      Dann schlichen wir abermals zum Hause hinaus. In der Nähe der Polizeiwache meines Distrikts blieb ich zurück.

      Tory, der sich einen alten Pelerinenmantel von mir übergezogen und einen schwarzen Schlapphut tief in die Stirn gedrückt hatte, während sein Gesicht durch künstliche Falten und Schatten mit Hilfe eines angebrannten Korkes recht geschickt unkenntlich gemacht worden war, öffnete dann keck die Tür des Wachtlokals und warf den Brief einem verschlafen am Tisch sitzenden Schutzmann zu, worauf er schleunigst zu mir zurückkehrte.

      Er wischte sich die billige Schminke ab, half mit dem angefeuchteten Zeigefinger nach und sah daher, als wir in den Pfeffergang einbogen, ganz harmlos aus.

      Oben in meinem behaglichen Arbeitszimmer mußte die Kognakflasche zum zweiten Male heute helfen, meinen inneren Menschen in Ordnung zu bringen.

      Bisher hatte Tory mir noch nicht auseinandergesetzt, wie er über ‚unseren Fall‘ dächte. Als ich ihn nun bat, mir seine Ansicht über dieses Verbrechen mitzuteilen, meinte er:

      „Wir gehen jetzt besser schlafen! Morgen ist auch noch ein Tag!“

      Eigentlich hatte er recht.

      Wir ließen die Verbindungstür zwischen unseren Schlafräumen offen und stellten allerlei Vermutungen an, ob die Polizei auf unseren Brief hin wohl erscheinen würde. Vorher hatten wir noch festgestellt, daß der leuchtende Frauenkopf drüben verschwunden war.

      Dieses unheimliche, phantastische Bild des frei in der Luft schwebenden Hauptes reizte meine Phantasie weit mehr zu den