Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Название Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen
Автор произведения Charles Sealsfield
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835741



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und roten Männer gemacht, daß sie sie pflügen und bebauen und von ihren Früchten leben mögen; er hat sie aber nicht zu einem Jagdgrunde gemacht, daß einige Hundert rote Männer im faulen Dasein einen Raum einnehmen, auf dem Millionen glücklich leben und gedeihen können. Wenn Ihr die Ländereien, die Ihr noch habt, und die noch immer so groß sind, wie manches Königreich der alten Welt, wo mehrere Millionen glücklich leben und gedeihen können; wenn Ihr diese Ländereien beurbaren wollt, so könnt Ihr reicher, glücklicher sein, als irgendeine gleiche Anzahl Bürger der Vereinigten Staaten; wenn Ihr Häuptlinge aber das Geld, das Ihr von uns als Jahresgehalte für Euer abgetretenes Land erhaltet, unter Euch verteilt und Euerm Volke höchstens ein paar Dollar zum Vertrinken hinwerft – dann aber sie darben lasset; – wenn Ihr sie so – statt Euch ihrer anzunehmen und unsere menschenfreundlichen Bemühungen, sie der Kultur zu gewinnen, zu unterstützen – zum Auswurfe herabwürdigt und sie zwingt, an den Türen unserer Bürger ihr Brot zu erbetteln und sich in unserem Straßenkote herumzuwälzen: dann müßt Ihr es diesen Bürgern nicht verargen, wenn sie solcher Gesellschaft überdrüssig werden. Ich kenne Euch, Häuptlinge; Ihr seid solche Blutsauger der Eurigen, als es der verworfenste Tyrann der alten Welt nur sein kann.«

      »Tokeah hat die Dollar mit Füßen weggestoßen«, erwiderte der Indianer.

      »Ich kenne auch Euch, Tokeah, und habe die genauesten Erkundigungen eingezogen. Doch will ich Euch fragen, Alter,« fuhr der General fort: »Was tun wohl die Creeks oder, wie Ihr Euch nennt, die Muscogees, wenn ihnen ein roter Späher der Tscherokees in die Hand fällt, der, während sie mit diesen in Frieden leben, zu den Choctaws eilt, um den sechs Nationen in die Ohren zu flüstern, die Tomahawks zu erheben und über die Muscogees herzufallen, so wie der Panther über das Rind herfällt?«

      Der Indianer schwieg betroffen.

      »Sie nehmen seinen Skalp. Nicht wahr? Als Tokeah damals mit rache- und wutschnaubendem Herzen hinauf zu den Shawneese ging, da wurde ihm sein Land von seinem eigenen Volke verkauft, das müde war, seiner ewigen Unruhstiftung länger Vorschub zu leisten, und den unversöhnlichen Häuptling aus ihrer Mitte weg wollte. Wir konnten Euch als Spion, als Aufwiegler den Prozeß machen, und Eure eigenen Männer würden Eure Henker geworden sein. Wir taten es nicht. Wir benahmen Euch die Gelegenheit, fürder schädlich zu werden, und ließen Euch gehen. Wenn Ihr das Geld wegstießt, das Euch für das Land bezahlt wurde, war es Euer Fehler; für das, was Ihr damals tatet, hattet Ihr den Tod verdient. Das Schicksal der roten Männer«, fuhr der General würdevoll fort, »ist hart in vieler Hinsicht, aber es ist nicht unvermeidlich; die Barbarei muß im Kampfe mit der Aufklärung immer weichen, so wie die Nacht dem Tage weicht; aber Ihr habt die Mittel in der Hand, an diese Aufklärung Euch anzuschließen und in unser bürgerliches Leben einzutreten. Wollt Ihr dieses jedoch nicht und zieht Ihr vor, statt geachteter Bürger wilde Legitime zu sein, so müßt Ihr mit dem Schicksal nicht hadern, das Euch wie Spielzeug wegwirft, nachdem Ihr Eure nächtliche Bahn durchlaufen habt.«

      Die Wahrheit der eindringenden und ans Erhabene grenzenden Sprache des Generals hatte den Indianer plötzlich zum Schweigen gebracht.

      »Tokeah,« hob der General wieder nach einer langen Pause an, »wir haben, wie gesagt, nichts gegen Euren Entschluß, zu gehen, und ich werde die nötigen Befehle in meiner Militärdivision hinterlassen, daß unsere Offiziere Euch ungehindert ziehen lassen. Ehe dieses jedoch geschieht, müßt Ihr uns noch über einen Punkt Aufklärung geben. Eure verschiedenen Stämme werden zwar von uns gewissermaßen als Völker betrachtet, in deren innere Angelegenheiten wir uns nicht mengen, und denen wir selbst das Recht lassen, untereinander Krieg zu führen; aber unsere obervormundschaftliche Vergünstigung dehnt sich nicht so weit aus, Euch das Recht zu geben, über unsere friedlichen Mitbürger herzufallen und Euch unsere Kinder zuzueignen, nachdem Ihr ihre Eltern grausam gemordet.«

      Der alte Mann horchte hoch auf.

      »Tokeah hat die Tochter eines weißen Vaters und einer weißen Mutter zu uns gebracht. Er hat sie als sein Kind betrachtet. Wie ist er zu der jungen Dame gekommen, die er die weiße Rose nennt?« fragte der General.

      Der Indianer fuhr plötzlich auf. Er sah bald den General, bald den Squire Copeland an. Sein Mund zuckte, und nachdem er El Sol etwas in die Ohren geflüstert hatte, erwiderte er:

      »Die weiße Rose ist die Tochter des Miko. Er hat viele Biber- und Bärenfelle für sie gegeben. Sie war seine Tochter, bald nachdem sie das Licht der Welt erblickte.«

      »Wie kam sie aber in Eure Hände?« fragte der General nochmals.

      »Tokeah hat sie den roten Männern der Choctaws der sechs Dörfer, die am endlosen Flusse wohnen, abgenommen. Wäre sein Arm nicht gewesen, so wäre ihr Gehirn schon viele Sommer an dem Baume vertrocknet, an den sie die Hand eines Muscogee schmettern wollte.«

      »Auch dies beantwortet nicht die Frage«, entgegnete der General. »Wie kam die junge Dame aber in Eure Gewalt?«

      »Der große Vater«, versetzte der Indianer ausweichend, »hat eine große Schlacht gewonnen, in der seiner Feinde viele geblieben sind. Gehören die Beute und die Gefangenen nicht ihm und den Seinigen?«

      »Ich will Euch später auf die Frage antworten«, bedeutete ihm der General. »Die junge Dame ist die Tochter weißer Eltern – keine Choctaw – Tokeah!« sprach der General ernst und scharf, »ich fordere Euch hiermit auf, mir reine Wahrheit zu sagen.«

      Des Häuptlings Augen begegneten dem durchbohrenden Blick des Generals, waren aber nicht imstande, diesen auszuhalten.

      »Der große Vater ist gerecht,« sprach er, »er wird dem alten Tokeah nicht die Blume rauben, die er viele Sommer gewartet und die die einzige Freude seiner Augen ist, die sein gehört und –« er sprach die letzten Worte leise und mit hohler Stimme.

      »Euch soll Recht widerfahren,« sprach der General; »aber zuerst müßt Ihr Eure Ansprüche auf diese junge Dame erweisen.«

      »Tokeah besitzt die weiße Rose vierzehn Sommer,« antwortete der Indianer etwas zuversichtlich; »er hat sie aus den Händen der Muscogees gerettet, als diese sie an einen Baumstamm schleudern wollten.«

      »Fahrt fort«, sprach der General.

      »Tokeah will reden, und sein großer Vater wird hören. Vierzehn Sommer und Winter sind verflossen, seit der Miko der Oconees mit seinem Volke die Tomahawks gegen die Choctaws der sechs Dörfer erhoben. Sein Herz war mit den Choctaws; allein die Muscogees wollten das Kriegsgeschrei erheben, und er zog gegen die sechs Nationen. Es war in der zehnten Nacht, seit der Tomahawk ausgegraben war, daß der Miko in der Nähe des obersten Dorfes seiner Feinde lag, der Stunde wartend, wo seine Feinde schlafen würden, als auf einmal seine Ohren den Kriegsruf der Seinigen hörten, die zu spähen ausgegangen waren. Er flog den Seinigen zu; aber ehe er ankam, hatten sie ihre Feinde bereits in die Flucht gejagt, und er kam gerade, um zu sehen, wie sie den Gefangenen die Skalpe abzogen. Es waren vier weiße Männer und drei Weiber darunter. Eines dieser Weiber war sehr zart und sehr jung und hatte die weiße Rose in ihren Armen, die sie noch festhielt, als ihr Kopf bereits gespalten war. Der Miko war zu spät gekommen, um dem zarten Weibe das Leben zu retten; aber er hörte das Wimmern des Kindes, als der Vater Mi-li-machs es an einen Baum schleudern wollte, und er riß es ihm aus den Händen und brachte es zu dem weißen Zwischenhändler,« bei diesen Worten sah er den Squire Copeland an, »und er gab viele Felle für die Milch, die sein Weib der weißen Rose gab. Der Miko«, fuhr er fort, »hat noch alles, was Rosa gehörte, als er sie vom Tode rettete.«

      Der General blickte bei diesen Worten den Indianer scharf an, der stockte und innehielt.

      »Tokeah muß alles, was er von seinem Pflegekinde hat, vorzeigen«, bedeutete ihm der General; »es ist wichtig und unerläßlich, um der Wahrheit auf den Grund zu kommen.«

      Der Alte winkte sofort einem der Oconees, der schnell den Saal verließ.

      Während der Pause, die nun eintrat, näherte sich ein Fremder dem General und händigte ihm ein Papier ein, das dieser aufmerksam las und dann auf das neben dem Armsessel stehende Seitentischchen legte.

      Der Oconee war mit dem Bündel gekommen, und der General übergab es dem Fremden und Squire Copeland.

      »Da