Die Beste Father Brown-Kriminalfälle. Гилберт Кит Честертон

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Название Die Beste Father Brown-Kriminalfälle
Автор произведения Гилберт Кит Честертон
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027219971



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oben ziemlich zersplittert. Es könnte möglicherweise das Werkzeug sein, womit das Verbrechen begangen wurde. Nur daß kein Verbrechen vorhanden ist. Die einzigen anderen Gegenstände sind ein paar alte Missale und kleine Heiligenbilder, welche die Ogilvies, glaube ich, noch aus dem Mittelalter her aufbewahrten; ihr Familienstolz war eben doch stärker als ihr Puritanismus. Wir fügten sie nur dem Museum bei, weil sie in merkwürdiger Weise zerschnitten und entstellt scheinen.«

      Der draußen rasende Sturm trieb gerade schreckhafte Wolkenungetüme über Glengyle hin und hüllte den Raum in Finsternis, als Father Brown die kleinen, handgemalten Blätter zur Hand nahm, sie zu prüfen. Er äußerte sich noch, ehe die Finsternis gewichen war: doch es schien die Stimme eines ganz anderen Menschen.

      »Mr. Craven.« sagte er im Tone eines um zehn Jahre Jüngeren, »Sie haben eine gesetzliche Vollmacht, nicht wahr, hinauf zu gehen und das Grab zu untersuchen? Je eher wir das tun und dieser entsetzlichen Geschichte auf den Grund kommen, um so besser. Ich an Ihrer Stelle würde mich sofort aufmachen.«

      »Sofort,« wiederholte der erstaunte Detektiv, »und weshalb sofort?« »Weil das hier hochernst ist,« antwortete Brown; »das ist nicht ausgeschütteter Schnupftabak oder lose Kiesel, das hier kann eine hundertfache Bewandtnis haben. Meines Wissens gilt es nur einen Grund, weshalb dies hier geschehen sein kann, und dieser Grund reicht hinauf bis Zu den Anfängen der Welt. Diese Heiligenbilder sind nicht nur eben abgegriffen oder zerfetzt oder bekritzelt, wie es aus Unbedacht oder Fanatismus Kinder oder Protestanten getan haben könnten. Mit diesen hier hat man sehr sorgfältig und sehr eigentümlich verfahren. An jeder Stelle, wo der reichvergoldete Name Gottes in der alten Handmalerei vorkommt, ist er vorsätzlich ausgeschnitten. Das einzige was sonst noch entfernt wurde, ist der Heiligenschein um den Kopf des Jesukindes. Deshalb sage ich, machen wir von unserer Vollmacht, unserem Spaten und unserer Hacke Gebrauch und gehen wir hinauf, den Sarg zu öffnen.«

      »Aber weshalb denn meinen Sie das?« fragte der Londoner Beamte.

      »Ich meine,« antwortete der kleine Priester und seine Stimme schien im Heulen des Windes anzuschwellen, »ich meine, daß der böse Geist von Anbeginn in diesem Augenblick in hundertfacher Elefantengröße auf der Turmspitze dieses Schlosses sitzt, brüllend wie in der Apokalypse. Der ganzen Geschichte steckt irgendeine Zauberei zugrunde.

      »Zauberei,« wiederholte Flambeau leise, denn er war ein zu aufgeklärter Mann, um sich nicht in diesen Dingen auszukennen; »aber was können diese anderen Sachen bedeuten?«

      »O, etwas Fluchwürdiges, vermute ich,« erwiderte Brown ungeduldig, »Was weiß ich? Wie kann ich all ihre Irrgange dort unten erraten? Vielleicht kann man aus Schnupftabak und einem Bambusrohr ein Folterwerkzeug herstellen, vielleicht haben Umnachtete ihre Freude an Wachs und Stahlspänen. Vielleicht stellt man aus Bleistiften Zaubertränke her! Unser kürzester Weg das Geheimnis aufzuklären, führt hinauf zum Grabe.«

      Seine Gefährten merkten es kaum, daß sie ihm gehorchten und folgten, bis ein Nachtwindstoß sie im Garten fast zu Boden warf. Nichtsdestoweniger hatten sie ihm wie Automaten gehorcht; denn Craven fand sich mit einer Hacke in der Hand und der Vollmacht in der Tasche, Flambeau schleppte den schweren Spaten des absonderlichen Gärtners mit sich, und Father Brown trug das kleine goldbemalte Buch, aus dem der Name Gottes ausgeschnitten war.

      Der Pfad den Hügel hinauf zum Friedhof war gewunden, aber kurz: nur in diesem heulenden Sturme schien er mühsam und lang. Soweit das Auge reichte und je höher hinauf sie stiegen, desto weiter und weiter erstreckte sich das Meer von Tannen, jetzt alle unter dem Winde nach derselben Seite gebeugt. Und dieses ganze umfassende Gewoge schien ebenso zwecklos wie endlos, so zwecklos, als pfiffe jener Wind um irgendeinen zwecklosen, unbewohnten Planeten. Durch all das unermeßliche Wachstum graublauer Forste sang schrill und hoch das alte Klagen, das im Tiefinnern alles Heidnischen wohnt. Man hätte meinen mögen, die Stimmen aus dem undurchdringlichen Blättermeere seien die Schreie der verlorenen und unstäten heidnischen Götter, Götter, die in diesen grundlosen Forsten umherstreiften, um nie wieder ihren Weg zum Himmel zurückfinden zu können.

      Sie waren auf dem grasbedeckten Scheitel des Hügels angelangt, einem der wenigen freien Plätze, der sich deutlich vom ächzenden und stöhnenden Tannenwald abhob. Eine ärmliche Einfriedung halb aus Holz und halb aus Draht, rüttelte im Sturmwinde, um ihnen die Umgrenzung des Friedhofes kenntlich zu machen.

      Doch eben als Inspektor Craven am Rande des Grabens angekommen war und Flambeau seinen Spaten zu Boden gesenkt hatte, um sich darauf zu stützen, machte etwas sie beide ebenso erbeben wie das wankende Holz und der klingende Draht. Am Fußende des Grabes wuchsen große, hohe Disteln, grau und silbern verblüht. Ein paarmal, als ein Knollen Distelwolle vom Winde losgelöst vorüberflog, sprang Craven leicht zur Seite, als wäre es ein Pfeil.

      Flambeau grub seinen Spaten durch das pfeifende Gras in den aufgeweichten Lehmboden. Dann schien er einzuhalten und sich wie auf einen Stab darauf zu lehnen. »Vorwärts,« ermunterte der Priester freundlich, »wir suchen ja nur nach der Wahrheit, was fürchten Sie?«

      »Ich fürchte mich, sie zu finden,« versetzte Flambeau.

      Der Londoner Beamte sprach plötzlich mit hoher, krähender Stimme, die zwanglos und unbefangen klingen sollte. »Ich möchte wissen, weshalb er sich tatsächlich so verborgen hielt. Ich vermute etwas Widerwärtiges. War er ein Aussätziger?«

      »Etwas Schlimmeres noch,« erwiderte Flambeau.

      »Und was denken Sie sich,« fragte der andere, »wäre schlimmer als ein Aussätziger?«

      »Ich stelle mir das gar nicht vor,« gab Flambeau zurück. Schweigend grub er einige bange Minuten weiter und sagte dann mit unterdrückter Stimme: »Ich fürchte, es ist da etwas nicht ganz richtig.«

      »So war es auch mit der Form jenes Papierstückes, wie Sie wissen,« sagte Father Brown ruhig, »und wir kamen sogar über das Papierstück hinweg.«

      Flambeau grub mit blindem Eifer weiter. Inzwischen hatte der Sturm die drückenden grauen Wolkenmassen, die wie Rauch an den Hügeln hingen, hinweggefegt und einzelne mattgraue Sternenfelder enthüllt, bis Flambeau die Gestalt eines einfachen Holzsarges freilegte und diesen ein wenig aus der Erde emporhob.

      Craven trat mit seiner Hacke näher, als ihn eine Distel streifte, vor der er aufschreckte. Dann noch ein fester Schritt und er hieb und riß so kräftig wie zuvor Flambeau, bis der Deckel nachgab, und alles, was darunter war, im grauen Sternenschimmer vor ihnen lag.

      »Knochen,« sagte Craven, und dann fügte er hinzu, »aber es ist ein Mann,« als sei dies etwas Unerwartetes. »Ist er,« fragte Flambeau mit sonderbar schwankender Stimme, »ist er in Ordnung?«

      »Es scheint,« erwiderte der Beamte rauh und beugte sich über das fahle und vermodernde Skelett im Sarge. »Warten Sie einen Augenblick.«

      Ein tiefes Stöhnen überlief Flambeaus riesige Gestalt.

      »Und nun, wenn ich darüber nachdenke,« rief er, »warum in aller Welt sollte er denn nicht sein wie er sollte? Was ist es, das einen Menschen überkommt auf diesen verwünschten, kalten Bergen? Ich glaube, es ist das düstere stumpfsinnige Einerlei: all diese Waldungen und dazu über allem das ewige Schrecknis der Unbewußtheit. Es ist wie der Traum eines Atheisten. Tannenbäume und noch mehr Tannenbäume und noch Millionen von Tannenbäumen –«

      »Himmel!« rief der Mann bei dem Sarge, »er hat ja keinen Kopf!«

      Wahrend die anderen starr dastanden, zeigte der Priester zum erstenmal einen Anfall von Fassungslosigkeit. »Keinen Kopf!« wiederholte er. »Keinen Kopf?« als hätte er erwartet, daß irgend etwas anderes fehle.

      Törichte Visionen von einem den Glengyles geborenen kopflosen Kinde, von einem im Schlosse sich verbergenden kopflosen Jünglinge, von einem kopflosen Manne, der diese altertümlichen Hallen oder diesen prächtigen Garten durchmaß, zogen an ihrem Geiste vorüber. Doch selbst in diesem Augenblicke des Erstarrens schlug die Sage keine Wurzel in ihnen und schien jeder Vernunft zu ermangeln. Sie standen und lauschten wie verzaubert den rauschenden Wäldern und heulenden Winden, gerade wie erschöpfte Tiere. Das Denken schien etwas ganz Außerordentliches, das sich plötzlich jeder Macht entzogen habe.