Die Beste Father Brown-Kriminalfälle. Гилберт Кит Честертон

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Название Die Beste Father Brown-Kriminalfälle
Автор произведения Гилберт Кит Честертон
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027219971



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zu warten – ein Steckenpferd, das mehr Geduld erforderte als Angeln. Er bewunderte Walt Whitman, hielt aber Lukas P. Tanner aus Paris, Pa., für »fortschrittlicher« als Whitman. Er hatte eine Vorliebe für alles, was er für fortschrittlich hielt. Auch Valentin hielt er für fortschrittlich, tat ihm damit aber ein großes Unrecht an.

      Das Erscheinen Julius K. Braynes im Zimmer wirkte so entscheidend wie die Tischglocke. Er besaß jene große Eigenschaft, welcher sehr wenige von uns sich rühmen können, nämlich daß seine Gegenwart so fühlbar wirkte wie seine Abwesenheit. Er war von mächtiger Gestalt, ebenso fett wie stark, steckte in tadelloser Abendtoilette, ohne ihr auch nur durch so viel wie eine Uhrkette oder einen Ring nachzuhelfen. Sein Haar war weiß und wie bei einem Deutschen glatt nach rückwärts gekämmt, das Gesicht rot, leidenschaftlich und unschuldig, mit einem dunklen Knebelbarte an der Unterlippe, was diesem sonst kindlichen Gesichte etwas Theatralisches, ja selbst Mephistophelisches verlieh. Nicht lange jedoch beschränkte sich dieser Salon darauf, den berühmten Amerikaner anzustarren, sein verspätetes Kommen war schon ein häusliches Problem geworden und mit aller Beschleunigung wurde er mit Lady Galloway am Arme in das Speisezimmer geschickt.

      Einen Punkt ausgenommen, waren die Galloways ganz heiter und unbefangen. Solange Lady Margaret nicht den Arm jenes Abenteurers O’Brien nahm, war ihr Vater ganz zufrieden, und sie hatte es nicht getan, sie war, wie es sich geziemte, mit Dr. Simon eingetreten. Nichtsdestoweniger war der alte Lord Galloway unruhig und beinahe grob. Während des Diners benahm er sich noch halbwegs als Diplomat, als aber bei den Zigarren drei von den jüngeren Herren – Simon, der Doktor, Brown, der Priester, und der störende O’Brien, der Verbannte in fremder Uniform – sich verzogen, um sich unter die Damen zu mischen oder im Gewächshause zu rauchen, wurde der englische Diplomat in der Tat sehr undiplomatisch. Alle sechzig Sekunden stachelte ihn der Gedanke auf, der Taugenichts von einem O’Brien könnte irgendwie Lady Margaret Zeichen machen; auf welche Weise, bemühte er sich erst gar nicht sich vorzustellen. Er war mit Brayne, dem weißhaarigen Yankee, der an alle Religionen glaubte, und Valentin, dem ergrauenden Franzosen, der an gar keine glaubte, seinem Kaffee überlassen. Miteinander streiten, das konnten sie, aber keiner von ihnen war imstande, ihn ins Gespräch zu ziehen. Nach einiger Zeit hatte die fortschreitende Wortklauberei den Gipfelpunkt der Langweile erreicht und Lord Galloway erhob sich und suchte den Salon auf. Sechs bis acht Minuten verlor er in den langen Gängen seinen Weg, bis er die hochgestimmte, dozierende Stimme des Doktors und dann die langsame des Priesters gefolgt von allgemeinem Gelächter hörte. Aber im Augenblicke, da er die Salontüre öffnete, sah er nur eines – er sah was nicht dort war. Er sah, daß Hauptmann O’Brien fehlte und daß auch Lady Margaret nicht da war.

      Ungeduldig, wie er das Speisezimmer verlassen hatte, den Rauchsalon verlassend, stampfte er nochmals den Gang entlang. Sein Bestreben, seine Tochter vor dem irisch-algerischen Tunichtgut zu beschützen, war etwas wie der Mittelpunkt seines Geistes, eine nahezu fixe, verrückte Idee geworden. Als er der Rückseite des Hauses zuschritt, wo Valentins Arbeitszimmer lag, war er überrascht, seine Tochter zu treffen, welche mit blassem, achtlosem Gesichte vorüberschoß, was ein zweites Rätsel darstellte. Wenn sie mit O’Brien zusammen war, wo war O’Brien? Wenn sie mit O’Brien nicht zusammengewesen war, wo war sie gewesen? Mit dem dem Alter eigenen leidenschaftlichen Verdachte strebte er vorwärts dem hinteren, dunklen Teile des Hauses zu und traf zufällig auf eine Dienstbotentüre, welche auf den Garten hinausführte. Der Mond hatte jetzt mit seiner Sichel die ganzen Reste des Sturmes zerrissen und vor sich hergewälzt. Sein Silberlicht erhellte alle vier Winkel des Gartens. Eine hohe Gestalt in Blau schritt über den Rasen der Türe des Arbeitszimmers zu und ein Schimmer des Mondlichtes auf ihrem Umrisse ließ sie als den Hauptmann O’Brien erkennen.

      Er verschwand durch die französische Glastüre in das Haus und ließ Lord Galloway in einer ganz unbeschreiblichen Geistesverfassung, giftig und zugleich unentschlossen. Der Garten, der in seinem Blau und Silber wie die Bühne eines Theaters erschien, schien ihn zu verhöhnen mit all jener aufdringlichen Zartheit, gegen die seine weltliche Überlegenheit vergebens anzukämpfen suchte. Die Länge und Eleganz der Schritte des Irländers versetzten ihn auch in Zorn, als wäre er nicht der Vater, sondern der Nebenbuhler, und das Mondlicht machte ihn vollends rasend. Wie in einer Watteauschen Märchenlandschaft fühlte er sich von dem Zauber eines Troubadourgartens gefangen, und entschlossen, sich solch verliebten Verrücktheiten durch Unterhaltung zu entziehen, lief er hinter seinem Feinde drein. Er strauchelte dabei über eine Wurzel oder einen Stein im Grase. Er blickte zu Boden, zuerst ärgerlich, dann ein zweites Mal neugierig. Im nächsten Augenblick schien der Mond und sahen die hohen Pappeln auf etwas ganz Außergewöhnliches hernieder – auf einen ältlichen englischen Diplomaten, der davonsprang und dabei schrie oder brüllte.

      Seine heiseren Schreie riefen ein bleiches Gesicht in die Türe des Studierzimmers, die blitzende Brille und die hochgezogenen Brauen Dr. Simons, der des Edelmannes erste klare Worte vernahm. Lord Galloway schrie:

      »Eine Leiche im Grase, eine blutige Leiche!«

      An O’Brien dachte er gar nicht mehr.

      »Wir müssen sofort Valentin davon verständigen,« meinte der Doktor, als der andere in abgerissenen Worten alles beschrieb, was er zu erkennen gewagt hatte. »Ein Glück, daß er hier ist!« und eben als er sprach, trat der große Detektiv ins Studierzimmer, herbeigerufen durch den Schrei. Es war beinahe amüsant, seine typische Veränderung zu beobachten. Er war eingetreten mit der gewöhnlichen Unruhe des Gastgebers und Gentlemans, welcher fürchtet, daß einer seiner Gäste oder Dienstboten erkrankt ist. Als er jedoch die blutige Tatsache erfuhr, wurde er bei all seinem feierlichen Ernste plötzlich munter und geschäftsmäßig, denn, so unerwartet und gräßlich es sein mochte, es war sein Beruf.

      »Seltsam, meine Herren,« sagte er, als sie in den Garten hinauseilten, »daß ich Geheimnisse um die Erde herum verfolgt haben sollte und nun kommt eines und nistet sich in meinem eigenen Garten ein. Wo ist der Ort?«

      Sie überquerten den Rasen mit etwas weniger Zuversicht, da ein leichter Dunst vom Flusse sich zu erheben begonnen hatte, doch unter der Führung des verstörten Galloway fanden sie den in das tiefe Gras gesunkenen Körper, den Körper eines sehr großen und breitschulterigen Mannes. Er lag mit dem Gesichte nach unten, so daß man nur gewahrte, daß seine starken Schultern von schwarzem Tuche bekleidet waren und sein mächtiger Kopf außer einigen Haarbüscheln, die wie nasses Seegras an dem Schädel klebten, kahl war. Eine Scharlachschlange von Blut kroch unter seinem Gesichte hervor.

      »Wenigstens,« meinte Simon mit einem tiefen und eigentümlichen Ausdruck, »ist es niemand aus unserer Gesellschaft!«

      »Untersuchen Sie ihn, Doktor,« rief Valentin ziemlich hastig, »er könnte noch nicht ganz tot sein.«

      Der Doktor bückte sich nieder.

      »Er ist nicht ganz kalt, aber ich fürchte, er ist tot genug,« entschied er. »Helfen Sie mir einmal, ihn aufzurichten.«

      Sorgfältig hoben sie ihn einen Zoll hoch vom Boden empor, und alle Zweifel, ob er wirklich tot sei, waren sofort aufs gräßlichste beseitigt, denn – das Haupt fiel herab. Es war gänzlich vom Körper getrennt gewesen. Wer immer ihm den Hals durchgeschnitten haben mochte, der hatte ihm auch den Nacken durchgeschnitten. Selbst Valentin erschrak ein wenig.

      »Er muß stark gewesen sein wie ein Gorilla,« murmelte er.

      Obwohl an anatomische Operationen gewöhnt, hob Dr. Simon den Kopf nicht ohne einiges Beben auf. Er war am Nacken und der Kinnlade leicht zerfranst, das Gesicht aber zeigte keinerlei Verletzung. Es war ein plumpes, gelbes Gesicht, gleichzeitig eingefallen und doch aufgedunsen, mit einer Adlernase und schweren Augenlidern – das Gesicht eines lasterhaften römischen Kaisers mit vielleicht einer leichten Annäherung an einen chinesischen Kaiser. Alle Anwesenden schienen es mit dem kältesten Auge des Fremden anzusehen. Nichts anderes ließ sich beim Aufheben des Körpers über den Mann feststellen, als der weiße Schimmer eines Vorhemdes, befleckt von einem roten Schimmer von Blut. Es war, wie Dr. Simon sagte, der Mann hatte nicht zu ihrer Gesellschaft gehört. Er konnte aber ganz gut versucht haben, sich zu ihr zu gesellen, denn er war in einer, solcher Gelegenheit entsprechenden Weise gekleidet.

      Valentin ließ sich auf seine Hände und Knie nieder und untersuchte auf etwa zwanzig