Die Memoiren des Sherlock Holmes: Holmes' erstes Abenteuer und andere Detektivgeschichten (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch). Артур Конан Дойл

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hohem Betrage.

      Bei der Haussuchung fand man den Leichnam des ermordeten Wächters in den größten Kassenschrank hineingezwängt, wo er ohne das tätige Eingreifen des Polizisten Tuson nicht vor Montag früh entdeckt worden wäre. Der Schädel war dem Unglücklichen mit einem Feuerhaken von hinten her eingeschlagen worden. Ohne Zweifel hatte sich Beddington, unter dem Vorwand etwas vergessen zu haben, Eintritt verschafft, hatte den Wächter getötet, schnell den großen Kassenschrank geleert und sich mit der Beute davongemacht. Sein Bruder, der sonst immer mit ihm zu arbeiten pflegt, scheint bei diesem Unternehmen nicht beteiligt zu sein, soviel man bis jetzt weiß; doch ist die Polizei eifrig beschäftigt, nach seinem Aufenthaltsort zu forschen.«

      »Da können wir der Polizei einige Mühe ersparen«, sagte Holmes mit einem Blick auf die jämmerlich zusammengekrümmte Gestalt, die im Winkel kauerte. »Die menschliche Natur ist doch ein recht wunderliches Gemisch, Watson! Selbst ein Schurke und ein Mörder kann das größte Mitleid einflößen. Auf die erste Kunde hin, daß er dem Strick verfallen ist, hat sein Bruder hier Selbstmord versucht. – Uns bleibt übrigens keine Wahl; wir wissen, was wir zu tun haben. Der Doktor und ich werden hier Wache halten, und Sie, Pycroft, holen unterdessen gefälligst die Polizei.«

       Englisch

      Holmes’ erstes Abenteuer

       Inhaltsverzeichnis

      »Hier, Watson, habe ich Papiere,« sagte mein Freund Sherlock Holmes, als wir uns an einem Winterabend vorm Kaminfeuer gegenübersaßen, »deren Durchsicht sich sicher für dich lohnen wird. Es sind Akten aus dem ungewöhnlichen Falle der ›Gloria Scott‹, und hier ist das Schriftstück, das dem Friedensrichter ein tödliches Entsetzen einjagte.«

      Damit zog er aus einer Schublade eine kleine vergilbte Rolle, machte die umgebundene Schnur auf und hielt mir ein halbes Blatt schiefergrauen Papiers hin, auf das ein paar Zeilen gekritzelt waren.

      »Die Zeit der Jagd auf Hasen geht bald los,« lauteten die Worte. »An Wechseln, Förster Hudson sagte mir’s, hat gestern schon alles voll Wild gestanden. Er meinte, fort sei Reineke von Haus, und hier und da eile ein Iltis.«

      Als ich diese rätselhaften Worte gelesen hatte und wieder aufschaute, sah ich, wie Holmes ein Lächeln über den Ausdruck meines Gesichtes unterdrückte.

      »Du machst ein recht erstauntes Gesicht,« sagte er. »Ich kann nicht einsehen, wie eine solche Botschaft Entsetzen einzuflößen vermochte. Sie kommt mir eher lächerlich als sonst etwas vor.«

      »Allem Anschein nach. Dennoch steht die Tatsache fest, daß der Leser, ein schöner, kräftiger Mann in höherem Lebensalter, geradezu davon zu Boden geschmettert wurde wie von einem Keulenschlag.«

      »Du machst mich neugierig,« erwiderte ich. »Warum sagtest du aber soeben, es lägen ganz besondere Gründe vor, weshalb ich mich in diesen Fall vertiefen sollte?«

      »Weil es der allererste war, mit dem ich zu tun hatte.«

      Schon oft hatte ich aus meinem Freunde eine Mitteilung darüber herauszulocken versucht, was ihn zuerst auf die Detektivlaufbahn geführt hätte; aber er hatte niemals Neigung zu einer Erklärung gezeigt. Jetzt rückte er sich auf seinem Lehnstuhl etwas nach vorn und rollte die Papiere auf seinen Knien auseinander. Dann zündete er seine Pfeife an und saß eine Weile schweigend da, während seine Augen die Papiere überflogen.

      »Du hast mich niemals von Viktor Trevor reden hören?« fragte er mich endlich. »Er war während meiner zweijährigen Studienzeit mein einziger Freund. Sehr gesellig bin ich nie gewesen, Watson; ich ging lieber grübelnd in meinen vier Wänden meinen eigenen kleinen Ideen nach, sodaß ich wenig mit Altersgenossen verkehrte. Von Fechten und Boxen abgesehen, fand ich an ihren athletischen Künsten keinen Geschmack, auch die Art meines Studiums war anders als die ihre; so hatten wir gar keine Berührungspunkte miteinander Trevor war der einzige, den ich näher kennen lernte, und das auch nur ganz zufällig dadurch, daß sein Bullterrier eines schönen Morgens sich in meine Knöchel verbissen hatte.

      Es war ein prosaisches Freundschaftsband, aber es hielt fest. Zehn Tage mußte ich meinen Knöcheln zuliebe liegen bleiben, und Trevor kam jeden Tag und erkundigte sich nach meinem Ergehen. Zuerst dauerte unsere Unterhaltung nur eine Minute, dann blieb er immer länger, und ehe ich wieder auf war, hatten wir feste Freundschaft geschlossen. Er war ein gemütvoller, kerniger Mensch von Geist und Tatkraft und in vielen Beziehungen ganz das Gegenteil von mir; aber wir hatten erkannt, daß uns manches gemeinsam war, und der Umstand, daß er so wenig Freunde hatte wie ich, knüpfte uns fest zusammen. Schließlich lud er mich zu einem Besuch in Donnithorpe in Norfolk ein, wo sein Vater wohnte, und ich wollte einen Monat lang während der langen Sommerferien seine Gastfreundschaft genießen.

      Der alte Trevor war offenbar ein ziemlich wohlhabender und angesehener Mann, Friedensrichter und Grundbesitzer in Donnithorpe, einem kleinen Orte nördlich von Langmere. Das Wohnhaus war ein altertümliches ausgedehntes Steingebäude mit eichenen Querbalken, Pfosten und Türen, zu dem eine schöne Lindenallee führte. In den nahen Moorheiden fehlte es nicht an allerlei Vogelwild; dazu kam ein guter Fischbestand, eine kleine, aber erlesene Bücherei, die, wie ich hörte, von einem früheren Besitzer übernommen war, und eine passable Küche, sodaß man es wohl einen Monat aushalten konnte.

      Trevor senior war Witwer und mein Freund sein einziger Sohn. Wie man mir sagte, hatte er auch eine Tochter gehabt, aber sie war, während sie in Birmingham zu Besuch weilte, an Diphtheritis gestorben. Für den Vater interessierte ich mich in hohem Grade. Wenig gebildet, besaß er offenbar ein gut Teil urwüchsiger Kraft in physischer wie geistiger Beziehung. Beschwerte ihn aber auch Buchweisheit nicht, so war er dafür weit gereist, hatte viel von der Welt gesehen und alles, was ihm vorgekommen war, fest im Gedächtnis behalten. Körperlich war er ein untersetzter, wohlbeleibter Mann mit buschigem, ergrautem Haar, braunem, sonnenverbranntem Gesicht und blauen Augen mit durchdringendem, fast wildem Ausdruck. Dennoch galt er bei den Bauern jener Gegend als freundlich und barmherzig und war wegen der Milde seiner richterlichen Urteile bekannt.

      Eines Abends, wenige Tage nach meiner Ankunft, saßen wir nach Tische bei einem Glase Portwein, als der junge Trevor anfing, von meinen scharfen Beobachtungen und Schlußfolgerungen zu erzählen, die ich damals schon in ein System gebracht hatte, wenn ich auch noch nicht ahnte, welche Rolle sie in meinem Leben spielen sollten. Offenbar dachte der Alte, sein Sohn übertreibe, als dieser ein paar unbedeutende Kunststückchen von mir zum besten gab, und sagte mit großmütigem Lachen:

      »Herr Holmes, ich bin ein ausgezeichnetes Objekt, nun zeigen Sie mal, ob Sie was von mir ausklügeln können!«

      »Ich fürchte, daß das etwas schwer hält,« antwortete ich. »Ich denke mir, Sie haben während der letzten zwölf Monate gefürchtet, es könnte ein Angriff auf Ihre Person gemacht werden.«

      Das Lachen erstarb auf seinen Lippen, und ganz überrascht starrte er mich an.

      »Ja, das ist freilich wahr,« sagte er. »Du weißt, Viktor, als wir das Wilddiebsnest ausnahmen, schworen sie uns den Tod, und auf Sir Edward Hoby ist tatsächlich ein Mordversuch gemacht worden. Seitdem bin ich immer auf der Hut gewesen, habe aber keine Ahnung, wie Sie das wissen können.«

      »Sie haben einen sehr schönen Stock,« antwortete ich. »Aus der Aufschrift habe ich ersehen, daß Sie ihn erst ein Jahr besitzen. Sie haben aber seinen Knopf mit vieler Mühe ausgebohrt und mit geschmolzenem Blei ausgegossen, sodaß er nun eine furchtbare Waffe ist. Ich schloß, daß Sie solche Vorsichtsmahregeln nicht treffen würden, wenn Sie nicht eine Gefahr voraussähen.«

      »Sonst noch was?« fragte er lächelnd.

      »Sie sind in Ihrer Jugend ein großer Boxer gewesen.«

      »Wieder richtig. Woher wußten Sie das? Hat etwa meine Nase durch einen Stoß ihre gerade Richtung verloren?«

      »Nein,« sagte ich. »Die Ohren