Die wichtigsten Werke von Richard Voß. Richard Voß

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Название Die wichtigsten Werke von Richard Voß
Автор произведения Richard Voß
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027223008



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seinen Pferdchen, knallte mit seiner Peitsche, mit einem Wort: Mischka tat, als ob nicht das mindeste vor sich ginge.

      Von Zeit zu Zeit drehte er sich ganz gemächlich nach dem Mütterchen um, grinste dieses an und schielte dabei auf den mächtigen Kober voller Proviant, den das Mütterchen, um wenigstens dem furchtbaren Hungertode zu entgehen, in tausend Ängsten vor Anuschka heimlich gepackt und heimlich auf den Wagen hatte schaffen lassen.

      Unterdessen stellte das Mütterchen sich vor, wie sie zu Hause aufwachten, wie Anuschka nach ihr suchte, nirgends sie fand und nun Alarm schlug. Dann würde man auch die Abwesenheit Mischkas, der Pferde und der Kibitka entdecken. Wie, wenn Anuschka ihnen nachsetzte, sie einfing und zurückbrachte?!

      Das Mütterchen nahm sich vor, ein Zetergeschrei anzuheben, dann würde man sie wohl in Frieden weiterziehen lassen.

      Sie waren noch keine fünf Werst von Dawidkowo entfernt, als Mischka einen ganz merkwürdigen Laut ausstieß und mit der Peitsche vor sich auf die Landstraße deutete. Dem Mütterchen fuhr der Schreck sogleich in alle Glieder. Es kreischte: »He, Mischka, was ist? Was siehst du?«

      »Nu, da ist sie!«

      »Wer? Anuschka!« schrie das Mütterchen auf.

      »Nu, da ist sie!« wiederholte Mischka, drehte sich wiederum in aller Gemütlichkeit zum Mütterchen um, machte ein pfiffiges Gesicht und ließ seine Pferdchen im Schritt gehen. »Da ist sie, kommt geradeswegs von Moskau, zu Fuß, muß die ganze Nacht durch gelaufen sein, läuft wohl geradeswegs nach Dawidkowo zu unserem Grischa; die andere ist nicht bei ihr. He, Mütterchen, Mascha Minitschna, da ist sie!« Und mit einem »Hu!« hielt der Treffliche den Wagen an.

      Wera kam näher, erkannte den Kutscher und das Mütterchen und hätte sich am liebsten verborgen. Aber es war kein Busch in der Nahe. So ging sie denn ruhig weiter, wandte, als der Wagen sie erreichte, den Kopf ab und wollte vorübergehen.

      »He! Da ist sie!« erklärte Mischka dem Mütterchen nochmals.

      Sogleich begann das Mütterchen heftig zu schreien, zu schluchzen und zu weinen und wollte sich mit allen ihren Tüchern und Mänteln aus dem Wagen wälzen, gcradeswegs auf die Landstraße hinunter.

      Da blieb Wera stehen, drehte sich um und konnte nun nicht anders als hinzugehen.

      »Nun bist du da, und nun nehme ich dich mit, und nun wird mein Grischa wieder gesund; wieder gesund und glücklich! Ach, und wie er lachen wird! Gott sei mir gnädig; nun mache ich zum Herbst eine Wallfahrt. Aber was wird Anuschka dazu sagen –«

      Achtzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Es war für das Mütterchen bei allem Glück ein großer Kummer, daß Wera sich nicht zu ihr in die Kibitka setzen wollte, und da half kein Bitten und Betteln, kein Seufzen und Stöhnen.

      »Aber du willst doch nach Dawidkowo?«

      »Ich will nach Dawidkowo!«

      »Was wird mein Sohn Grischa sagen, wenn ich dich zu Fuß gehen lasse. Er verwünscht ja wohl sein altes Mütterchen. Daß der Herr sich erbarm'! Ich darf ihm ja wohl nie mehr vor Augen kommen. Heilige Mutter von Kasan, sei mir gnädig! So steige doch ein, mein Täubchen – Ach, ich bin ganz sinnlos vor Freude! Steig ein, mein Liebchen!«

      Aber Wera stieg nicht ein. Stumm und blaß stand sie auf der Landstraße; unsäglichen Jammer im Herzen, aber entschlossen, alles zu tun, was zu tun sie übernommen hatte. Das Mütterchen jedoch war nicht so schnell abzuweisen. In großer Aufregung, so daß sie sich unter ihren Mänteln und Tüchern förmlich wand, redete sie auf Wera ein: »Wo, denkst du wohl, daß ich hinfahren wollte? Du rätst es gewiß nicht. Nun, rate einmal: Wohin wollte ich wohl?«

      »Nach Moskau.«

      »Gott sei meiner armen Seele gnädig, du hast es erraten!« rief das Mütterchen triumphierend. »Und was, denkst du wohl, wollte ich in Moskau, in dem Sündenpfuhl, in dem Sodom und Gomorrha? Ja, was wollte ich wohl?«

      »Ich weiß nicht.«

      »Nun, rate mal!«

      »Ich weiß wirklich nicht.«

      Das Mütterchen kicherte vor eitel Glückseligkeit, und Mischka grinste und schnitt Gesichter, und die Pferde schüttelten die Köpfe und schlugen mit den Schweifen und schienen auch ihre helle Freude daran zu haben.

      »Sie weiß es wirklich nicht. Hörst du, Mischka, sie weiß es wirklich nicht! Sie weiß nicht, o Mischka, was wir beide mit den Braunen in dem Sündenpfuhl wollten, weshalb wir der Anuschka bei Nacht und Nebel fortgelaufen sind; sie kann's und kann's nicht raten. O Mischka, Mischka.«

      So schwatzte das Mütterchen, den grinsenden Mischka anredend, teils im Tone hellsten Frohlockens, teils voll tiefsten Vorwurfs, wobei sie immerfort Wera ansah, ihr zunickte und zublinkte und geheimnisvolle Zeichen machte.

      »Wollen wir es wohl dem Täubchen sagen?« fuhr das Mütterchen glückselig fort. »He, wollen wir, Mischka? Was meinst du: Ob wir wohl der Anuschka fortgelaufen sind und nach dem Sündenpfuhl kutschieren, um daselbst ein gewisses hübsches Täubchen zu suchen? He, guter Mischka, ob wir wohl? Und ob wir wohl das Täubchen gefunden haben? Leibhaftig gefunden! Mit seinem schönen, stolzen Gesichtchen und ganz wie es geht und steht. O Mischka, Mischka, ob wir wohl?!«

      Und das Mütterchen kicherte, daß sie ächzen und stöhnen mußte, und Mischka grinste, was er konnte, und die Pferde nickten zu allem mit den Köpfen, stampften und scharrten.

      Es war wunderschön.

      »Um mich zu suchen, wollten Sie nach Moskau?« rief Wera tödlich erschrocken. »Warum wollten Sie mich suchen?«

      »Nu höre nur, Mischka!« rief das Mütterchen entrüstet. »Warum wir sie wohl in dem Sündenpfuhl suchen wollten? Hörst du das, Mischka? Weißt du etwa, warum wir das Täubchen suchen und nach Dawidkowo bringen wollten? Ist es zu glauben, Mischka? Als ob das Mütterchen keinen Sohn hätte, keinen Grischa, keinen Augapfel, kein Herzblatt?! Frage sie doch, ob sie das nicht wüßte? Ob sie nicht wüßte, wem das Mütterchen das Täubchen bringen wollte; aus dem Sündenpfuhl, dem Sodom und Gomorrha! O Mischka, Mischka!«

      »Ihrem Sohn Grigor Michailitsch wollten Sie mich bringen?«

      »Hörst du das, Mischka?« schrie das Mütterchen in Ekstase. »Sie fragt, ob wir sie etwa meinem Sohn bringen wollten. Nein, das wollen wir gar nicht. O behüte! Wie sollten wir? Ach, was bist du für ein Täubchen!«

      »Ist Grigor Michailitsch krank?« rief Wera, kaum wissend was sie sprach.

      Aber da stürzten dem Mütterchen die Tränen aus den alten, schwachen, trüben Augen so unaufhaltsam, daß es kein Wort hervorbringen konnte und schluchzte, als ob ihr das Herz brechen wollte.

      »Was ist mit deinem Herrn geschehen?« wandte sich Wera an Mischka, der verlegen an seiner Mütze drehte.

      »I, dem! Was sollte dem wohl geschehen sein? Doch ist es mit ihm nur so so.«

      »Frage sie doch, Mischka,« schluchzte das Mütterchen, im Genuß ihrer Rührung schwelgend. »O Mischka, Mischka, frage sie doch, zu wem sie wohl will, wenn sie nach Dawidkowo geht, auf der Landstraße, zu Fuß, aus dem Sündenpfuhl dahin, wo die Anuschka wohnt und – nun wer wohl sonst noch? Solche Heuchlerin, solche liebe, schöne, stolze Heuchlerin!«

      »Ich muß nach Dawidkowo zu den Bauern,« sagte Wera in ihrer alten herben Art.

      »Gott sei dir barmherzig Kind!« zeterte das Mütterchen, gleich am ganzen Leibe bebend. »Was willst du wohl bei den Dieben, den Räubern, den Mördern? Machen meinem Grischa nichts als Kummer und Not; wollen sein Land haben; soll ihnen sein Land geben! Aber will er wohl? Nein, er will nicht! Du mußt meinem Grischa sagen, daß er den Räubern sein Land geben soll, sonst schlagen sie ihn tot, die Diebe! Er ist reich genug, wozu braucht er noch Land und so was? Sag's ihm, hörst du? Wenn du es ihm sagst, tut er's. Er tut alles,