Название | Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman |
---|---|
Автор произведения | Britta Winckler |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Klinik am See Staffel |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740912307 |
Dr. Lindau, dem nicht entgangen war, daß die beiden jungen Leute sein Kommen gar nicht bemerkt hatten, hüstelte und kam an den Tisch. »Die werden wir jetzt leeren«, sagte er und stellte eine Flasche hin. Einen kurzen Blick warf er auf seine Tochter, die aber nicht reagierte. Auch gut, dachte er, und respektierte, daß das, was er eben gesehen hatte, anscheinend noch ein Geheimnis zwischen seiner Tochter und dem Gast bleiben sollte.
Über eine Stunde saßen sie noch beisammen. Dr. Lindau beendete schließlich den gemütlichen Abend. Ich muß morgen um acht wieder in die Klinik«, sagte er.
»Ich fahre Sie natürlich wieder hin«, erklärte sich Alexander Mertens sofort bereit, ohne daß er danach gefragt wurde. »Ihr Wagen wird sicher noch nicht so früh vor dem Haus stehen.«
»Angebot dankend angenommen«, gab Dr. Lindau zurück. »Mich entschuldigt ihr jetzt bitte! Ich wünsche eine geruhsame Nacht.« Er zog sich ins Schlafzimmer zurück. Ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen, als er keine zehn Minuten später Astrid in ihr Zimmer gehen hörte und fast zur selben Zeit auch die Tür zum Gästezimmer geöffnet und wieder geschlossen wurde.
Beruhigt legte er sich zum Schlafen nieder, wußte er doch, daß er seiner Tochter vertrauen konnte. Mit Genugtuung registrierte er aber auch, daß Alexander Mertens die Regeln des Anstands gut zu kennen schien.
*
Fröhlich winkte Astrid ihrem Vater und Alexander Mertens nach, als die beiden am Morgen in Richtung der Klinik am See abfuhren. Während der nur Minuten dauernden Fahrt bis dorthin sprach keiner von beiden ein Wort. Jeder hing seinen Gedanken nach. Dr. Lindau dachte an die Patientin, die in wenigen Stunden operiert werden sollte, und Dr. Mertens überlegte, wann er Astrids Vater gegenüber von seiner Liebe zu dessen Tochter sprechen sollte. Ehe er sich diese Frage aber beantworten konnte, waren sie bereits am Ziel. Alexander Mertens war immer noch so in Gedanken, daß er nicht nur vergaß, den Startschlüssel abzuziehen, sondern auch nicht ans Abschließen der Wagentüren dachte.
Nebeneinander betraten Dr. Lindau und sein Gast aus München die Klinik. Auf dem Weg zum Chefarztzimmer kam ihnen ganz aufgeregt Dr. Hoff entgegen. »Ich wollte Sie gerade anrufen«, stieß er heiser hervor. »Sie ist weg.«
»Wer ist weg?« fragte Dr. Lindau verdutzt.
»Frau Neubert«, erwiderte Dr. Hoff erregt. »Vor fünfzehn Minuten haben wir es gemerkt und haben nach ihr im Haus gesucht…«
»Und?« In Dr. Lindaus Zügen zuckte es. »Wie konnte das passieren?«
Dr. Hoff zuckte mit den Schultern.
In diesem Augenblick horchte Alexander Mertens auf. Auch Dr. Lindau und Dr. Hoff stutzten. Alle drei hatten sie das Aufheulen eines Automotors vernommen – direkt vor der Klinik.
Alexander Mertens kannte dieses Geräusch nur zu gut, denn es war sein Wagen, der solche Töne von sich gab, wenn man ihn nicht sachgemäß in Fahrt brachte. Er fuhr herum und konnte gerade noch durch die offenstehende breite Eingangspforte seinen abfahrenden Wagen erkennen. Er erkannte aber auch, daß eine Frau am Steuer saß. »Ich glaube, daß die Verschwundene gerade mit meinem Auto davonfährt«, stieß er hervor.
»Waaas?« Dr. Lindau machte auf dem Absatz kehrt und rannte zum Ausgang, gefolgt von Alexander Mertens und Dr. Hoff. »Das ist doch allerhand«, rief er und starrte dem Fahrzeug nach, das gerade auf die links um den See herumführende schmale Straße einbog.
»Sie kommt nicht weit«, meldete sich Alexander Mertens zu Wort. »Höchstens fünf Kilometer.«
»Woher wissen Sie das?« fuhr Dr. Lindau auf.
»Weil kaum noch Benzin im Tank ist«, erwiderte Dr. Mertens. »Ich sagte Ihnen doch gestern, daß ich heute unbedingt volltanken müßte.«
»Wir müssen ihr nach«, rief Dr. Hoff.
»Womit«, gab Lindau zurück. »Haben Sie Ihren Wagen hier?«
»Ja, dort steht er…«
»Geben Sie mir den Schlüssel!« verlangte Dr. Lindau.
»Soll ich nicht fahren?«
»Nein«, erwiderte Dr. Lindau. »Sie gehen in die Klinik zurück. Ich fahre oder mein Kollege Dr. Mertens.«
Verblüfft sah Dr. Hoff den ihm unbekannten jungen Mann an, den der Chefarzt eben als Kollege bezeichnet hatte. Zögernd aber holte er seine Autoschlüssel aus der Tasche und gab sie Dr. Lindau.
Der faßte Dr. Mertens am Arm. »Kommen Sie, Alexander, wir fahren ihr nach«, sagte er hastig und zog den Freund seiner Tochter mit zu Dr. Hoffs Wagen.
Alexander Mertens hatte keine Zeit, sich darüber zu wundern, daß Astrids Vater ihn mit dem Vornamen angesprochen hatte. Er bekam die Autoschlüssel in die Hand gedrückt.
»Sie setzen sich ans Steuer!«
Alexander Mertens kam dieser Aufforderung ohne Widerspruch nach. Mit Dr. Lindau als Beifahrer fuhr er Sekunden später davon. Ganz weit vorn war noch die Staubwolke zu sehen, die sein eigener Wagen auf der nichtasphaltierten Straße hinterließ.
Die Verfolgung dauerte nicht lange. Schon nach vier Kilometern war der andere Wagen eingeholt – weil er langsamer wurde und nach weiteren 200 Metern mit blubberndem Motor stehenblieb.
Dr. Lindau und Alexander Mertens sprangen aus ihrem Fahrzeug. Als sie zu dem vor ihnen stehengebliebenen Wagen traten, bot sich ihnen ein Anblick, der sie leicht erschütterte. Die Fahrerin – es war tatsächlich Frau Neubert – saß schluchzend hinter dem Steuer. Ihre Arme hingen seitwärts kraftlos herab. Die Tränen liefen ihr über die Wangen.
Mitfühlend redete Dr. Lindau auf die Frau ein, die unter einem Staubmantel immer noch die Klinikkleidung trug. »Frau Neubert, so können Sie Ihr Problem doch nicht lösen«, sagte er. »Ist denn Ihre Angst wirklich so groß?« Mit sanfter Gewalt zog er sie auf den Beifahrersitz und legte ihr den Sicherheitsgurt an. Er selbst setzte sich dann hinter das Steuer, nachdem er Alexander Mertens zu verstehen gegeben hatte, daß er zurück zur Klinik fahren könne. »Ich fahre hinterher…«
»Ich… ich… wollte nach Hause…«, schluchzte die Patientin.
»Frau Neubert«, wandte sich Dr. Lindau an die wie ein Häufchen Elend wirkende Frau, »ich habe Verständnis für Ihre Angst und ich kann und will Sie auch nicht zwingen, sich auf den Operationstisch zu legen. Bedenken Sie jedoch, daß Ihr Kind sehr bald keine Mutter mehr haben würde, wenn Sie sich nicht helfen lassen.« Minutenlang redete er beschwörend auf die Frau ein. »Wenn Sie es wünschen, dann verschieben wir den Eingriff um einen oder zwei Tage, damit sie Ihre Angst überwinden können.«
Frau Neubert hatte zu schluchzen aufgehört. Ihre Tränen waren versiegt. Den Kopf gesenkt flüsterte sie: »Es… war wohl… Schicksal, daß… daß ich nicht weiterfahren konnte.« Sie hob den Kopf und sah den neben ihr sitzenden Arzt an. »Es soll wohl so sein«, sagte sie in resignierendem Ton. »Fahren wir also zurück in die Klinik.«
Dr. Lindau atmete auf. »Ich schwöre Ihnen, daß Sie den Eingriff nicht nur gut überstehen werden, Frau Neubert«, sagte er mit Betonung, »sondern daß Sie schon kurz danach froh sein werden…«
Die Patientin gab keine Antwort. Ergeben schloß sie die Augen.
Dr. Lindau wollte starten, als ihn ein Schreck durchzuckte. Er hatte ganz vergessen, daß der Wagen ja nicht anspringen konnte, weil der Benzintank leer war. Zorn erfaßte ihn, weil er daran nicht gedacht hatte, als Dr. Mertens noch mit dem anderen Wagen hiergewesen war. Was sollte er nun tun? Er allein hätte ja noch zur Klinik gehen können, doch Frau Neubert konnte und durfte er das nicht zumuten.
Da fiel sein Blick plötzlich in den Rückspiegel, und was er darin sah, ließ ihn aufatmen. Aus der Richtung der Klinik näherte sich ein Wagen. Sekunden darauf konnte er schon erkennen, daß es sich um Dr. Hoffs Fahrzeug handelte, mit dem er überhaupt hierhergekommen war. Am Steuer