Im Netz des Lemming. Stefan Slupetzky

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Название Im Netz des Lemming
Автор произведения Stefan Slupetzky
Жанр Языкознание
Серия Lemming-Kriminalromane
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783709939116



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nicht auch noch beschimpfen lassen.

      „Sie mit Ihren Zuckerln!“, bricht Polivka das Schweigen, während er zu seinem Viertel greift und es betrachtet wie ein Gärtner den verhassten Löwenzahn auf seinem Rasen.

      „Ah, dann bin jetzt also ich schuld an der ganzen Sauerei!“ Der Lemming stürzt sein Glas in einem Zug hinunter, setzt es unsanft ab und fügt hinzu: „Ich hab die Sache wenigstens nicht überall hinausposaunt, damit sie brühwarm in den Medien landet!“

      „Als ob ich …“ Polivka schnappt nach Luft, er ist die fleischgewordene Empörung, dabei wirkt er ohnehin schon wie ein aufgeblasener Ballon kurz vor dem Platzen. „Unsereiner muss halt Protokolle und Berichte schreiben, anders als so ein dahergelaufener Waran- und Waschbärenwachel! Und wenn’s dann einen Verräter in den eigenen Reihen gibt, irgendein Kollegenschwein, das solche Polizeiinterna seinen Freunden bei der Presse flüstert, geben Sie mir noch die Schuld dafür? Als hätt ich’s darauf angelegt, mich selbst in die Rue de la Gack zu manövrieren? Herr Ober! Noch ein Viertel!“

      „Zwei!“

      Sie kommen morgen Früh und holen Ihr Zeug … Habe die Ehre, Wallisch. Das waren endgültige Worte. Worte, die erst langsam in das Hirn des Lemming sickern mussten. Doktor Stropeks Monolog hat ihn, wie man so sagt, am linken Fuß erwischt und ihm die Beine unter dem Körper weggezogen. Plötzlich ist er in der Luft gehangen. Aber noch bevor er auf dem Boden aufschlug, hat das Telefon erneut geläutet.

      Wieder keinerlei Begrüßung, wieder ein erboster Redeschwall, doch diesmal war es Polivka.

      „Ein Horror, Wallisch! Ein verfluchter Horror! Haben Sie eine Ahnung, was mir grad passiert ist? Nein, natürlich nicht! Also, ich komm ins Kommissariat, direkt von diesem Misthund, der Sie bei uns angeschwärzt hat, übrigens ein Rentner namens Hussak, der in seinem Leben nichts mehr anderes zu tun hat, als den jungen Mädels hinterherzugaffen und im Park die Tauben zu vergiften, also ich komm ins Büro, und stante pede lässt der Schröck mich zu sich rufen. Ich hab schon geglaubt, der Hussak hat womöglich angerufen und sich über mich beschwert, er hätt auch allen Grund dazu gehabt, das sag ich Ihnen, Wallisch, weil dem alten Knacker hab ich kräftig eingeschenkt. Ich geh also zum Schröck hinein, der wieder einmal hinter seinem Schreibtisch hängt wie ein verdorrtes Zimmerpflanzerl, und jetzt kommt’s: Der Schröck fangt an herumzuseufzen, wie er’s immer tut, wenn ihn was langweilt oder ihm was peinlich ist, und dann sagt er: ‚Mein lieber Polivka, Sie wissen ja, dass ich und Ihre Frau Mama, also dass zwischen uns gewisse zarte Bande und so weiter, woraus sich ergibt, dass Sie, mein lieber Polivka, und ich ja fast so etwas wie Familie sind, ganz abgesehen von der Arbeit. Umso schwerer, und das können Sie mir glauben, fällt es mir, Ihnen zu sagen, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe.‘“

      Polivka hat kurz nach Luft geschnappt, wie um dem Ungeheuerlichen, dem Undenkbaren noch mehr Gewicht geben zu wollen.

      „Der Schröck hat mich beurlaubt“, hat er dann gesagt. „Verstehen Sie, Wallisch? Einfach suspendiert. Aber das sag ich Ihnen: Nicht mit mir! Das hab ich auch dem Schröck gesagt. ‚Herr Oberst‘, hab ich ihm gesagt, ‚ich möchte höflich darauf hinweisen, dass ich seit dreißig Jahren im Staatsdienst bin, dass ich mir nie etwas zuschulden habe kommen lassen, dass auch nichts gegen mich vorliegt und eine Beurlaubung somit nicht akzeptabel ist …‘“

      Der Lemming musste einmal mehr seine Gedanken ordnen, die wie ein hysterischer Hornissenschwarm durch seinen Schädel schwirrten. „Aber …“, ist er Polivka ins Wort gefallen, „aber was ist denn passiert? Was wirft Ihnen der Schröck denn vor?“

      „Er wirft mir gar nichts vor. ‚Das müssen S’ doch verstehen, mein lieber Polivka‘, hat er gesagt, ‚als Dienststellenleiter hab ich auf den Ruf der Dienststelle zu achten. Die Dienststelle ist unser aller Mutter, wir sind ihre Kinder, finden Schutz in ihrem Schoß und nähren uns an ihren Zitzen, um es einmal blumig auszudrücken. Aber eine Mutter will halt auch, dass ihre Kinder zu ihr stehen, und nichts anderes haben wir in diesem Fall zu tun. Denn wenn die Dienststelle Gefahr läuft, von den Medien kompromittiert und von der öffentlichen Meinung angepatzt zu werden, muss ihr Leiter stante pede reagieren. Waren Sie heut schon im Internet?‘“

      Der Kopf des Lemming hat sich angefühlt wie ein Ballon kurz vor dem Platzen. „Nein, wieso?“

      „Nicht Sie! Der Schröck hat mich gefragt: ‚Waren Sie heut schon im Internet?‘ Und ich: ‚Melde gehorsamst, nein, Herr Oberst.‘ Worauf er mich näher winkt und auf den Bildschirm vor sich zeigt. Sie müssen sich das anschauen, Wallisch …“

      dermassstab.at

       15. Mai 2019, 06:53

       Wien – Ein elfjähriger Schüler ist am späten Montagnachmittag durch einen Sturz von der Kennedybrücke ums Leben gekommen. Laut Zeugenaussagen soll der Bub von einem Mann belästigt und anschließend über die Brüstung auf die U-Bahngleise gestoßen worden sein. Der Verdächtige, der noch am Abend von der Polizei vernommen wurde, blieb auf freiem Fuß.

      Leserkommentare

       Homo erectus – 06:57

       Wieder einmal wird uns von der linkslinken Systempresse die Nationalität des Kinderschänders und Mörders verschwiegen. Wetten, dass es sich um einen Mehmet oder Djamal handelt, der unser rückständiges Land mit seiner „Hochkultur“ beehrt, während er sich von uns durchfüttern lässt?

       Weiser Riese – 07:02

       Was ist das nur für eine Schandpolizei?! Wie kann man so einen Dahergelaufenen nur laufen lassen?!!!

      dermassstab.at

       Update 07:48

       Neuen Informationen zufolge handelt es sich bei dem zu Tode gekommenen Elfjährigen um den Sohn des Filmemachers Kurt Rampersberg, dessen umstrittener Dokumentarfilm „Regen des Hasses, Traufe des Zorns“ erst vor kurzem in den Kinos angelaufen ist (siehe: Rampersbergs Stockholm-Syndrom, 7. Mai 2018).

      Leserkommentare

       Zartes Pflänzchen – 07:51

       Na, da hat es endlich mal den Richtigen erwischt. Dass unsere ach so armen arabischen „Freunde“ eh schon seine Frau auf dem Gewissen haben, ist ja dem Herrn „Regisseur“ noch nicht genug gewesen. Jetzt hat auch sein Sohn dran glauben müssen. Aber vielleicht braucht er das für seine künstlerische Phantasie und dreht gleich einen neuen Islamisten-Welcome-Film!

      „Okay, ich hab’s vor mir“, hat der Lemming drei Minuten später in den Hörer gemurmelt. „Fast achthundert Kommentare, einer widerlicher als der andere, ich will mir das gar nicht alles durchsehen. Aber ich kann trotzdem nicht verstehen, warum der Schröck Sie suspendiert hat.“

      „Na, dann schauen Sie einmal auf die Website von der Reinen Wahrheit, Wallisch. Ihnen sollte klar sein, dass Sie Ihren Job womöglich auch verlieren werden.“

      „Schon geschehen“, hat der Lemming Polivka geantwortet.

      diereine.at

       15. Mai 2019, 09:56

       Polizeiskandal: Ist es ein Pädophilenring?

       Im Fall des gestern belästigten und getöteten Kindes (die REINE berichtete) könnte sich ein Polizeiskandal abzeichnen. Laut wohlinformierten Kreisen handelt es sich beim Täter (es gilt die Unschuldsvermutung) um den ehemaligen Kriminalbeamten Leopold W., der als Wachorgan im Tiergarten Schönbrunn beschäftigt ist. Dass W. sich nach wie vor auf freiem Fuß befindet, könnte an seinen guten Kontakten zur Exekutive liegen: Der zuständige Chefinspektor P., der W. trotz der angeblich klaren Faktenlage nicht verhaftete, soll diesem schon seit langem freundschaftlich verbunden sein. Ein pädophiles Netzwerk, das bis in die höchsten Ebenen der Polizei reicht, ist nicht auszuschließen.

      Aus dem Bauch des Lemming ist ein tiefes Grollen erklungen. Ein Rumoren in den Eingeweiden, dann ein scharfes Brennen, das ihm durch die Speiseröhre hochgestiegen ist und ihm das Gaumenzäpfchen angesengt hat. Kurz entschlossen hat er Klaras Tablet abgedreht.

      „Polanski? Um halb acht?“, hat Polivka gefragt.

      Ein stummes Nicken in