Die Weltensegler. Drei Jahre auf dem Mars.. Albert Daiber

Читать онлайн.
Название Die Weltensegler. Drei Jahre auf dem Mars.
Автор произведения Albert Daiber
Жанр Зарубежная классика
Серия
Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
isbn



Скачать книгу

Fahrt außerhalb der Erdatmosphäre durch den unendlichen Ätherraum hindurch nach einem ganz bestimmten Ziele hin lösen sollte, war den Herren Blieder und Schnabel übertragen. Ersterer war Architekt, dem, allerdings nur in Stuttgart, viel Erfahrung und Phantasie in der Ausführung kühner Projekte nachgerühmt wurde, letzterer Professor der Mathematik an einer höheren Schule. Als solcher war Herr Schnabel berufen, den Bau des Luftschiffes auf Grund mathematischer Berechnungen zu überwachen und im übrigen als wissenschaftlicher Beirat Herrn Blieder zur Seite zu stehen. Form und Schwere, die in sinnreichster Art gebundenen elektrischen Energiemengen, die zur Vorwärtsbewegung und Steuerung des Schiffes wie auch zur Beleuchtung und Heizung der geschlossenen Gondel dienen sollten, all die zahlreichen, äußerst wichtigen Bedingungen und Einzelheiten der Maschinerie waren von Professor Stiller zusammen mit andern bedeutenden Kollegen der Tübinger Universität bestimmt und genannten beiden Herren zur Ausführung übertragen worden.

      Nur zögernd, fast widerwillig hatte Professor Stiller sich zu dieser Übergabe verstehen können. Blieder und Schnabel waren alte Bekannte von ihm. Aus der Vorstadt Cannstatt stammend, waren sie mit ihm aufgewachsen, doch hatten die späteren Jahre und die so ganz verschiedenen Interessen und Bestrebungen Professor Stiller mehr und mehr von den beiden Jugendgenossen getrennt. Die entstandene Kluft wurde in dem Maße größer, als Professor Stiller auf dem steilen Wege der Forschung immer höher emporstieg. Als es aber bekannt wurde, daß ein Professorenkollegium der Tübinger Universität auf Grund eines lichtvollen Vortrages von Professor Stiller beschlossen habe, auf Kosten des staatlichen Universitätsvermögens ein eigenartiges Luftschiff zur Expedition nach dem Mars bauen zu lassen, da waren die beiden Genossen ehemaliger Jugendstreiche schleunigst zu Herrn Stiller geeilt.

      Beide kitzelte der Ehrgeiz, ihre Namen weltberühmt zu machen, sie für ewig mit dem „Weltensegler“, so sollte das Luftschiff heißen, verbunden zu sehen. Ihren unermüdlichen Bitten um besondere Berücksichtigung unter Anrufung der alten Jugendfreundschaft gab Professor Stiller endlich nach. Er tröstete sich damit, daß von den übrigen für den Bau des Weltenseglers in Frage kommenden Wettbewerbern schließlich keiner eine bessere Gewähr für das Gelingen der Arbeit hätte bieten können als Blieder und Schnabel. Und am Ende, ja, am Ende waren es doch auch Söhne des lieben Schwabenlandes wie er selbst.

      So war der anfängliche Widerwille des Gelehrten gegen die zwei „engeren Stuttgarter“ zurückgedämmt worden, um jedoch gegen das Ende des Baues desto lebhafter wieder zu erwachen. Die Herren Blieder und Schnabel waren zwei richtige Dickköpfe. Jeder glaubte für sich allein den Stein der Weisen gefunden zu haben und hielt sich daher für berechtigt, den Plan des Schiffes nach eigenem Gutdünken zu ändern. Nur der Wachsamkeit und der rücksichtslosen Tatkraft Professor Stillers war es zuzuschreiben, daß sich nach endlosen Kämpfen, schwerstem Ärger und Verdruß mit Blieder und Schnabel der Bau des Weltenseglers im großen und ganzen in den Formen hielt, die ihm der Gelehrte selbst gegeben.

      Aber gestern mittag, als Professor Stiller die Baustätte besuchte, um sich von der endlichen richtigen Fertigstellung des Ganzen zu überzeugen, an dem seit vielen Monaten eifrig gearbeitet, und dessen Vollendung bereits in die Welt hinausposaunt worden war (Blieder und Schnabel waren die Trompeter), da hatte Professor Stiller in hellem Zorne wahrnehmen müssen, wie gerade einige seiner wichtigsten Anordnungen von den Erbauern übersehen worden waren. Die Arbeit, die bereits ruhte, mußte wieder von neuem aufgenommen werden, und von neuem flickte man am Weltensegler herum. Dadurch verzögerte sich natürlich der Aufstieg, unter Umständen stand sogar das Gelingen der Expedition in Frage. Es war einfach, um aus der Haut und nicht nach dem Mars zu fahren!

      Wütend kam Professor Stiller nach Hause. Er brauchte mehrere Stunden, um seinen Grimm zu meistern und sein gestörtes seelisches Gleichgewicht wiederzuerlangen. Unmittelbar am Ziele seiner schon so lange gehegten Wünsche, und nun von neuem auf die Geduldsprobe gestellt, das ertrage, wer vermag! Professor Stiller konnte es nicht, und so kam es, daß er, unfähig zu ernster Arbeit, mehrere Stunden in seinem Observatorium damit zubrachte, sein etwas rasches, feuriges Blut zu beruhigen und den Ärger zu überwinden.

      Jetzt saß der Gelehrte, eingehüllt in einen bequemen, molligen Schlafrock, in seinem von der Sonne durchfluteten, geräumigen Studierzimmer, die Beobachtungen der Nacht verarbeitend. Das Ergebnis war sehr günstig. Jetzt, oder für lange Zeit, vielleicht für viele Jahre nicht mehr, war es möglich, von der Erde aus den Mars zu erreichen. Es ist ein großer Unterschied, ob ein Gestirn von der Erde nur 59 oder 400 Millionen Kilometer entfernt ist. Der Mars hatte augenblicklich das Maximum seiner Erdnähe erreicht und befand sich genau 59 Millionen Kilometer von seinem Nachbar entfernt. Die langen Berechnungen des Professors hatten dies ergeben. Mit der Expedition durfte daher nicht mehr lange gesäumt werden; jeder beträchtliche Zeitverlust mußte auf das peinlichste vermieden werden. Wollte man den sich rasch von der Erde wieder entfernenden Planeten unter vollster Ausnützung der gerade bestehenden günstigen Gravitationsverhältnisse, der natürlichen, gesteigerten Anziehungskraft überhaupt erreichen, so mußte mit jeder Stunde gerechnet werden.

      „Und da müssen gerade in diesem so überaus günstigen Augenblick die beiden Langohre da unten“ – Professor Stiller schaute bei diesen Worten von seinem Studierzimmer hinab gen Cannstatt – „einen kleinen Strich durch meine Rechnung machen!“ Eine Blutwelle neu sich regenden Zornes stieg dem Professor gegen den Kopf.

      Da wurde an die Tür des Zimmers geklopft. Auf das laute Herein des Gelehrten erschien dessen Diener und meldete die Herren Blieder und Schnabel. „Lupus in fabula!“ lächelte Professor Stiller vor sich hin, erinnerte sich aber plötzlich, daß er gestern auf dem Wasen die beiden Herren zu sich bestellt hatte und zwar für heute auf zwölf Uhr mittags. Ein Blick auf die Uhr bewies die Pünktlichkeit der Besucher. Der Professor erhob sich von seinem Stuhle und gab den Befehl, die Herren hereinzuführen.

      „Pünktlichkeit ist Höflichkeit!“ Mit diesen Worten begrüßte Professor Stiller die Eintretenden. „Nehmt Platz,“ fuhr er fort, „und sagt mir sofort, ob binnen vier Tagen die von mir gestern gerügten Ausstände am Weltensegler in Ordnung gebracht werden können; denn nächste Woche müssen wir unbedingt hinauf, koste es, was es wolle.“

      „Ich wüßte wirklich von keinem nennenswerten Fehler meinerseits, der den Aufstieg des Luftschiffes hindern könnte,“ meckerte Blieder mit seiner blechernen Stimme.

      „Was?“ schrie der Professor erbost, „muß ich dir altem Baumeister, dem vor lauter Genialität allerdings nichts einfällt, nochmals das wiederholen, was ich dir gestern tadelnd sagte?“

      An Stelle der Antwort begnügte sich Blieder, mit den Achseln zu zucken.

      „In der geschlossenen Gondel kann ich keine Glasfenster brauchen, das könntest du wissen, um so mehr, als ich dieses wichtigen Umstandes bereits am Anfange, beim Entwurf des Planes gedachte,“ entgegnete der Gelehrte.

      „Ja, aber warum? Ich sehe wirklich nicht ein . . .“

      „Mein lieber Blieder, du siehst allerdings weder ein noch aus. Deine in die Gondel eingesetzten Spiegelgläser sind hart und spröde, den gewaltigen niederen Temperaturen im Ätherraum gegenüber völlig widerstandslos. Also hinaus mit den Gläsern, weg mit ihnen und ersetze sie durch elastischen, widerstandsfähigen Glimmer. Der hält alle Temperaturen über und unter Null gleich gut aus. Zwei Tage Zeit hast du dazu, und in diesen muß die Änderung gemacht sein.“

      „Aber wenn . . .“ begann Blieder, wurde aber heftig durch den Professor unterbrochen.

      „Es gibt weder ein Wenn noch ein Aber. Sei froh, daß ich dir in Anbetracht der Kürze der Zeit die mancherlei andern Unebenheiten hingehen lasse, deren du dich bei der Konstruktion schuldig gemacht hast. Aber eine wichtige Sache muß noch verbessert werden. Du dachtest nämlich nicht mehr daran, obgleich du auch darauf aufmerksam gemacht wurdest, daß eine Gondel, die während einer bestimmten Zeit der Aufenthaltsraum für eine mehrköpfige Gesellschaft sein soll, auch eine Klappe für allerlei Abfallstoffe haben muß. Wir benötigen ein paar solcher doppelten, auf das dichteste schließenden Klappen, und zwar rechts- und linksseitig, beileibe nicht am Boden.“

      „Dort wären sie aber am einfachsten anzubringen.“

      „Glaube ich,“ erwiderte spöttisch lächelnd Professor Stiller, „wir wünschen aber nicht unterwegs aus der Gondel zu