Название | Visionen und andere phantastische Erzählungen |
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Автор произведения | Turgenev Ivan Sergeevich |
Жанр | Русская классика |
Серия | |
Издательство | Русская классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
Der Wald, in den ich geraten war, war so dicht, daß ich nur mit großer Mühe die Stelle erreichte, wo der Vogel hingefallen war; in nicht allzu großer Entfernung schlängelte sich durch den Wald ein Fahrweg, und auf diesem kamen gerade Seite an Seite und im Schritt meine Schöne und der Mann, der mich gestern eingeholt hatte, geritten; ich erkannte den Mann am Schnurrbart. Sie ritten langsam und schweigend und hielten einander an den Händen; die Pferde gingen im Schritt, schwankten träge von der einen Seite auf die andere und reckten die schönen Köpfe. Nachdem ich mich vom ersten Schreck – ja, es war ein Schreck: eine andere Bezeichnung kann ich für das Gefühl, das sich meiner plötzlich bemächtigte, gar nicht finden… nachdem ich mich vom ersten Schreck erholt hatte, heftete ich auf sie meinen trunkenen Blick. Wie schön sie war! Wie herrlich hob sich ihre schlanke Gestalt vom smaragdgrünen Hintergrund ab! Weiche Schatten, zarte Lichter huschten leise über ihr langes graues Reitkleid, über ihren feinen, leichtgebeugten Hals, über ihr zartes Gesicht, ihre glänzenden schwarzen Haare, die in üppigen Flechten unter dem niederen Hut hervorquollen. Wie soll ich aber jenen Ausdruck vollkommener, leidenschaftlicher, stummer Seligkeit schildern, den alle ihre Züge atmeten! Ihr Köpfchen schien von der Last dieser Seligkeit gebeugt; aus den dunklen, halbgeschlossenen Augen sprühten feuchtglänzende goldene Funken; sie blickten nirgends hin, diese seligen Augen, die feinen Brauen senkten sich über sie. Ein unbestimmtes kindliches Lächeln, das Lächeln grenzenloser Freude schwebte um ihre Lippen; der Überfluß von Glück hatte sie gleichsam ermüdet, sie schien beinahe gebrochen, ebenso wie unter einer allzu üppig aufgegangenen Blüte oft der Stengel zusammenbricht; ihre beiden Hände ruhten kraftlos: die eine in der Hand ihres Begleiters, die andere auf dem Schopf des Pferdes. Ich hatte Zeit gehabt, sie zu beobachten und mir genau einen jeden ihrer Züge zu merken; aber auch seine Züge prägte ich mir ein… Er war ein schöner großer Mann mit nicht russischem Gesicht. Er sah auf sie selbstbewußt, befriedigt und, wie ich in seinen Augen lesen konnte, nicht ohne einen gewissen geheimen Stolz. Er betrachtete sie mit Wohlgefallen, der Schurke; er weidete sich an ihrem Anblick, war wohl sehr mit sich selbst zufrieden, schien aber zugleich eigentümlich gerührt… Und in der Tat: welcher Mann verdient wohl die Hingebung eines so schönen Geschöpfes, welche noch so schöne Seele wäre wert, einer anderen Seele ein solches Glück zu schenken?.. Ich muß gestehen, daß ich ihn beneidete!.. Indessen waren die beiden bis zu mir herangekommen; mein Hund sprang aus dem Gesträuch und bellte sie an. Die Unbekannte zuckte zusammen, sah sich rasch um, und als sie mich erblickte, versetzte sie ihrem Pferd einen heftigen Schlag mit der Reitpeitsche. Das Pferd schnaubte, bäumte sich, warf beide Vorderbeine empor und flog im Galopp dahin… Der Mann gab im gleichen Augenblick seinem Rappen die Sporen, und, als ich nach einigen Augenblicken den Waldrand erreicht hatte, ritten die beiden schon in golden schimmernder Ferne über das Feld, sich anmutig in ihren Sätteln wiegend… sie ritten aber nicht in der Richtung zum Landsitze.
Ich blickte ihnen nach… Die Sonne übergoß sie noch zum letzten Male mit ihren Strahlen, bevor sie hinter dem Hügel verschwanden. Ich blieb noch eine Weile stehen, kehrte dann langsam in den Wald zurück, setzte mich am Wege und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Ich wußte, daß es nach der Begegnung mit einem Unbekannten genügt, die Augen zu schließen, um sich sofort sein Bild zu vergegenwärtigen; ein jeder kann die Richtigkeit dieser Wahrnehmung auf der Straße nachprüfen. Je bekannter uns ein Gesicht ist, um so schwieriger wird es, es sich auf diese Weise zu vergegenwärtigen, um so verschwommener zeigt sich uns sein Bild; an ein bekanntes Gesicht können wir uns wohl erinnern, können es uns aber nicht vergegenwärtigen… unser eigenes Gesicht können wir uns aber ganz unmöglich vorstellen… Wir kennen wohl jeden einzelnen Zug unseres Gesichtes, können uns aber daraus kein ganzes Bild aufbauen. Ich setzte mich also hin und schloß die Augen, – und sofort sah ich die Unbekannte vor mir, ihren Begleiter, die Pferde, und alles… Besonders deutlich sah ich das lächelnde Gesicht des Mannes. Ich betrachtete es aufmerksamer… es verwischte sich und verschwand in einem blauroten Nebel, und gleich darauf zerrann auch ihr Bild und wollte nicht wiederkommen. – Ich erhob mich. »Nun, jetzt habe ich sie wenigstens gesehen, habe beide deutlich gesehen,« sagte ich mir, »nun bleibt mir nur noch die Namen zu erfahren.« Ja, die Namen! Welch eine kleinliche, unnötige Neugier! Ich schwöre aber, es war nicht Neugier, die mich so bewegte: es erschien mir einfach unsinnig, nach diesen seltsamen zufälligen Begegnungen nicht wenigstens ihre Namen zu erfahren. Mein früheres ungeduldiges Erstaunen war übrigens verschwunden: ich hatte nur ein seltsam trauriges verworrenes Gefühl, dessen ich mich ein wenig schämte… Es war Neid…
Ich beeilte mich nicht, zum Landsitze zurückzukehren. Offen gesagt, schämte ich mich, so hartnäckig einem fremden Geheimnis nachzuspüren. Auch hatte mich das Erscheinen des Liebespaares bei Tageslicht, so seltsam es auch war, ich will nicht sagen beruhigt, so doch etwas abgekühlt… Ich fand in diesem Erlebnisse nichts Übernatürliches, nichts Wunderbares mehr… nichts, was einem unerfüllbarem Traum ähnlich wäre…
Ich machte mich wieder an die Jagd, wenn auch mit größerem Eifer als vorhin, so doch ohne rechte Begeisterung. Ich stieß auch auf eine Auerhahnfamilie, die für etwa anderthalb Stunden meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm… Die jungen Vögel wollten auf meine Lockpfiffe lange nicht antworten, wahrscheinlich pfiff ich nicht »objektiv« genug. – Die Sonne stand schon ziemlich hoch (die Uhr zeigte auf zwölf), als ich meine Schritte wieder nach dem Landsitze richtete. Ich ging nicht zu schnell. Da blickte mich plötzlich vom Hügel aus das kleine Haus an… Mein Herz begann wieder zu beben. Ich kam näher… und sah, nicht ohne eine heimliche Freude, Lukjanytsch wie gewöhnlich auf der Bank vor seinem Häuschen sitzen. Das Tor war geschlossen… die Fensterläden auch.
»Grüß Gott, Onkel!« rief ich ihm noch aus der Ferne zu. »Willst dich wohl wieder in der Sonne wärmen?«
Lukjanytsch wandte mir sein hageres Gesicht zu und lüftete stumm die Mütze.
Ich trat näher.
»Grüß Gott, Onkel,« wiederholte ich so freundlich, wie ich es nur konnte, um ihn milder zu stimmen. »Hast du ihn denn noch nicht gesehen?« fügte ich hinzu, als ich meinen neuen Viertelrubel noch immer auf der Erde liegen sah.
Ich zeigte auf die Silbermünze, die aus dem kurzen