Название | Visionen und andere phantastische Erzählungen |
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Автор произведения | Turgenev Ivan Sergeevich |
Жанр | Русская классика |
Серия | |
Издательство | Русская классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
Ich hatte sehr schlecht geschlafen und war schon beim ersten Morgengrauen auf den Beinen. Ich kleidete mich schnell an, nahm mein Jagdgewehr und begab mich direkt zum Landsitz. Meine Ungeduld war so groß, daß ich das mir bekannte Tor noch während des Sonnenaufganges erreichte. Ringsherum sangen die Lerchen, und auf den Birken schrien die Dohlen, doch im Hause schien noch alles in tiefem Morgenschlaf zu liegen. Sogar der Hund schnarchte noch am Zaune. Von Erwartung und Ungeduld gequält und beinahe erbost ging ich im taubedeckten Grase auf und ab und blickte immerfort auf das niedere unansehnliche Haus, das in seinen Mauern jenes geheimnisvolle Wesen barg… Plötzlich knarrte leise die Gartenpforte und auf der Schwelle erschien Lukjanytsch. Er war mit einem merkwürdigen gestreiften Halbrock bekleidet, und sein langgezogenes Gesicht erschien mir mürrischer als je. Er sah mich nicht ohne Erstaunen an und wollte die Pforte gleich wieder schließen.
»Du, mein Lieber!« rief ich ihm schnell zu.
»Was suchen Sie hier um diese frühe Stunde?« fragte er mich gedehnt und dumpf.
»Sag mir bitte, man sagt, daß eure Herrin angekommen sei?«
Lukjanytsch schwieg eine Weile.
»Ja, sie ist angekommen…«
»Allein?«
»Mit der Schwester.«
»Hatten sie nicht gestern abend Besuch?«
»Nein.«
Mit diesen Worten zog er wieder die Pforte an sich.
»Warte, warte, mein Lieber… einen Augenblick…«
Lukjanytsch hüstelte und krümmte sich vor Kälte.
»Was wollen Sie denn eigentlich?«
»Sage mir bitte, wie alt ist deine Gnädige?«
Lukjanytsch sah mich mißtrauisch an.
»Wie alt die Gnädige ist? Ich weiß nicht. Sie wird wohl über die Vierzig sein.«
»Über die Vierzig! Und die Schwester?«
»Etwas jünger als vierzig.«
»Ist's möglich! Ist sie schön?«
»Wer? Die Schwester?«
»Ja, die Schwester.«
Lukjanytsch lächelte.
»Ich weiß nicht, das kommt auf den Geschmack an. Ich finde sie nicht schön.«
»Wieso?«
»Sie ist schon gar zu unansehnlich. Ein wenig kränklich.«
»So! Und ist außer den beiden niemand hergekommen?«
»Niemand. Wer sollte denn noch herkommen?«
»Es kann ja nicht sein!.. Ich…«
»Ach Herr! Sie werden mit Ihren Fragen wohl nie aufhören,« sagte der Alte geärgert. »Es ist auch zu kalt! Adieu!«
»Warte noch… Da hast du was!..« Ich reichte ihm einen Viertelrubel, den ich für ihn vorbereitet hatte; meine Hand stieß aber an die Pforte, die er mir vor der Nase zuschlug. Das Silberstück fiel zu Boden und rollte mir vor die Füße.
– Du alter Schwindler! – sagte ich mir. – »Don Quixote von La Mancha! Man hat dir wohl befohlen, zu schweigen… Warte nur, mich wirst du nicht anführen…«
Ich gab mir das Wort, die Sache um jeden Preis aufzuklären. Etwa eine halbe Stunde ging ich noch unschlüssig auf und ab. Endlich beschloß ich, mich zunächst im Dorfe zu erkundigen, wem eigentlich das Gut gehöre und wer augenblicklich darin wohne; dann wollte ich wieder zurückkehren und nicht eher fortgehen, als bis ich die Sache aufgeklärt haben würde. – Die Unbekannte muß doch früher oder später das Haus verlassen, und da werde ich sie endlich bei Tageslicht als einen lebendigen Menschen und nicht als Gespenst sehen. – Bis zum Dorfe mochte es eine Werst sein, ich begab mich aber schnell und rüstig dorthin: in meinem Blute siedete es, ich war ungewöhnlich kühn und entschlossen; die frische Morgenluft wirkte auf mich nach der unruhigen Nacht stärkend und zugleich aufregend. Im Dorfe erfuhr ich von zwei Bauern, die gerade an ihre Feldarbeit gingen, alles, was ich überhaupt erfahren konnte: nämlich, daß das Gut ebenso wie das Dorf, in dem ich mich befand, Michailowskoje hieß, daß es der Majorswitwe Anna Fjodorowna Schlykowa gehöre, daß diese noch eine unverheiratete Schwester Pelageja Fjodorowna Badajewa habe, daß beide reich seien, auf ihrem Gute fast nie lebten, meistens herumreisten, daß sie bei sich außer zweien leibeigenen Dienstmädchen und einem Koch niemand hätten und daß Anna Fjodorowna in diesen Tagen mit ihrer