Название | Sämmtliche Werke 4: Mirgorod |
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Автор произведения | Gogol Nikolai Vasilevich |
Жанр | Классическая проза |
Серия | |
Издательство | Классическая проза |
Год выпуска | 0 |
isbn |
Die Sjetsch bestand aus mehr als sechzig Niederlassungen, die ebenso viele völlig voneinander unabhängige Republiken darstellten. Sie glichen Schulen oder Seminaren, deren Zöglinge in der Anstalt gekleidet und beköstigt werden. Niemand besaß etwas, oder legte sich Vorräte an, alles befand sich in den Händen des Kosakenhauptmanns, den man deshalb auch gewöhnlich „Väterchen“ nannte. Er verwaltete das Geld, die Kleidung, den gesamten Speisevorrat, den Roggen- und Weizenteig, die Grütze und sogar das Heizmaterial: auch das Barvermögen wurde ihm zur Aufbewahrung gegeben. Zwischen den einzelnen Niederlassungen brachen des öfteren Streitigkeiten aus, die sogleich in Schlägereien ausarteten. Der Marktplatz füllte sich mit den Bewohnern der Dörfer, und man bearbeitete sich so lange mit den Fäusten, bis irgend eine Partei niedergekämpft war, und dann begann ein Zechgelage und ein großer Jubel. Das war die Sjetsch, die eine so starke Anziehungskraft auf die jungen Leute ausübte.
Ostap und Andrij stürzten sich mit der ganzen Leidenschaft der Jugend in dieses Freudenmeer, vergaßen schnell das väterliche Haus, das Seminar und alles, was ihre Seele bisher bewegt hatte, und gaben sich ganz dem neuen Leben hin. Alles fesselte sie hier: die wilden Sitten der Sjetsch, ihr einfaches Gerichtswesen und ihre Gesetze, die ihnen freilich manchmal für eine freie Republik gar zu streng erschienen. Wurde ein Kosak beim Diebstahl irgend einer Kleinigkeit ertappt, so galt dies für eine dem gesamten Kosakentum zugefügte Beleidigung: er wurde für ehrlos erklärt, an den Schandpfahl gebunden, und es wurde eine Holzkeule neben ihn gelegt, mit der jeder Vorübergehende ihm einen Schlag versetzen mußte, bis man ihn zu Tode gemartert hatte. Den säumigen Schuldner schmiedete man mit einer Kette an eine Kanone, wo er so lange gefesselt blieb, bis einer seiner Kameraden ihn auslöste und seine Schuld beglich. Den stärksten Eindruck aber übte die unerhört grausame Strafe, mit der der Mord bestraft wurde, auf Andrij aus: vor den Augen des Verurteilten wurde eine Grube gegraben, in die er lebendig hinabgestürzt wurde, dann senkte man den Sarg mit dem Leichnam des Ermordeten in die Grube hinab und schüttete Erde darüber. Noch lange nachher mußte Andrij an diesen entsetzlichen Brauch zurückdenken, und fortwährend stand der mitsamt dem grauenhaften Sarge lebendig begrabene Mensch vor seinen Augen.
Die beiden jungen Kosaken wurden schnell beliebt bei ihren Kameraden. Oft begaben sie sich mit ihren Lagergenossen und zuweilen auch mit dem ganzen Bezirk oder auch mit benachbarten Niederlassungen in die Steppe zur Jagd auf unabsehbare Scharen von Vögeln, Hirschen und Ziegen, oder sie zogen bis an die Seen, Bäche und Ströme, die jedem Dorf durch das Los zugeteilt wurden, um zu angeln, ihre Netze auszuwerfen und reiche Beute für ihr Lager mitzubringen. Obgleich es keine Wissenschaften gab, in der der Kosak geprüft wurde, machten sie sich doch unter den andern jungen Leuten durch ihre ehrliche Kühnheit und ihre Erfolge bemerkbar. Gewandt und sicher schossen sie ins Ziel und durchschwammen den Dnjepr selbst gegen die Strömung: eine Tat, für die der Neuling feierlich in den Kreis der Kosaken aufgenommen wurde.
Jedoch der alte Taraß sah sich nach einer anderen Tätigkeit für sie um. Das müßige Leben seiner Söhne war nicht nach seinem Wunsch: er verlangte ernstere Aufgaben für sie. Oft dachte er nach, wie er die Sjetsch zu einem kühnen Zuge bewegen könne, bei dem es eine einem Ritter geziemende Betätigung gab. Endlich aber ging Taraß eines Tages zum Hauptmann und sagte ohne Umschweife zu ihm: „Hauptmann, es wär’ Zeit, daß die Saporoger sich wieder einmal tüchtig austobten.“
„Es ist keine Gelegenheit dazu vorhanden,“ antwortete der Hauptmann, indem er seine kleine Pfeife aus dem Munde nahm und ausspuckte.
„Was, keine Gelegenheit? Man könnte doch gegen die Türken oder gegen die Tataren losgehen!“
„Nein, das kann man nicht. Weder gegen die Türken noch gegen die Tataren,“ antwortete der Hauptmann und steckte kaltblütig seine Pfeife zwischen die Zähne.
„Und warum nicht?“
„Weil wir dem Sultan versprochen haben, Frieden zu halten.“
„Aber er ist doch ein Mohammedaner, und Gott und die heilige Schrift befehlen, die Heiden auszurotten!“
„Wir haben kein Recht dazu. Ja, wenn wir nicht bei unserm Glauben geschworen hätten, dann ginge es vielleicht, so aber ist es unmöglich.“
„Warum unmöglich? Wie kannst du sagen, wir hätten kein Recht dazu? Sieh mal, ich habe zwei Söhne, beide sind junge Burschen. Weder der eine noch der andere war ein einziges Mal in der Schlacht, und da behauptest du, wir hätten kein Recht dazu, und sagst, die Saporoger dürften nicht in den Kampf ziehen!“
„Nein, es geht nicht.“
„Wie es scheint, soll wohl die ganze Kosakenkraft unnütz vergeudet werden, der Mensch soll wohl tatenlos faulen wie ein Hund, und weder das Vaterland noch die ganze Christenheit soll einen Nutzen von ihm haben? Wozu leben wir denn da – warum zum Teufel leben wir denn überhaupt? Bitte, erkläre mir das! Du bist ein kluger Mensch, sie haben dich nicht umsonst zum Hauptmann gewählt; also sprich: wozu leben wir?“
Der Hauptmann antwortete nicht auf diese Frage. Er war ein starrköpfiger Kosak. Er schwieg eine Weile still und meinte dann: „Einen Krieg gibt es dennoch nicht!“
„Es