Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band. Hugo Friedländer

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Название Pitaval des Kaiserreichs, 4. Band
Автор произведения Hugo Friedländer
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Год выпуска 0
isbn 9783754958056



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schon früher bekannt. Ich war früher eine Zeitlang für Dr. Stroußberg tätig. Herr v. Schleinitz, der sich mir als Vetter des königlichen Hausministers vorstellte, sagte mir: Er habe großen Einfluß bei Hofe und selbst auf die

       Entschließungen des Kaisers.

      Er könne bei dem Monarchen so manches durchsetzen. Ich suchte deshalb die Freundschaft des Freiherrn v. Schleinitz; dadurch wurde ich in der Hauptsache mit den Redakteuren des »Unabhängigen« bekannt. Angekl. Dr. Vogelsang: Er habe niemals eine Zeile für den »Unabhängigen« geschrieben; er sei mit den Redakteuren bekannt geworden, da Grünewald ihn um Beschaffung von Inseraten gebeten habe. Er sei selbst einmal im »Unabhängigen« angegriffen worden.

      Angekl. Sawatzki: Er habe niemals nähere Beziehungen mit den Redakteuren des »Unabhängigen« unterhalten.

      Der erste Zeuge war Agent Priest. Er bekundete: Er habe eine gegen den Angeklagten Grünewald gerichtete Broschüre unter dem Titel: »Sizilianische Zustände, literarische Räuberbande in Berlin« erscheinen lassen. Das Material habe er von dem Redakteur Wasinski erhalten. Letzterer sei eine Zeitlang in der Redaktion des »Unabhängigen« tätig gewesen und habe infolgedessen volle Kenntnis über das Treiben der Redakteure erhalten. Er habe die Broschüre geschrieben, weil mehrere Bekannte von ihm im »Unabhängigen« angegriffen waren. Persönlich habe er keine Wahrnehmungen gemacht. Grünewald habe aus Anlaß der Broschüre die Privatbeleidigungsklage gegen ihn angestrengt.

      Laufbursche Meising: Er sei Redaktionsdiener im »Unabhängigen« gewesen. Sobald Lodomez im Redaktionsbureau erschien, sei er von Grünewald oder Sponholz zum Verlassen des Zimmers aufgefordert worden.

      Redakteur Dr. Lipka: Er habe auf Aufforderung des Sponholz mehrere Artikel für den »Unabhängigen« geschrieben und dafür von Grünewald Bezahlung erhalten. Er habe auch einen Artikel gegen Herrn Rudolf Mosse geschrieben. Zur Zeit der Wahlbewegung habe ihn Sponholz ersucht, einen Artikel gegen eine bedeutendere Persönlichkeit aus der Börsenwelt zu schreiben. Im Bureau des »Unabhängigen« habe man sehr flott gelebt, insbesondere sehr opulent gefrühstückt.

      Baumeister Piater: Er sei durch mehrere Artikel, welche der Berichterstatter Bennemann in einzelne Berliner Zeitungen und in den »Unabhängigen« lanciert habe, arg geschädigt worden. Er habe alles mögliche unternommen, um gegen diese Artikel vorzugehen und habe auch einmal Herrn Dr. Vogelsang sein Leid geklagt; dieser habe aber geantwortet: »Zahlen Sie, hier kommen Sie bloß los, wenn Sie den Leuten Geld bezahlen.« Er wisse nun auch, daß Oskar Bennemann seinerzeit bei dem Falle Fedor Berg Artikel geschrieben habe, die jedoch unterblieben, nachdem Frau Berg dem Bennemann 1000 Mark gezahlt hatte. Er selbst habe aber gar keine Lust gehabt, Geld zu bezahlen, er habe sich vielmehr vorgenommen, mit allen seinen Kräften gegen die »Preßpiraten« vorzugehen. Er habe deshalb auch wiederholte Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft erstattet, diesen sei aber niemals Folge gegeben worden; deshalb habe er Material für das Wasinskische Flugblatt geliefert.

      Angekl. Grünewald gab zu, mit Bennemann in Verbindung gestanden zu haben; er erkannte auch zwei Postkarten an, von denen die eine lautete: »L. Grünewald. Wo kann man denn Euch Banditen vom ›Unabhängigen‹ des Abends habhaft werden? Man plaudert doch mal gern ein Stündchen. Willst Du ein hübsches Reiterstückchen von Fedor Berg haben? Besten Gruß, alter Junge! Dein Bennemann.«

      Kaufmann Lewinsohn: Er wurde in mehreren Artikeln des »Unabhängigen« angegriffen. Dr. Vogelsang habe ihm geraten, die Angriffe durch Geldzahlung zu unterdrücken. Er habe dies aber nicht getan, da er erfahren hatte, daß die Artikel von dem Zuchthäusler Bennemann und Grünewald ausgehen. Er habe schließlich, da die Artikel nicht aufhörten, gegen Grünewald die Privatbeleidigungsklage angestrengt.

      Graf v. Hessenstein: Er sei Aufsichtsratsmitglied der Sternbergschen Vereinsbank und sei ebenfalls im »Unabhängigen« angegriffen worden. Eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft sei erfolglos gewesen. Er habe schließlich an Dr. Vogelsang 50 Mark gezahlt, von diesem Augenblick ab hörten die Angriffe auf.

      Hypothekenmakler Westernhagen bekundete, daß infolge Zahlung eines größeren Geldbetrages die Angriffe im »Unabhängigen« gegen ihn aufgehört haben.

      Es gelangte ferner folgender Fall zur Verhandlung:

      Rentier Otten in Lübeck, der im Jahre 1880 die Tochter des am 3. Juni 1879 verstorbenen Weinhändlers Georg Theodor Pflüg in Lübeck geheiratet hatte, war der Meinung, daß diese von ihrem Bruder, dem Weinhändler Georg Pflüg in Lübeck, bei der Erbteilung übervorteilt sei. Da er Ende Mai 1882 hier in Berlin erfuhr, daß der frühere Portier Lodomez hiesiger Vertreter des Geschäfts gewesen, so fragte er diesen nach dem Wert der in der Inventur vom 31. Dezember 1879 aufgeführten Weinbestände, ersuchte ihn auch um Rat und vertraute ihm gedrucktes Material über die Streitsache an, welches Lodomez angeblich den Rechtsanwälten Drews und Hentig vorlegen wollte. Als Otten am 1. oder 2. Juni von hier wieder abreisen wollte, erschien Lodomez in dem Hotel und erhob einen Anspruch auf Bezahlung. Otten lehnte dies ab, warf aber ein Zwanzigmarkstück aus dem Wagen, das Lodomez aufhob. Inzwischen hatte Lodomez aber auch schon an Pflüg eine Depesche folgenden Inhalts geschickt: »Ihr eigenes Interesse erfordert dringend persönliche Anwesenheit hier. Gefahr im Verzuge. Lodomez.« Pflüg telegraphierte ablehnend, mußte aber aus anderer Veranlassung nach Berlin und traf hier auf dem Bahnhofe Lodomez, der inzwischen noch ein Telegramm abgesandt hatte. Lodomez teilte ihm mit, daß ein gewisser Moritz Guhrauer den Ottenschen Nachlaßanspruch kaufen und daß »sie Familien- und Geschäftspapiere, welche den Pflüg beträfen, veröffentlichen wollten.« Er riet ihm gleichzeitig, ein gutes Stück Geld in die Hand zu nehmen, um die Sache totzumachen. Pflüg wies diesen Vorschlag ab. Nach seiner Rückkehr nach Lübeck telegraphierte er aber auf Wunsch seiner Schwester, der Frau Otten, an Lodomez: »Die Sache hinhalten.« Lodomez telegraphierte am 1. Juni 1882 zurück: »Wenn Sie mir 30000 Mark garantieren, will, um hinauszuschieben, versuchen, durch Anbietung eines höheren Preises einen provisorischen Vertrag auf acht Tage zu erreichen. Lodomez.« Dann folgte ein weiteres Telegramm vom 6. Juni, worin Lodomez einen zweiten Zentralstraßenprozeß androhte. Als Herr Pflüg an demselben Tage 300 Mark an Lodomez eingesandt hatte, depeschierte dieser unterm 8. Juni: »Sendung für derlei Sache kaum nennenswert. Trotz Dank. Otten leitet Revision dort oder nahe Hamburg, Abschluß für 230000 soll in einigen Tagen erfolgen. Lodomez«. Zu den Telegrammen gesellten sich noch drei Briefe, in denen Lodomez Rat erteilte, versicherte, daß er nicht umsonst arbeiten könne; käme die Affäre ans Tageslicht, so würde sich Pflügs Konkurrenz ihrer bemächtigen und ihn unmöglich machen, während er, Lodomez, zu geeigneter Stunde vielleicht noch einen Keil hineinschieben könne. Dazu gehöre aber Geld. Der Hauptreflektant solle ein Hamburger sein, der Hauptakteur scheine noch nicht hier zu sein, solle aber bald zum provisorischen Abschlusse nach Berlin kommen. Der Preis solle 230000 Mark betragen.

      In einem späteren Briefe heißt es: »Der Verkäufer beansprucht jetzt 500000 Mark und der provisorische Abschluß ist deshalb nicht erfolgt, es gibt vielleicht Mittel und Wege, die Sache für immer totzumachen.« Nachdem Pflüg auch hierauf ablehnend geantwortet hatte, trat Hauptmann a.D.v. Schleinitz in Aktion. Diesem übergab Lodomez die ihm anvertrauten und von ihm zurückbehaltenen Papiere. Als Pflüg im September 1882 abermals in Berlin war, suchte v. Schleinitz eine Unterredung mit ihm nach und teilte ihm mit, daß er im Besitze eines reichhaltigen, ihn kompromittierenden Materials sei, welches im »Unabhängigen« und im »Börsen-Kurier« veröffentlicht werden sollte. Er legte ihm einen großen Pack Papiere vor und fragte ihn, ob er sie kaufen wolle, wobei er einen hohen Preis andeutete. Pflüg erwiderte, daß er sich zu nichts verstände, ließ jedoch später dem v. Schleinitz durch seinen hiesigen Vertreter 1200 M. zahlen, da Schleinitz außer mit seinem Ehrenwort auch schriftlich am 4. Oktober versichert hatte, er wolle mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln dagegen wirken, daß in der Berliner und der auswärtigen Presse irgend etwas Nachteiliges über Pflüg oder dessen Firma publiziert werde. Trotzdem schrieb v. Schleinitz schon vier Tage darauf an Lodomez: »In Sachen P. wird ein großes Geschäft zustande kommen, falls Sie in der Lage sind, dafür zu sorgen, daß Otten Ende der Woche nach hier kommt. Ich habe eine feste Offerte... Am Mittwoch bitte um Ihren werten Besuch, um Ihnen alles mitteilen zu können; ich glaube, wir werden reüssieren, falls eben eine Offerte auch