Название | Der Nackt-Scanner |
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Автор произведения | Ernst von Wegen |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742778727 |
„Ich freue mich schon auf unser nächstes TV-Duell. Und wenn Sie auch nur ein Wort davon erwähnen, was hier mit uns geschehen ist, Immo, ich schwör’s, dann kastriere ich Sie.“
Da war sie schon wieder ganz die Suffragette Amelie Blank. Ich versprach ihr hoch und heilig, niemals darüber zu reden.
Und Sie, liebe Leser, halten doch dicht, oder?
*
Meiner Katja erzählte ich schon aus Konditionsgründen nichts von dieser Affäre. Wahrscheinlich hätte sie ohnehin gesagt:
„Komm, übertreib es nicht, das nimmt dir doch keiner ab!“
Später überraschte Amelie Blank die Öffentlichkeit mit Sätzen wie:
„Selbstverständlich haben Frauen eine Sexualität. Es ging nie darum, der Frau die Lust auszureden. Es ging immer nur darum, dem Mann begreiflich zu machen, dass er die Frau nicht zum Ejakulationsautomaten degradieren darf.“
So hatte Hugenbachs Schnapsidee auf Umwegen dazu geführt, dass der öffentliche Blickwinkel auf die Sexualität sich geringfügig verschob. Und da soll noch einer behaupten, Intellektuelle bewegen nichts.
Nach meinem kleinen Ausflug in den großen, strahlenden Medienzirkus fand ich mich in meiner staubtrockenen Schreibstube wieder und hoffte auf ein weiteres Zuspiel des Zufalls, der mir in den letzten Wochen so gnädig gewesen war. Und er ließ auch nicht lange auf sich warten. Wenngleich ich ehrlicherweise anfügen muss, dass eine „liebe Freundin“ diesem Zufall auf die Sprünge geholfen hatte.
Kapitel 5
Die Vögel zwitscherten, aus Büschen und Bäumen drang zaghaft aber unaufhaltsam ein erstes zartes Grün, die Sonne schien und ich machte mir in der Garage zu schaffen. Genauer: ich wechselte an meinem alten Auto die Winter- gegen die Sommerreifen aus. Übrigens die einzige Tätigkeit außer dem Tanken, die ich am Wagen selbst durchführen kann. Während ich so schraubte, hörte ich vom Weg her ein:
„Uhuh, Herr Polcas!“
Eine der berüchtigten Nordic Walkerinnen winkte mir mit einem ihrer Stöcke übermäßig freundlich zu.
Nordic Walking ist eine typische Trendsportart. Es gibt ja Sportarten, wie gewöhnliches Laufen oder der Speerwurf beispielsweise, die im Laufe der Menschheitsgeschichte aus einer Notwendigkeit heraus entstanden sind und es gibt solche, die künstlich konstruiert werden, sich eine Weile halten und dann wieder verschwinden. Ich müsste mal einen Essay über Sport schreiben. Nun bezweifle ich nicht, dass zwei Stöcke beim Gehen die Wirbelsäule entlasten, aber ich frage mich, wie man erwachsenen Menschen einreden kann, dass diese Stöcke aus Aluminium sein müssen mit linkem und rechten Handgriff, mit drei verschiedenen Arten von Spitzen, und vor allem aber, dass man diese Stöcke eben nicht zur Gewichtsentlastung nutzen, sondern wie Ballast mehr so hinter sich her schleifen soll.
In einer meiner letzten Kolumnen für Die Woche kompakt hatte ich mir einen Scherz erlaubt, um solches Verhalten bloßzustellen: darin berichtete ich von einer Studie der Wisconsin System University, die belegen soll, dass Kaugummi krebserregend sei. Und zwar aus einem einleuchtenden Grund: der kauende und Speichel produzierende Mund signalisiere dem Magen, es sei mit Arbeit zu rechnen, der Magen erhöht seine Säureproduktion, die angekündigte Nahrung aber bleibe aus. Der so erzeugte Säureüberschuss löse Geschwüre aus, die zu 80 % bösartig wären.
Natürlich gab es diese Studie nicht, alles meine Erfindung. Doch in den Leserbriefen und Internetblogs überschlugen sich die Moralisten, die den Verbrechern von der Kaugummi-Industrie das Handwerk legen wollten, gleichzeitig begann das Süßwarengewerbe abzuwiegeln und Gegenstudien zu erfinden. Eine Woche später erläuterte ich dann, dass ich alles nur erfunden hätte, um zu zeigen, dass man mit glaubwürdigen Argumenten, und wenn sie noch falsch waren, den Leuten so ziemlich alles einreden kann. Danach wurden die notorischen Empörer sehr kleinlaut und die Kaugummifuzzis freuten sich. Leider ging damit auch die Beliebtheit meiner Kolumne zurück, weil die Meinungsmitläufer mir nicht mehr über den Weg trauten und immer eine neue Falle witterten.
Wenn Sie mich fragen, steckt hinter Nordic Walking eine ähnlich simple, aber geniale Manipulation, die den Unbedarften das Gefühl gibt, mit dem albernen Herumschleppen zweier Alustangen eine wirkungsvolle Sportart zu betreiben.
Ich sah die erwähnte nordische Walkerin nicht zum ersten Male, aber zum ersten Male grüßte sie mich, und noch dazu so freundlich, ja geradezu vertraut. Ich hob den Kreuzschlüssel zum Gruße. Als ich eine halbe Stunde später den Wagenheber samt Schlüssel mit einem herzhaften „Geschafft!“ zurück in den Kofferraum legte, befand sich die Dame auf dem Rückweg und diesmal winkte sie nicht nur, diesmal kam sie direkt auf mich zu.
„Guten Tag“ sagte sie, „ich bin die Uschi. Uschi Menke, ich wohne unten in Nummer drei...“
Ich sah sie fragend an.
„Im selben Haus wie Lisa Buske, die mit den Pudeln, sie wissen schon...“
‚Oh, Lisa, du Frettchen‘ dachte ich, ‚hast deinen Mund nicht halten können! ‘
„Ja und, “ stellte ich mich dumm, „was kann ich für Sie tun?“
Ungeschickte Frage!
„Oh, eine ganze Menge“ säuselte sie, „Für den Anfang wäre ich mit einem Autogramm schon sehr zufrieden.“
So sah also mein Kapitel 5 aus: Anfang vierzig, leicht übergewichtig, verschwitzt und unsicher hin- und herschwankend zwischen Lust und Scham, zwischen Mut und der Furcht, abgewiesen zu werden.
„Nun“ sagte ich, „gegen den Autogrammwunsch ist nichts einzuwenden, kommen Sie.“
Ein Vergleich drängte sich auf: während Lisas knackiger Po vor mir die Treppe hinauf gehüpft war, wie ein kleiner Gummiball, wuchtete Uschis ihr rundes Gesäß wie einen Medizinball Stufe für Stufe hoch. Mittlerweile hatte Hugenbach Autogrammkarten mit meinem Konterfei drucken lassen, eine davon signierte ich für Uschi. Sie bedankte sich und steckte die Karte in die Seitentasche ihres Jogginganzugs. Oder heißt das Nordic-Walking-Anzug? Vorstellbar wäre es, dass man aus höchstplausiblen Gründen Nordic Walking auf keinem Fall in ordinären Jogginganzügen betreiben kann.
Eine kurze Zeit der Verlegenheit trat ein. Zwar wussten wir beide, worauf es eigentlich hinauslaufen sollte, doch fehlte uns ein Übergang, das Stichwort sozusagen.
„Entschuldigen Sie, ich hab noch schmutzige Hände vom Reifenwechsel, sie gestatten, dass ich mir die Hände wasche?“
„Ich bin total verschwitzt“ sagte sie, „gestatten Sie, dass ich mich kurz abdusche!“
„Donnerwetter“ sagte ich, „sie sind aber sehr geradeaus!“
„Was soll’s, Lisa hat mir alles erzählt, wirklich alles! Aber keine Sorge, es bleibt auch alles ganz unter uns.“
Dann fielen ihre Klamotten von ihr ab wie Herbstlaub und während ich meine Hände mit Seife und Schruppbürste bearbeitete, spülte sich Uschi den Sportlerschweiß vom Körper. Sie sang in der Dusche in holprigem Englisch ein Lied von Meredith Brooks:
„I’m your bitch, I’m your mother, I’m your child, I‘m your lover...“
Wir waren etwa gleichzeitig fertig, sie