DAS GRANDHOTEL. Ursula Hass

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Название DAS GRANDHOTEL
Автор произведения Ursula Hass
Жанр Языкознание
Серия Mystery
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754187357



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Sie war immer noch ganz ruhig. Ein Mann auf einem Balkon gegenüber beobachtete die Szene. Der eine schwarzhaarige Polizist war nett, der andere hatte nur schlechte Laune. Nicht mal richtig schreiben konnte der. Der hatte etwas anderes vor und diese ganze Geschichte war ja auch wirklich suspekt. Weshalb wurde dieser Mann überhaupt versteckt und weshalb sagte seine Frau, dass er noch dort arbeiten würde? Weshalb das alles? Da konnte man ja direkt verrückt werden, weil überhaupt alles so unwirklich und unwahr ablief.

       Immer wieder sagte sie ihr Sprüchlein, wie auswendig gelernt, auf. Doch der Polizist konnte damit nichts anfangen. Irgendwie konnte sie ihn ja auch verstehen. Aber gesehen hatte der nette schwarzhaarige Polizist alles und auch registriert, denn dann wollte er ja die Akten sehen. Diese Akten, die sich in ihrem Arbeitszimmer anhäuften, wie der Turmbau zu Babel.

       Der Name des Gesuchten fiel ihr sofort wieder ein, aber er verschwand dann auch wieder aus ihrem Gedächtnis. Dann kamen die Männer mit einer weißen Uniform und einer hatte eine Spritze in der Hand, das sah sie ganz genau.

       Sie wollte sich wehren, aber sie konnte es nicht. Ihre Hände waren plötzlich nicht mehr da und aus ihrem Mund quoll Wasser, Blut und Schleim. Aus ihren Augen rollten die Tränen, die unaufhörlich über ihr Gesicht und in ihren offenen Mund tropften. Zwei Zähne fehlten, als sie mit ihrer Zunge ihren Mund inspizierte. Das spürte sie noch, dann war Nacht um sie herum, grauenvolle dunkle Nacht.

      Kapitel 7

      Als Ulla Sommer am anderen Morgen aufwachte, war sie wie gerädert. Am liebsten wäre sie gar nicht aufgestanden, so schlecht fühlte sie sich.

      „Ich glaube, das Essen ist mir gestern Abend gar nicht gut bekommen“, murmelte sie leise vor sich hin.

      Sie schaute nur nach draußen in diesen von Schneewehen verhangenen Himmel.

      Auf was habe ich mich da eingelassen?, dachte sie und legte sich wieder auf die Seite.

      „Ich glaube, es ist wieder Zeit für einen Winterschlaf!“

      „Doch alles Grübeln hilft nichts“, meinte sie und hüpfte dann schnell aus dem Bett. „Nicht, dass ich es mir noch anders überlege“, murmelte sie weiter. Doch ihre Miene hellte sich nicht auf. Irgendwie war sie todunglücklich, sie wusste aber nicht warum. Die beiden Morde berührten sie schon, aber sie kannte diese Personen nicht und weshalb man sie überhaupt umgebrachte hatte, konnte sie sich auch nicht erklären.

      Natürlich waren die beiden Toten, die da im Eiskeller lagen, zu betrauern. Aber eine Trauer kam bei ihr gar nicht richtig auf. Es waren für sie zwei Eisklötze, die da unten im Eiskeller lagen. Sie kannte die beiden auch nicht, diesen ziemlich wortkargen Arnim Hermann und diesen Axel Lehmann, der sie immer wieder und wieder angestarrt hatte mit seinem durchdringenden Blick, als wäre die Erinnerung an ihre Bekanntschaft bei ihm wieder aufgeflammt und zurückgekommen.

      „Ich habe diesen Menschen schon irgendwo gesehen, vor allem diesen Blick kenne ich, nur weiß ich nicht woher?“, merkte sie kurz an, denn dieser tote Axel Lehmann ging ihr nicht aus dem Sinn. Doch dann begab sie sich in das Badezimmer, um mit der Morgentoilette zu beginnen. Der warme Strahl des Wassers, der auf ihren Körper herunterprasselte, fühlte sich wunderbar an. Er durchströmte sie wie ein warmer Wasserfall, der aus der Tiefe eines Vulkangesteins aufgestiegen war und sie einhüllte, wie in einen vorgewärmten Bademantel, in den sie nach dem Duschen gleich schlüpfte. Wohlig warm kuschelte sie sich in seine unergründlich tiefen Falten und legte sich noch schnell auf das Bett. Sie war noch nicht bereit zum Aufstehen. Aber dann gab sie sich doch einen Ruck und sprang vom Bett auf wie ein junges Mädel zum ersten Rendezvous.

      Für den heutigen Tag wählte sie eine dunkelblaue Jogginghose, die heute selbst abendtauglich waren und dazu einen saloppen sandfarbenen Pullover. Als sie dann leicht geschminkt in den Spiegel blickte, war sie mit ihrem Äußeren zufrieden.

      Eine dicke Flauschjacke zog sie auch noch an, denn es fröstelte sie schon, wenn sie daran dachte, was der Tag heute wieder bringen würde und wer womöglich heute wieder ermordet werden würde.

      Sie steckte auch schon gleich ein Buch in ihre Tasche, das sie nach dem Frühstück lesen wollte. Es war ein Krimi von Agatha Christie, ihrer liebsten Kriminalautorin. Der Titel „Das Böse unter der Sonne“ gefiel ihr ausnahmsweise nicht so, aber er passte eigentlich zur Situation in diesem Hotel. Ein Hotel war in diesem Krimi, wie das GRANDHOTEL, auch vorhanden, doch die Sonne fehlte hier seit Tagen. Das Böse weilte hier wohl eher in den grauweißen Schneewolken, die einfach nicht weiterziehen wollten und das Hotel wie mit einem dichten, weißen Nebel umhüllten.

      Als sie die Treppe hinunterstieg, sah sie schon einige Gäste der OIL-Gruppe an der Rezeption stehen. Annette Fischer sah sie zuerst und auch Claudine Meister, die den Rollstuhl von Renate Hermann schob. Ihr lief dieser Karl Feistel mit seinem zusammengebundenen Rattenschwänzchen wie ein Hündchen hinterher.

      „Die beiden kennen sich aber sehr gut“, murmelte Ulla Sommer vor sich hin und fast wäre sie mit Albert Rehlein zusammengestoßen, der sie mit seinen großen Glubschaugen nur von der Seite her musterte.

      Diese Augen habe ich auch schon einmal gesehen und auch das Gesicht, das mir einmal sehr nahe war, dachte sie. Gleichzeitig ärgerte sie sich aber auch, dass sie sich so mit diesen Menschen beschäftigen musste. Dabei zuckte sie auch ein bisschen zusammen, denn diesen fordernden Blick dieses Herrn Rehlein kannte sie ganz genau. Nur fiel es ihr wieder nicht ein, wo sie diesem Blick schon einmal standgehalten und Paroli geboten hatte.

      Dann nahm sie kurzerhand an ihrem Tisch Platz und setzte sich neben Peter Bloch, der nur kurz aufsah, als sie ihm einen „Guten Morgen“ wünschte.

      „Hoffentlich bleibt der Morgen auch gut?“, sagte Bloch sarkastisch, entgegnete aber nur diesen einen Satz, nicht mal einen Blick warf er ihr zu oder wünschte ihr einen schönen Tag.

      Ulla Sommer schüttelte nur den Kopf, denn sie wusste nicht, weshalb Peter Bloch plötzlich so einsilbig zu ihr war. Sie hatte doch gar nichts verbrochen, sondern ihm nur einen schönen guten Morgen gewünscht.

      Schweigend wurde dann das Frühstück eingenommen und an den beiden Tischen hing jeder wieder seinen eigenen Gedanken nach.

      Plötzlich tauchte auch der Direktor, Monsieur Laurent, im Frühstückszimmer auf und sah etwas irritiert den schweigsamen Gästen zu.

      „Weshalb sind Sie denn so schweigsam, gefällt es Ihnen nicht bei uns?“, wandte er sich gleich an die Gäste, die nur kurz aufblickten und ihn mit seltsamen Augen musterten.

      Claudine Meister wollte als erste wissen, weshalb immer noch kein Kommissar aus Zürich eingetroffen war. Auch Klara Breuer, die bisher noch nicht viel gesprochen hatte, warf ein, dass sie diese Situation ihrem Blutdruck nicht mehr länger zumuten konnte und am liebsten sofort abreisen würde.

      „Wir können doch die Toten nicht ewig da unten liegen lassen, in diesem Eiskeller“, meckerte Claudine Meister wieder in ihrem schwäbischen Dialekt. Ulla Sommer hatte jedoch nicht das Gefühl, dass ihr die beiden Toten so richtig Leid taten. Ihr ging es ja genauso, aber sie zeigte es nicht so offensichtlich.

      Sie tut immer so fürsorglich, aber das sind die schlimmsten, die wetzen ihre Messer täglich, überlegte sie, sagte aber nichts, sondern beobachtete nur, wie diese Meister wieder Beifall heischend um sich blickte.

      „Da unten ist es kühl, da kann man sie gut lagern“, entgegnete nur kurz der Direktor.

      „Die Polizei ist bestellt. Sobald sich das Wetter bessert, kommen auch die Herren aus Zürich“, informierte der Direktor weiter. „Auch ein Hubschrauber kann bei diesem Wetter nicht landen“, meinte er noch.

      Ulla Sommer, Peter Bloch und Albert Rehlein sowie Norbert Neurer saßen weiter schweigend am Tisch und waren mit dem Kauen ihrer Brötchen beschäftigt. Man sah nur wie ihre Kiefer arbeiteten, als wollten sie Holz zersägen, das es da draußen in Hülle und Fülle gab. Aber es war kein Durchkommen in diesem Tal, die Hölzer lagen aufgestapelt und warteten auf die Abholung, genauso wie die Menschen in diesem Frühstückssaal.