Fjodor Dostojewski: Hauptwerke. Fjodor Dostojewski

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Название Fjodor Dostojewski: Hauptwerke
Автор произведения Fjodor Dostojewski
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754189153



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mir, habe aber keine Antwort erhalten. So bin ich denn hergereist.«

      »Wo gedenken Sie denn zu bleiben?«

      »Sie meinen, wo ich Wohnung nehmen werde? ... Das weiß ich noch nicht, wirklich nicht ... es ist noch ungewiß ...«

      »Darüber haben Sie noch keinen Entschluß gefaßt?«

      Beide Zuhörer brachen von neuem in ein Gelächter aus.

      »Und dieses Bündelchen enthält wohl Ihre ganze Habe?« fragte der Schwarzhaarige.

      »Ich möchte darauf wetten, daß es so ist«, fiel mit sehr zufriedener Miene der rotnasige Beamte ein, »und daß Sie kein weiteres Gepäck im Gepäckwagen haben. Wiewohl Armut keine Schande ist, wie man immer wieder bemerken muß.«

      Es stellte sich heraus, daß es sich wirklich so verhielt: der blonde junge Mann gestand dies sofort mit großer Bereitwilligkeit ein.

      »Ihr Bündelchen hat trotzdem einen gewissen Wert«, fuhr der Beamte, nachdem er sich satt gelacht hatte, fort (bemerkenswert war, daß auch der Eigentümer des Bündelchens selbst schließlich beim Anblick der beiden mitzulachen anfing, was deren Heiterkeit noch vergrößerte). »Man möchte zwar wetten, daß keine Rollen mit ausländischen Goldstücken, wie Napoleondors, Friedrichsdors oder holländischen Dukaten, darin sind; das kann man zum Beispiel schon aus Ihren ausländischen Gamaschen schließen; aber wenn man zu Ihrem Bündelchen noch eine solche Verwandte hinzunimmt wie die Generalin Jepantschina, dann gewinnt auch das Bündelchen gewissermaßen einen höheren Wert, selbstverständlich nur in dem Falle, wenn die Generalin Jepantschina wirklich Ihre Verwandte ist und Sie sich nicht aus Zerstreutheit irren ... was einem außerordentlich leicht passieren kann ... sagen wir: infolge eines Übermaßes von Phantasie.«

      »Oh, Sie haben wieder das Richtige getroffen«, erwiderte der blonde junge Mensch, »denn ich befinde mich wirklich beinah in einem Irrtum, das heißt, sie ist kaum meine Verwandte; ja, ich habe mich tatsächlich damals gar nicht darüber gewundert, daß ich keine Antwort nach der Schweiz bekam. Ich hatte das eigentlich auch so erwartet.«

      »Da haben Sie das Geld für die Frankierung des Briefes unnütz ausgegegen. Hm ...! Nun, wenigstens sind Sie offenherzig und aufrichtig, und das ist löblich! Hm ...! Den General Jepantschin kenne ich, im Grunde, weil er eine allgemein bekannte Persönlichkeit ist; und den verstorbenen Herrn Pawlischtschew, der Sie in der Schweiz unterhalten hat, habe ich ebenfalls gekannt, vorausgesetzt, daß es sich um Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschew handelt; denn es waren zwei Vettern. Der andere befindet sich noch in der Krim. Nikolai Andrejewitsch aber, der Verstorbene, war ein sehr achtbarer Mann und hatte gute Verbindungen, und besaß seinerzeit viertausend Seelen ...«

      »Ganz richtig; er hieß Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschew.«

      Nachdem der junge Mensch diese Antwort gegeben hatte, betrachtete er unverwandt und mit lebhaftem Interesse den Herrn, der sich über alles so gut orientiert zeigte.

      Diese Herren Alleswisser begegnen einem manchmal, und in einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht sogar ziemlich häufig. Sie wissen alles; der ganze unruhige Forschungstrieb ihres Verstandes und ihre gesamten Fähigkeiten streben unaufhaltsam nach einer Seite hin, natürlich infolge des Mangels an wichtigeren Lebensinteressen und Anschauungen, wie ein moderner Denker sich ausdrücken würde. Bei dem Ausdruck »sie wissen alles« muß man übrigens an ein ziemlich beschränktes Gebiet denken: wo der und der angestellt ist, mit wem er bekannt ist, wieviel Vermögen er besitzt, wo er Gouverneur gewesen ist, was er für eine Frau genommen hat, wieviel Mitgift er dabei erhalten hat, wer sein Vetter und sein entfernterer Vetter ist usw., usw., und sonst noch allerlei von dieser Art. Großenteils gehen diese Alleswisser mit durchgestoßenen Ellbogen umher und bekommen siebzehn Rubel Gehalt monatlich. Die Leute, über die sie alle möglichen Einzelheiten wissen, würden natürlich nicht sagen können, warum jene an ihnen ein derartiges Interesse nehmen; und dabei finden viele dieser Alleswisser an diesem Wissen, das einer ganzen Wissenschaft gleichkommt, ein entschiedenes Vergnügen und gelangen dadurch zu Selbstachtung und sogar zu einem sehr hohen Grad seelischer Zufriedenheit. Und es ist auch eine verführerische Wissenschaft. Ich habe Gelehrte, Literaten, Dichter und Staatsmänner gekannt, die in dieser Wissenschaft ihre größte Befriedigung, ihr höchstes Ziel fanden und sogar entschieden nur hierdurch Karriere machten. Im weiteren Verlauf dieses ganzen Gesprächs gähnte der schwarzhaarige junge Mensch, blickte ziellos durchs Fenster und wartete mit Ungeduld auf das Ende der Reise. Er war etwas zerstreut, sogar sehr zerstreut, beinah aufgeregt; ja, er benahm sich einigermaßen sonderbar: manchmal hörte er zu, ohne recht zuzuhören, sah, ohne recht zu sehen, und lachte, ohne im nächsten Augenblick zu wissen und sich zu erinnern, worüber er eigentlich gelacht hatte.

      »Aber gestatten Sie die Frage: mit wem habe ich die Ehre?« wandte sich auf einmal der Herr mit dem Gesicht voller Pickel an den blonden jungen Mann mit dem Bündelchen.

      »Fürst Ljow Nikolajewitsch Myschkin«, antwortete dieser ohne zu zögern, mit größter Bereitwilligkeit.

      »Fürst Myschkin? Ljow Nikolajewitsch? Kenne ich nicht. Nicht einmal vom Hörensagen«, antwortete der Beamte nachdenkend. »Das heißt, ich meine nicht den Namen; der Name ist ja historisch und in Karamsins ›Geschichte Rußlands‹ zu finden; ich meine Ihre Person, und überhaupt begegnen Fürsten Myschkin einem nirgends mehr; man hört von ihnen nicht einmal reden.«

      »Wie könnte es auch anders sein!« versetzte der Fürst sogleich. »Fürsten Myschkin gibt es jetzt außer mir gar nicht mehr; ich glaube, ich bin der letzte. Und was meinen Vater und meinen Großvater anlangt, so besaßen die nur ein einziges Gut, auf dem sie zurückgezogen lebten. Mein Vater war übrigens Leutnant bei der Linie, vorher Fähnrich. Und nun weiß ich nicht, in welcher Weise die Generalin Jepantschina zu den Myschkinschen Fürstentöchtern gehört; sie ist ebenfalls die Letzte in ihrer Art ...«

      »Hahaha! Die Letzte in ihrer Art! Haha! Wie Sie das gedreht haben!« kicherte der Beamte.

      Auch der schwarzhaarige junge Mann lächelte. Der Blonde war etwas verlegen, daß es ihm gelungen war, ein allerdings ziemlich einfaches Wortspiel zu machen.

      »Seien Sie überzeugt, ich habe es ganz ohne Absicht gesagt«, erklärte er schließlich einigermaßen befangen.

      »Sehr begreiflich, sehr begreiflich!« stimmte ihm der Beamte heiter bei.

      »Haben Sie denn dort auch Wissenschaften betrieben, Fürst, bei Ihrem Professor?« fragte unvermittelt der Schwarzhaarige.

      »Ja ... allerdings ...«

      »Ich für meine Person habe nie etwas studiert.«

      »Auch ich nur ein klein wenig«, fügte der Fürst in einem Ton hinzu, der beinah wie eine Bitte um Entschuldigung klang. »Mir einen regulären Unterricht zu erteilen, hielt man in Anbetracht meiner Krankheit nicht für möglich.«

      »Kennen Sie die Familie Rogoschin?« fragte der schwarzhaarige junge Mensch schnell.

      »Nein, ich kenne sie nicht, gar nicht. Ich kenne in Rußland überhaupt nur wenige Menschen. Ist Ihr Name Rogoschin?«

      »Ja, ich heiße Rogoschin, Parfen Rogoschin.«

      »Parfen? Sind Sie da nicht vielleicht ein Mitglied eben jener Familie Rogoschin ...«, begann der Beamte mit noch gesteigerter Wichtigtuerei.

      »Jawohl, eben jener, eben jener«, unterbrach ihn schnell und mit unhöflicher Ungeduld der Schwarzhaarige, der überhaupt dem Beamten mit dem Gesicht voller Pickel nie Beachtung geschenkt, sondern gleich von Anfang an immer nur zu dem Fürsten gesprochen hatte.

      »Ja ... ist es möglich?« rief der Beamte; er war ganz starr vor Staunen, die Augen traten ihm beinah aus den Höhlen, und sein ganzes Gesicht nahm sogleich einen ehrerbietigen, knechtischen, ja erschrockenen Ausdruck an. »Sind Sie ein Sohn eben jenes erblichen Ehrenbürgers Semjon Parfenowitsch Rogoschin, der vor einem Monat starb und ein bares Kapital von dreieinhalb Millionen hinterließ?«

      »Woher haben Sie denn erfahren, daß er ein bares Kapital von dreieinhalb Millionen hinterlassen hat?« unterbrach