Название | Fjodor Dostojewski: Hauptwerke |
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Автор произведения | Fjodor Dostojewski |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754189153 |
»Das alles ist ja sehr seltsam; aber das von dem Esel konnte auch wegbleiben; gehen wir nun zu einem anderen Thema über! Warum lachst du denn fortwährend, Aglaja? Und du, Adelaida? Der Fürst hat die Geschichte von dem Esel sehr schön erzählt. Er hat selbst einen gesehen; aber du, was hast du gesehen? Du bist doch nicht im Ausland gewesen.«
»Ich habe schon einen Esel gesehen, Mama«, versetzte Adelaida.
»Und ich habe schon einen gehört«, fügte Aglaja hinzu. Alle drei brachen wieder in ein Gelächter aus, in das der Fürst einstimmte.
»Das ist sehr häßlich von euch«, schalt die Generalin. »Nehmen Sie es ihnen nicht übel, Fürst; sie sind sonst gute Mädchen. Ich zanke fortwährend mit ihnen, habe sie aber doch sehr lieb. Sie sind nur flatterhaft, leichtsinnig und ein bißchen verdreht.«
»Aber was sollte ich denn übelnehmen?« erwiderte der Fürst lachend. »Auch ich hätte die Gelegenheit zu lachen nicht unbenutzt gelassen. Aber ich trete trotzdem für den Esel ein: der Esel ist ein gutherziges, nützliches Geschöpf.«
»Sind Sie denn auch gutherzig, Fürst? Ich frage aus wirklichem Interesse«, fragte die Generalin.
Alle lachten wieder los.
»Da ist Ihnen wieder dieser nichtswürdige Esel eingefallen; ich hatte gar nicht an ihn gedacht!« rief die Generalin. »Bitte, glauben Sie mir, Fürst, ich beabsichtigte keinerlei ...«
»Keinerlei Anspielung? Oh, das glaube ich Ihnen gern, ohne Zweifel!«
Der Fürst lachte unstillbar.
»Das ist sehr nett von Ihnen, daß Sie lachen. Ich sehe, daß Sie ein recht gutherziger junger Mann sind«, sagte die Generalin.
»Manchmal bin ich nicht gutherzig«, erwiderte der Fürst.
»Aber ich habe ein gutes Herz«, bemerkte die Generalin überraschenderweise; »ich kann sogar sagen, daß ich immer gutherzig bin, und das ist mein einziger Fehler; denn man darf nicht immer gutherzig sein. Ich ärgere mich sehr oft über meine Töchter da, und besonders über Iwan Fjodorowitsch; aber es ist schnurrig, daß ich gerade, wenn ich mich ärgere, am allergutherzigsten bin. Ich war vorhin, vor Ihrer An kunft, recht böse geworden und stellte mich, als verstände ich nicht, was man zu mir sagte, und wolle es nicht verstehen. Das kommt bei mir öfter vor; ich bin darin wie ein Kind. Aglaja hat mich deswegen gescholten, und ich danke dir, Aglaja. Übrigens ist das alles Unsinn. Ich bin nicht so dumm, wie ich scheine und wie mich meine lieben Töchter gern darstellen möchten. Ich habe einen energischen Charakter und halte mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg. Ich sage das übrigens alles ohne Groll. Komm her, Aglaja, und gib mir einen Kuß ... nun, nun, genug der Zärtlichkeit!« bemerkte sie, als Aglaja ihr herzlich den Mund und die Hand küßte. »Fahren Sie nur fort, Fürst! Vielleicht erinnern Sie sich noch an etwas, was interessanter ist als der Esel.«
»Ich kann trotz alledem nicht begreifen, wie jemand so geradezu loserzählen kann«, sagte Adelaida noch einmal. »Ich brächte das nicht fertig.«
»Aber der Fürst bringt es fertig, weil der Fürst eben überaus verständig, mindestens zehnmal oder vielleicht zwölfmal so verständig ist wie du. Hoffentlich fühlst du das nun selbst. Liefern Sie ihnen den Beweis, Fürst; fahren Sie fort! Den Esel können wir nun aber wirklich endlich beiseite lassen. Nun, was haben Sie außer dem Esel im Ausland gesehen?«
»Auch das von dem Esel war verständig«, sagte Alexandra. »Der Fürst hat seinen Krankheitszustand sehr interessant geschildert, und wie ihm infolge eines äußeren Anstoßes alles wieder zu gefallen anfing. Mir ist es immer interessant gewesen, wie Menschen den Verstand verlieren und dann wieder gesund werden. Namentlich wenn das plötzlich erfolgt.«
»Nicht wahr? Nicht wahr?« sagte die Generalin eifrig. »Ich sehe, daß auch du manchmal verständig bist. Na, nun habt ihr aber genug gelacht! Sie blieben ja wohl bei dem landschaftlichen Eindruck der Schweiz stehen, Fürst. Also bitte!«
»Wir kamen in Luzern an und fuhren dann über den See. Ich empfand, wie schön er war, fühlte mich aber dabei entsetzlich bedrückt«, sagte der Fürst.
»Warum?« fragte Alexandra.
»Ich verstehe es nicht. Ich fühle mich beim ersten Anblick solcher Naturschönheiten jedesmal bedrückt und unruhig; es ist eine aus Vergnügen und Unruhe gemischte Empfindung. Übrigens hing das alles noch mit meiner Krankheit zusammen.«
»Ach, ich möchte das zu gern einmal sehen«, sagte Adelaida. »Und ich begreife nicht, warum wir nicht endlich einmal ins Ausland reisen. Ich kann schon seit zwei Jahren keinen Gegenstand für ein Bild finden:
›Ost und Süd sind längst geschildert ...‹
Suchen Sie mir doch einen Gegenstand für ein Bild, Fürst!«
»Ich verstehe davon nichts. Aber ich möchte mei nen: es ist weiter nichts erforderlich, als zu sehen und dann zu malen.«
»Zu sehen verstehe ich eben nicht.«
»Aber in was für Rätseln sprecht ihr denn da? Ich verstehe euch ja gar nicht!« unterbrach die Generalin sie. »Was heißt das: ›Zu sehen verstehe ich nicht?‹ Du hast doch Augen; nun, dann sieh doch! Wenn du hier nicht zu sehen verstehst, wirst du es auch im Ausland nicht lernen. Erzählen Sie lieber, was Sie selbst gesehen haben, Fürst!«
»Ja, das wird das beste sein«, stimmte ihr Adelaida bei.
»Der Fürst hat ja im Ausland sehen gelernt.«
»Das weiß ich nicht; ich habe dort nur meine Gesundheit gebessert; ich weiß nicht, ob ich da auch sehen gelernt habe. Ich bin übrigens dort fast die ganze Zeit über sehr glücklich gewesen.«
»Glücklich! Sie verstehen es, glücklich zu sein?« rief Aglaja. »Warum sagen Sie dann, daß Sie da nicht sehen gelernt haben? Sie werden in dieser Kunst noch unser Lehrer werden!«
»Ach ja, bitte, lehren Sie uns!« rief Adelaida lachend.
»Ich vermag Sie nichts zu lehren«, versetzte der Fürst, gleichfalls lachend. »Ich habe fast die ganze Zeit meines Aufenthalts im Ausland in diesem Schweizer Dorf verlebt; nur selten machte ich einen kleinen Ausflug; was kann ich Sie da lehren? Anfangs beschränkte sich die Besserung darauf, daß das Gefühl öden Mißmuts aufhörte; aber bald fing ich an zu genesen; dann wurde mir jeder Tag lieber und teurer, so daß sich mir diese Beobachtung aufdrängte. Ich legte mich immer sehr zufrieden schlafen und fühlte mich noch glücklicher beim Aufstehen. Aber woher das kam, das ist allerdings recht schwer zu erklären.«
»Sie waren also so zufrieden, daß Sie sich nirgend anderswohin wünschten, sich nirgend anderswohin gezogen fühlten?« fragte Alexandra.
»Zuerst, ganz am Anfang, sehnte ich mich weg, ja, und ich verfiel in große Unruhe. Ich dachte immer darüber nach, wie ich mir mein Leben einrichten könnte, und suchte mein künftiges Schicksal zu erkennen. Besonders zu gewissen Zeiten war ich sehr unruhig. Sie wissen, es gibt solche Augenblicke, namentlich wenn man ganz allein ist. Wir hatten dort einen kleinen Wasserfall; er fiel hoch vom Berg herab wie ein dünner Faden, fast senkrecht, weiß, geräuschvoll und schäumend; er fiel hoch herunter und schien doch ziemlich niedrig zu sein; er war eine halbe Werst entfernt, und es kam einem vor, als ob bis zu ihm hin nur fünfzig Schritte wären. Ich horchte bei Nacht gern auf sein Geräusch; das waren die Zeiten, wo ich manchmal in sehr große Unruhe geriet. Ebenso ging es mir manchmal um die Mittagszeit; ich stieg wohl allein irgendwohin in die Berge und stand dann allein inmitten derselben da, ringsum alte, große, harzige Tannen; oben auf einem Felsen die Ruinen einer alten mittelalterlichen Burg; unser Dörfchen unten in der Ferne, kaum sichtbar; die Sonne brannte, der Himmel war tiefblau, es herrschte eine furchtbare Stille. In solchen Augenblicken zog es mich mitunter weg, und ich hatte immer die Vorstellung, wenn ich nur immer geradeaus gehen könnte, immer weiter und weiter, und die Linie überschreiten könnte, wo Himmel und Erde einander berühren, da würde sich jedes Rätsel lösen, und ich würde sofort ein neues Leben erblicken, ein Leben, das tausendmal frischer und lärmender