Ausspruch« tat, einen Ausspruch, der dann unfehlbar ein geflügeltes Wort und sogar in den allerhöchsten Regionen bekannt wurde; einer jener regierenden Beamten, die gewöhnlich nach einer sehr langen (sogar manchmal erstaunlich langen) Dienstzeit in hohem Rang und in vorzüglichen Stellen und im Besitz großer Geldmittel sterben, obwohl sie keine großen Taten vollbracht und sogar gegen große Taten eine gewisse Feindschaft an den Tag gelegt haben. Dieser General war Iwan Fjodorowitschs unmittelbarer Vorgesetzter im Dienst, und Iwan Fjodorowitsch erachtete ihn vermöge der warmen Dankbarkeit seines Herzens und sogar aus besonderem Ehrgeiz ebenfalls für seinen Wohltäter, obwohl dieser sich ganz und gar nicht als Iwan Fjodorowitschs Wohltäter betrachtete, zwar mit Vergnügen von seinen mannigfachen Diensten Gebrauch machte, aber sich gegen ihn ganz gleichgültig verhielt und ihn sofort durch einen andern Beamten ersetzt haben würde, wenn irgendwelche Erwägungen, die gar nicht einmal »höhere Erwägungen« zu sein brauchten, dies wünschenswert gemacht hätten. Ferner war ein älterer, vornehmer Herr anwesend, von dem es sogar hieß, er sei mit Lisaweta Prokofjewna verwandt, wiewohl dies entschieden unwahr war, ein Mann, der einen hohen Rang besaß und ein hohes Amt bekleidete, reich und von guter Familie, behäbig und von sehr guter Gesundheit; er war sehr redelustig und stand sogar in dem Ruf, ein Unzufriedener zu sein (allerdings nur in durchaus erlaubtem Sinne) und Galle zu haben (aber auch diese Eigenschaft wirkte an ihm nur angenehm); er hatte sich die Manieren der englischen Aristokraten zu eigen gemacht und sich auch hinsichtlich des Geschmacks anglisiert (zum Beispiel in bezug auf blutiges Roastbeef, Anspann von Pferden, Diener usw.). Er war ein großer Freund des Würdenträgers und stets bemüht, diesen angenehm zu unterhalten; außerdem hegte Lisaweta Prokofjewna aus unklarem Grund die sonderbare Vorstellung, dieser gesetzte Herr (ein etwas leichtsinniger Mensch und großer Liebhaber des weiblichen Geschlechts) werde auf einmal auf den Gedanken kommen, ihrer Tochter Alexandra einen Heiratsantrag zu machen. Auf diese höchste, älteste Schicht der Gesellschaft folgte eine Schicht von jüngeren Gästen, die aber gleichfalls durch sehr vortreffliche Eigenschaften glänzten. Außer dem Fürsten Schtsch. und Jewgeni Pawlowitsch gehörte zu dieser Schicht auch der bekannte, bezaubernde Fürst N., ehemals ein Verführer und Bezwinger von Frauenherzen in ganz Europa, jetzt schon etwa fünfundvierzig Jahre alt, aber immer noch von schönem Äußern; er verstand es vorzüglich zu erzählen, besaß ein bedeutendes, aber etwas zerrüttetes Vermögen und lebte gewohnheitsmäßig meist im Ausland. Endlich waren auch Leute da, die eine dritte besondere Schicht bildeten und an und für sich nicht zu dem »geweihten Kreis« der Gesellschaft gehörten, denen man aber, ebenso wie der Familie Jepantschin, manchmal aus irgendeinem Grund in diesem »geweihten Kreis« begegnen konnte. Mit einem gewissen Takt, den sie sich zum Grundsatz gemacht hatten, liebten es Jepantschins, in den seltenen Fällen, wo sie geladene Gäste bei sich sahen, die höhere Gesellschaftsschicht mit Angehörigen einer tieferen Schicht zu mischen, mit ausgewählten Repräsentanten eines »Mittelschlages«. Jepantschins wurden für dieses Verfahren sogar gelobt, und man sagte von ihnen, sie kennten ihren Platz und besäßen ein richtiges Taktgefühl; und Jepantschins waren stolz auf diese Meinung, die man von ihnen hatte. Einer der Vertreter dieses Mittelschlages war an diesem Abend ein Techniker, Oberst, ein ernster Mensch, ein sehr naher Freund des Fürsten Schtsch. und von diesem bei Jepantschins eingeführt; in Gesellschaft war er übrigens schweigsam; an seinem langen Zeigefinger der rechten Hand trug er einen großen auffallenden Ring, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Geschenk von hoher Stelle. Endlich war auch noch ein Schriftsteller und Dichter anwesend, ein Deutscher, der aber russisch dichtete und überdies ein durchaus anständiger Mensch war, so daß man ihn ohne Gefahr in gute Gesellschaft hineinlassen konnte. Er hatte ein glückliches, wiewohl in gewisser Hinsicht doch auch einigermaßen abstoßendes Äußeres, war etwa achtunddreißig Jahre alt, kleidete sich tadellos, gehörte zu einer höchst bürgerlichen, aber zugleich höchst achtbaren deutschen Familie, hatte es verstanden, verschiedene Gelegenheiten gut auszunutzen, sich die Protektion hochgestellter Persönlichkeiten zu verschaffen und sich in ihrer Gunst zu behaupten. Er hatte einmal ein bedeutendes Werk eines bedeutenden deutschen Dichters in Versen aus dem Deutschen übersetzt, hatte es verstanden, seine Übersetzung einer geeigneten Person zu dedizieren, rühmte sich der Freundschaft mit einem angesehenen, aber bereits verstorbenen russischen Dichter (es gibt eine große Menge von Schriftstellern, die es außerordentlich lieben, in ihren Druckschriften von ihrer Freundschaft mit großen, aber verstorbenen Schriftstellern zu reden) und war erst ganz vor kurzem bei Jepantschins durch die Gattin des alten Würdenträgers eingeführt worden. Diese Dame galt als eine Gönnerin von Schriftstellern und Gelehrten und hatte sogar tatsächlich einem oder zwei Schriftstellern durch Vermittlung hochgestellter Personen, bei denen sie ein Ansehen besaß, eine Pension verschafft. Und ein gewisses Ansehen besaß sie in ihrer Art allerdings. Sie war eine Dame von ungefähr fünfundvierzig Jahren (also eine sehr junge Frau für einen so alten Mann wie ihr Gatte), eine ehemalige Schönheit, die zufolge einer vielen fünfundvierzigjährigen Damen eigenen Manie es liebte, sich immer noch sehr luxuriös zu kleiden; ihr Verstand war nicht bedeutend und ihre Literaturkenntnisse sehr zweifelhaft. Aber Schriftsteller zu patronisieren war bei ihr eine ebensolche Manie wie sich luxuriös zu kleiden. Es wurden ihr viele Schriften und Übersetzungen gewidmet; zwei oder drei Schriftsteller ließen mit Erlaubnis der Dame die Briefe drucken, die sie ihr über sehr wichtige Gegenstände geschrieben hatten.. Und diese ganze Gesellschaft nahm der Fürst für bare Münze, für reinstes Gold ohne Legierung. Übrigens traf es sich, daß auch all diese Leute sich an diesem Abend in der glücklichsten Stimmung befanden und mit sich selbst sehr zufrieden waren. Sie wußten sämtlich, daß sie der Familie Jepantschin durch ihr Erscheinen eine große Ehre erwiesen. Aber leider ahnte der Fürst von diesen Finessen nichts. Es kam ihm zum Beispiel nicht der Gedanke, daß die Jepantschins jetzt, wo sie einen so wichtigen Schritt wie die Entscheidung über das Lebensschicksal ihrer Tochter vorhatten, es für ihre unerläßliche Pflicht hielten, ihn, den Fürsten Ljow Nikolajewitsch, dem alten Würdenträger, dem anerkannten Protektor ihrer Familie, vorzustellen. Der alte Würdenträger würde zwar seinerseits sogar die Nachricht von dem furchtbarsten Unglück, das die Familie Jepantschin betroffen hätte, mit größter Seelenruhe hingenommen, sich aber unbedingt beleidigt gefühlt haben, wenn die Jepantschins ihre Tochter ohne seinen Rat und sozusagen ohne seine Erlaubnis verlobt hätten. Fürst N., dieser liebenswürdige, unstreitig geistreiche und von einer hohen Freimütigkeit erfüllte Mensch, war von der festen Überzeugung durchdrungen, daß er so eine Art von Sonne sei, die an diesem Abend über dem Jepantschinschen Salon aufgehe. Er war der Ansicht, daß sie unendlich weit unter ihm ständen, und gerade dieser treuherzige, edle Gedanke erzeugte bei ihm jene bewundernswerte, liebenswürdige Ungezwungenheit und Freundlichkeit eben diesen Jepantschins gegenüber. Er wußte ganz genau, daß er an diesem Abend unbedingt etwas erzählen müsse, um die Gesellschaft in Entzücken zu versetzen, und bereitete sich hierauf mit einer gewissen Begeisterung vor. Als Fürst Ljow Nikolajewitsch dann diese Erzählung mit angehört hatte, mußte er sich bekennen, daß er noch nie etwas dem Ähnliches gehört hatte: dieser glänzende Humor, diese bewunderswürdige Heiterkeit und Naivität, die im Mund eines Don Juans, wie Fürst N., beinah etwas Rührendes hatte, bezauberten ihn geradezu. Wenn er nur dabei gewußt hätte, wie alt und abgenutzt diese Erzählung schon war, und daß der Vortragende sie bereits ganz auswendig konnte, und daß sie bereits in allen Salons den Hörern langweilig geworden war und nur bei den harmlosen Jepantschins wieder als Neuigkeit erschien, als eine freimütige, geistvolle Erinnerung, die einem geistvollen, schönen Mann plötzlich eingefallen sei! Der deutsche Dichterling benahm sich zwar sehr liebenswürdig und bescheiden; aber sogar er war beinah der Ansicht, daß er diesem Haus durch seinen Besuch eine Ehre erweise. Aber der Fürst bemerkte nicht die Kehrseite der Medaille, bemerkte nicht das Unterfutter des schönen Gewandes. Dieses Resultat hatte Aglaja nicht vorhergesehen. Sie selbst war an diesem Abend erstaunlich schön. Alle drei Fräulein waren elegant, wiewohl nicht gerade luxuriös, gekleidet und trugen sogar eine besondere Frisur. Aglaja saß neben Jewgeni Pawlowitsch, mit dem sie sich sehr freundlich unterhielt und scherzte. Jewgeni Pawlowitsch betrug sich etwas gesetzter als sonst, vielleicht ebenfalls aus Respekt gegen die hohen Herren. Man kannte ihn übrigens in der vornehmen Welt schon längst, und er fühlte sich dort bereits heimisch, wiewohl er noch ein junger Mensch war. An diesem Abend war er bei Jepantschins mit einem Trauerflor am Hut erschienen, und die alte Bjelokonskaja lobte ihn deswegen: ein anderer der vornehmen Welt angehöriger Neffe hätte unter solchen Umständen um einen solchen Onkel vielleicht keinen Trauerflor angelegt. Lisaweta Prokofjewna billigte diese