Название | Feine Damen. Kriminalroman |
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Автор произведения | Elisa Scheer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783748568650 |
„Ich habe in einem großen Büro gearbeitet, als Assistentin, so nannte man das damals wohl.“
„Und das reizt Sie heute natürlich nicht mehr“, nickte Andi. „Jaja, die Digitalisierung…“
„Wie bitte?“
„Nicht so wichtig. Ohne Beruf können Sie sich Ihre Zeit doch frei einteilen, also sagen wir: morgen um neun? Danach ist für private Termine doch immer noch Zeit.“
„Die Läden in der Altstadt machen sowieso erst um zehn auf“, ergänzte Liz boshaft, verwahrte ihr Tablet und erhob sich auf Andis Nicken hin.
Patricia öffnete ihnen bereitwillig und wies lässig auf ein verblüffend edles Sofa, bevor sie sich in einen Sitzsack fallen ließ. „Das Designerteil hat meine Mutter hier reingestellt. Sie hofft immer noch, dass sie mich zu Stilbewusstsein erziehen kann, wenn schon die anderen drei da nicht mitspielen wollen.“
„Welche anderen drei?“
„Na, Papas Töchter aus seiner ersten Ehe. Die sind ziemlich cool, und wenn Mama zum Dinner lädt, tauchen sie gerne in abenteuerlichen Verkleidungen auf. Leander hatte ganz Recht, als er gesagt hat, wie der Bad-Taste-Day in der Schule.“
„Leander?“
„Mein Bruder. Der geht eben noch zur Schule.“ Das wurde nicht ohne Verachtung gesagt.
„Und Sie?“
„Ich überlege noch, was ich studieren könnte. Einen doofen Beruf, nur um Mama auf die Palme zu bringen, brauche ich auch nicht. Vielleicht Tiermedizin… oder Jura… aber wie kann ich Ihnen denn nun helfen?“
„Wahrscheinlich gar nicht“, seufzte Liz. „Ein früherer Bekannter Ihrer Mutter ist tot aufgefunden worden und wir dachten, sie hätte vielleicht kürzlich Kontakt zu ihm gehabt und wüsste etwas, das uns nützen könnte.“
„Sie wusste aber nichts, stimmt´s? Mama weiß nie etwas, was irgendwie Ärger machen könnte. Eine Dame stellt sich im Zweifelsfall tot.“
Scharfzüngiges Mädchen, fand Andi. Hatte aber wohl nicht so ganz Unrecht. Er bat um die Kontaktdaten der drei Halbschwestern, die ihm bereitwillig gegeben wurden, und verabschiedete sich dann.
Auf dem Weg von Waldstetten zum Präsidium ließen sie das unbefriedigende Gespräch mit Claudia Martens noch einmal Revue passieren. „Aus welcher Zeit stammt diese Schnepfe eigentlich?“, fragte Liz sich laut und Andi schnaubte. „Ich würde eher sagen, sie hat ein Buch gelesen So werde ich zur Dame – und das arbeitet sie jetzt mit sklavischer Genauigkeit ab. Ohne zu erkennen, dass sie damit tatsächlich aus der Zeit gefallen ist.“
„Nichts arbeiten, obwohl die Kinder schon erwachsen sind. Den ersten Mann ziehen lassen, weil die Dame dem Herrn nicht nachläuft… so ein Blödsinn!“ Liz musste aber doch lachen. „Und die Töchter verarschen sie doch bloß, sogar ihre eigene. Diese Patricia ist schon eine Rotzgöre, aber ziemlich gescheit, findest du nicht?“
„Doch. Scharfsichtig. Aber es kann absolut nicht sein, dass diese Claudia sich überhaupt nicht um die Scheidung gekümmert hat! Wir schauen noch einmal in die Perfler-Wohnung, ob es da Scheidungspapiere gibt.“
„Ja, gut. Aber haben wir bei den offiziellen Daten nicht gefunden, dass Perfler mit dieser Claudia verheiratet war? Dann müsste dieses Hamburger Familiengericht – oder wer auch immer – es verbaselt haben, diese Scheidung weiter zu melden. An die Meldestelle oder wer auch immer dort zuständig ist. Kann das überhaupt sein?“
„Du hast Recht, das ist ziemlich unwahrscheinlich. Vielleicht lügt die Martens sich die Wahrheit zurecht. Hofft, dass Totstellen hilft. Ist über schnöden Alltag erhaben…“
„Hat Realitätsverlust“, war Liz´ deutlichere Diagnose. „Sie merkt ja offenbar auch nicht, dass die diversen Mädels sie nicht weiter ernst nehmen. Bei Gelegenheit wäre deren Urteil vielleicht ganz interessant…“
„Hm…“ Andi musste sich auf den Verkehr auf dem Stadtring konzentrieren. „Ein bisschen weit hergeholt, meinst du nicht?“
„Hintergrundrecherche?“
„Ich weiß ja, was du meinst, aber der verheimlichte Exmann ihrer Stiefmutter ist tot, was, glaubst du, wissen die Stieftöchter darüber? Höchstens lachen sie sich halb krank und reiben der armen Martens den Perfler jedes Mal unter die Nase. Nein, einen etwas besseren Grund brauchen wir schon – obwohl mich die Töchter schon auch interessieren würden, das gebe ich zu.“ Er bog in Richtung Kreuz West ab.
„Wo könnte der Perfler eine Scheidungsurkunde verwahrt haben?“, überlegte Liz weiter. „Mir ist in dieser dürftigen Butze nichts Passendes aufgefallen.“
„Wenn wir nichts finden, fragen wir eben in Hamburg nach. Amtshilfe. Immerhin hat das Opfer da mal gewohnt… Da wären wir. Grottige Gegend.“
„Aber günstig. Für viele ist das schon ein Argument.“
Er warf ihr einen schrägen Blick zu, bevor er in einen recht kleinen Parkplatz rangierte. „Hältst du mich für so abgehoben?“
„Weiß man´s? Nein, Quatsch. Und du hast Recht, die Gegend ist grottig. Kannst du dir die Martens hier vorstellen?“
„Schon der Gedanke müsste sie in Panik versetzt haben. Da vorne ist es.“
Die Wohnung Perflers war so übersichtlich wie beim letzten Mal. Rasch und routiniert gingen sie durch alle Schränke, Schubladen, Kisten und Kasten – keine Scheidungsunterlagen. „In der Küchenzeile vielleicht?“, überlegte Liz. Die beiden Oberschränke enthielten wirklich nur etwas Geschirr, ein paar Gläser und zwei Pakete Nudeln, der eine Unterschrank einen Putzeimer und die Eingeweide des Spülbeckens und der andere den Ofen. Dann kam eine Lücke: Besen und eine Kehrmaschine aus den Achtzigern – und dann die Wand.
„In schlechten Filmen bewahren die Leute Koks und Falschgeld im Spülkasten auf“, überlegte Andi verzweifelt, als sie im Bad standen.
„Nicht in dem Spülkasten!“ Liz wies auf die bündig abschließende Abdeckplatte. „So wasserdicht kannst du gar nichts verpacken!“
Neben dem Garderobenständer stand eine Art Bank, deren Deckel man aufklappen konnte. Schuhe und Stiefel, sonst nichts. „Arge Schweißfüße hatte er“, stellte Liz naserümpfend fest.
Unter den Schuhen gab es nur einige Krümel getrockneter Erde und einen fast leeren Schnellglanzschwamm.
„Nichts. Beim besten Willen – nichts. Komm, wir fahren und zapfen die Hamburger an!“
„Wir könnten auch eine Runde Hamburger mitnehmen“, schlug Liz vor. „Proteine sind doch gesund?“
„Ihr erklärt alles für gesund, worauf ihr gerade Lust habt.“ Andi grinste schief. „Aber einen Hamburger könnte ich jetzt auch vertragen. Mit Pommes!“
„Logisch mit Pommes!“
4
Coco staunte gebührend, als Pat sie anrief und erzählte, dass Claudias Exliebhaber ermordet worden sei.
„Und woher weißt du das? Die Polizei hat dich doch garantiert aus dem Zimmer geworfen!“
„Ohr an Tür, was glaubst du denn! Alles, was mir hilft, Mama mundtot zu machen, wenn sie wieder die geborene Lady gibt, muss ich haben. Reiner Selbsterhaltungstrieb.“
Coco lachte. „Kann ich verstehen. Warum ziehst du nicht aus? Papa würde es doch finanzieren, da bin ich sicher. Und ich könnte dir auch ein bisschen was dazugeben, schließlich verdiene ich deutlich mehr, als es einer Dame zukommt. Frag Papa doch mal!“
„Mach ich vielleicht wirklich. Andererseits ist Claudia ja schon so was wie ein Hobby. Ich kenne echt niemanden, der so leicht auf die Palme zu bringen ist. Da waren unsere Lehrerinnen deutlich härter im Nehmen.“
Coco