Charles Finch: Im Sog des Wahnsinns. Thomas Riedel

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Название Charles Finch: Im Sog des Wahnsinns
Автор произведения Thomas Riedel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783745036565



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»dass ein Erpresser unter uns weilt, der jetzt hier am Tisch sitzt.« Er blickte ausdruckslos ringsum. »Ich glaube nicht, dass er sich freiwillig zu erkennen geben wird. Er fürchtet Mr. Greenwoods Rache. Er hofft, dass wir als Gruppe ihn irgendwie mit heiler Haut davonkommen lassen. Er weiß etwas, das wir übrigen nicht wissen … Mr. Greenwoods Vergehen. Das kann er natürlich nicht offenbaren, ohne sich selbst zu verraten. Also wird er uns nicht helfen, wenigstens vorläufig nicht. Entweder müssen wir ihn entlarven oder herausfinden, worin dieses Vergehen besteht, und dann feststellen, wer darüber Bescheid gewusst haben kann.«

      »Ryan hat kein Verbrechen begangen!«, entgegnete Drummond. »Und wenn er es selbst behauptet, ist es ein reines Hirngespinst, … irgendetwas, das er sich in seinem zerrütteten Gemütszustand einredet.«

      »Durchaus möglich«, stimmte Finch zu. »Dann müssen wir eben herausfinden, was er getan zu haben glaubt.«

      »Was für eine Spitzfindigkeit!«, höhnte Lancaster. »Ryan muss doch etwas Schlimmes getan haben, wenn er sich in eine solche Lage treiben lässt. Etwas sehr Schlimmes.«

      »Vergessen Sie nicht«, mahnte Finch, »was auch geschehen sein mag, es liegt mindestens sechs Jahre zurück, vielleicht auch noch länger. Mr. Greenwood hat erklärt, das erste Erpresserschreiben sei vor sechs Jahren gekommen, als ihm das Richteramt am Old Bailey angeboten wurde.«

      »Stimmt, kurz nachdem wir geheiratet hatten«, warf Mrs. Greenwood ein.

      »Ungefähr zur gleichen Zeit starb sein Vater«, ergänzt Drummond. »Damals wart ihr gerade von eurer Hochzeitsreise zurückgekehrt, Kathlyn.«

      »Ja«, Mrs. Greenwood nickte. »Er sollte ja als Richter an die Stelle seines Vaters treten.«

      »Woran ist der Richter gestorben?«, erkundigte sich Finch.

      »Es war ein Herzschlag«, antwortete Lancaster. »Es geschah übrigens hier. Er angelte vom Boot aus, draußen auf dem See und fiel dabei einfach um.«

      »Er war schon lange herzkrank«, erklärte Mrs. Greenwood. »Er wollte die Anordnungen seines Arztes nicht befolgen. Er sagte, er würde normal weiterleben, solange er könnte und gönnte sich entsprechend keine Ruhe.«

      »Und es bestand zu keinem Zeitpunkt ein Zweifel daran, dass er eines natürliches Todes gestorben war?«, wollte Finch wissen.

      »Lieber Gott, nein! Wo denken Sie hin?«, erwiderte Lancaster. »Sein Herz setzte einfach aus, weiter nichts. Er hatte immerhin schon die Siebzig überschritten. Jedem war bewusst, dass es irgendwann einmal so kommen musste, … auch ihm muss das ohne jeden Zweifel bewusst gewesen sein.«

      »Aber ungefähr zu dieser Zeit machte sich der Erpresser ans Werk.« Wieder schaute Finch in die Runde. Acht ausdruckslose Gesichter erwiderten wortlos seinen Blick. »Mr. Greenwood glaubt, dass Sie jeder einzelne von Ihnen die Möglichkeit hatte, über sein Verbrechen oder das eingebildete Verbrechen Bescheid zu wissen. Er ließ eine bedeutungsvolle Bemerkung fallen, Mrs. Greenwood. Er ließ mich wissen, Sie hätten es vielleicht gesehen.«

      »Aber, Doktor Finch …«

      »Halten wir uns nicht mit Entgegnungen auf«, wehrte er ab. »Sehr viel wichtiger ist doch die Bemerkung an sich. Er sagte wortwörtlich: ›Sie kann es mit angesehen haben.‹ Das lässt mich auf eine körperliche Tat schließen, die jemand beobachtet und als Verbrechen erkannt haben könnte. Aber wohlgemerkt, nicht nur einer von Ihnen, sondern jeder von den acht Anwesenden.« Abermals blickte er rings um den Tisch. »Führt uns das irgendwohin?«

      »Demnach waren wir alle irgendwo zusammen, als dieses Verbrechen verübt wurde«, sagte Lancaster. »Und ich glaube kaum, dass das in den letzten Jahren öfters geschehen ist!«

      »Das würde die Dinge ohne Frage vereinfachen«, seufzte Finch. »Wann waren Sie alle beisammen?«

      »An dem Wochenende, an dem Ryans Vater starb, waren wir alle hier«, antwortete Mrs. Greenwood. »Es war unsere Zusammenkunft nach meiner Hochzeit.«

      Lancaster blickte nachdenklich auf seinen unberührten Teller.

      »Und vorher waren wir beim Essen beisammen, das Ryan veranstaltete, um seine Verlobung mit dir zur verkünden, Kathlyn.«

      »War bei diesen Anlässen sonst niemand weiter zugegen?«, wollte Finch wissen.

      »Wenn Sie damit Personal meinen: nein, nur unser Freundeskreis«, versicherte Mrs. Greenwood.

      »Weiter«, bat er. »Wann noch?«

      Keiner der Anwesenden antwortete. Stattdessen schauten sie einander an und kramten in ihrem Gedächtnis.

      »Wir waren noch oft alle zusammen«, meldete sich Mrs. Greenwood nach einer Weile, »aber das war immer bei Gesellschaften und Bällen, wo auch noch andere Leute zugegen waren.«

      Sie überlegten und zählten alle mögliche Anlässe auf, doch jedes Mal stellte sich heraus, dass es eine größere Gesellschaft gewesen war, oder dass einer von ihnen gefehlt hatte. Finch hörte aufmerksam zu, begann aber derweil zu essen.

      »Wir können uns nur an diese beiden Male erinnern, Doktor Finch«, stellte Lancaster abschließend fest.

      »Und dabei wurde bestimmt kein Verbrechen verübt«, fügte Robert Drummond hinzu.

      Finch legte Messer und Gabel beiseite und betupfte seine Mundwinkel mit der Serviette..

      »Ich bin ebenso daran interessiert wie Sie alle, von hier wegzukommen. Es widerstrebt mir, mich in den Vordergrund zu drängen, aber Tatsache ist, dass ich einige Erfahrung mit Kriminalfällen habe. Außerdem ist es mein Beruf, mich mit Geistesgestörten und Gemütskranken zu befassen … Ich habe Ihnen zwei Vorschläge zu machen.«

      »Nur heraus damit, Doktor«, ermunterte ihn Drummond ihn.

      »Wenn ich mit jedem von Ihnen unter vier Augen sprechen könnte, wäre es mir vielleicht möglich, etwas Licht in dieses Dunkel zu bringen.«

      »Ich wüsste nicht, was dagegen einzuwenden wäre«, wagte sich Drummond vor und blickte die anderen um deren Zustimmung bemüht an.

      Keiner widersprach.

      »Zweitens besteht die Möglichkeit, Mr. Greenwood zu bearbeiten«, fuhr Finch fort. »Ich denke, er wird von Zeit zu Zeit mit mir sprechen. Vielleicht kann ich ihn von seinem Vorhaben abbringen. Es könnte mir sogar gelingen, ihn zu bewegen, dass er sein Verbrechen eingesteht. Aber ich möchte Sie darauf hinweisen, dass dieses Vorgehen nicht ganz ungefährlich ist.«

      »Wenn man bergab geht, gehen sogar die Steine mit«, knurrte Drummond. »Können wir überhaupt noch in größere Gefahr geraten?«

      »Nur auf folgende Weise«, erklärte Finch. »Mr. Greenwood könnte plötzlich rasend werden und früher handeln, als er es momentan noch beabsichtigt. Anstatt ihn von seinem Vorhaben abzubringen, könnte ich ihn zu einer jähen, unkontrollierten Handlung antreiben. Wollen Sie dieses Wagnis eingehen?«

      »Einen Augenblick!«, rief Lancaster plötzlich verwundert. »Sind Sie am Ende der bekannte Doktor Charles Finch?« Er schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Wieso ist mir das nicht gleich aufgegangen? Er liegt wohl daran, dass der Name so … so …«

      »So gewöhnlich ist«, fiel Finch mit flüchtigem Lächeln ein.

      »Hört mir einmal gut zu«, forderte Lancaster die anderen auf. »Dieser Mann gehört zu den hervorragendsten Fachleuten auf dem Gebiet der Psychiatrie. Er hat schon mit Dutzenden von Mordfällen zu tun gehabt. Wir wären schön dumm, wenn wir seinen Anweisungen nicht aufs Wort folgen.«

      Robert Drummond nahm seine Brille ab und putzte sie mit einem Taschentuch.

      »Das hätte mir auch klar werden müssen«, gestand er ein. »Die Sache entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Voriges Jahr fuhr Ryan eigens nach zu einem Prozess, bei dem Sie als Experte auftraten, Doktor.«

      »Er erzählte es mir«, bestätigte Finch.

      »Ich glaube, wir tun gut daran, Ihnen hier die Leitung zu übergeben«, riet