Die Pyrenäenträumer - Band 2. Wolfgang Bendick

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Название Die Pyrenäenträumer - Band 2
Автор произведения Wolfgang Bendick
Жанр Языкознание
Серия Zu Wasser und zu Lande
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750216471



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Anfang noch direkt im Stall. Bei den älteren, die wir von Jimi gekauft hatten, ging das einigermaßen. Doch die Jungen aus dem Baskenland machten uns manchmal das Leben schwer. War man zu zweit, hielt einer das Schaf, während es der andere molk. Zum Glück hatten sie Hörner wie Fahrradlenker, an denen man sie packen konnte! Doch wehe, die verfingen sich mal in einer Hosentasche, oder der Bock rammte sie uns in den Rücken! War man alleine, so musste man die widerspenstigen anbinden, was diese aber nicht davon abhielt, bisweilen ein Bein in den Eimer zu stellen oder hinein zu scheißen. Deshalb leerten wir ihn nach jedem Schaf durch einen Filter gleich in die Kanne. War aber etwas drinnen, bekamen die Lämmer die Milch. Freunde von uns siebten die Knödel aus, wenn der Eimer voll war. „Das gibt erst den richtigen Schafsgeschmack!“, meinten sie.

       Es wurde Zeit, einen Melkstand zu bauen! Wir hatten dafür den früheren Lämmerstall vorgesehen, wo auch der Milchtank stand, und wir zusätzlich 1 bis 2 Tonnen Luzernecops und Getreide in Säcken lagern konnten. Bei der Kooperative hatte man uns vorgeschlagen, ein fertig gemischtes Kraftfutter zu nehmen, das auch billiger sei. Ich las den am Sack angenähten Zettel. Darauf waren Eiweißgehalt, Fett und Rohfaser angegeben. Der Eiweißgehalt war in pflanzliches und tierisches Eiweiß unterteilt. Ich wollte den Unterschied wissen. Der Verkäufer meinte, „das erste kommt von Pflanzen und das zweite… hmm, das soll wohl heißen, dass es für Tiere bestimmt ist!“ „Für mich sieht das eher so aus, als käme das von Tieren!“, sagte ich. „Das kann nicht sein! Man kann doch nicht Tiermehle an Pflanzenfresser verfüttern! An Schweine kann ich es schon verstehen, das sind ja Allesfresser!“ „Das ist mir nicht klar genug. Ich nehme lieber wieder Luzerne und Getreide!“, gab ich zurück.

      Wir hatten bald gelernt, dass nur mit unseren mageren Wiesen und deren Heu wir nicht viel Milch aus den Eutern herausziehen konnten! Das war eine Erfahrung, die zu akzeptieren uns schwerfiel, hatten wir doch davon geträumt, futtermäßig autonom zu sein, bei inzwischen 25 Hektar Fläche! Uns fehlten eben flache Parzellen, auf denen Getreideanbau möglich gewesen wäre! Doch jede flache Parzelle blieb im Familienbesitz, wurde nicht veräußert, oder wenn doch, dann trafen die Interessenten sich vor Gericht, weil niemand sie einem anderen überlassen wollte! Dieses Spiel mitzumachen hatten wir keine Zeit und Lust, uns war ein gutes Verhältnis zu den anderen Bauern lieber!

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      Wir bauten einen Melkstand, worauf sechs Schafe Platz fanden. Am Anfang und am Ende befestigte ich mit Scharnieren eine Rampe, auf der wir die Biester anfangs mehr hinaufschleiften, als dass sie selber gingen! Dann klappten wir die Rampen hoch, was die Tiere seitlich blockierte. Auch waren ihre Hälse in der Raufe eingeklemmt. Während sie etwas Futter fraßen, molken wir sie nach hinten aus, wie bei Ziegen. Einmal fertig, klappten wir das Brett hoch, welches die Köpfe auf der Raufenseite blockierte, und sie sprangen hinunter. Dann wurden sie in den Hof entlassen. Und schon kam die nächste Ladung durch die Tür. Zum Glück merkten sie bald, dass auf der Rückseite Futter lag und sie hechteten hinauf, bald ohne unsere Hilfe. Die Jungen befanden sich in dem noch freien Raum im Schweinestall.

       In den Milch- und Melk-Raum der Schafe stellten wir auch unsere Schrotmühle, eine Art Fass mit einem Elektromotor auf dem Deckel, an dessen Achse eine Klinge saß, das sich in einem Gitter drehte und die Körner zerschlug. Je nach Gittergröße kleiner oder grösser. Der Vorteil von diesem Gerät war, dass kein Mehlstaub nach außen gelangte und dass es mit 220 Volt lief!

      *

      Einmal in der Woche maßen wir die Milchmenge eines jeden Schafes. Die Weibchen, deren Mütter täglich mehr als einen halben Liter Milch gaben, behielten wir zur Nachzucht. Wir hatten bald die Gewissheit, dass diejenigen, die wir zusammen mit Jean-Louis gekauft hatten, nicht besonders waren. Es war wohl die dritte Wahl! Die erste Wahl hatten die Bauern selber behalten, die zweite hatte Jean-Louis bekommen! Das wurmte uns, denn wir hätten lieber mehr gezahlt um mit Sicherheit gute Tiere zu haben. Denn wie soll man mit minderwertigen Schafen eine gute Herde aufbauen?

      Wir hatten gehört, dass Deutsche in Esplas ostfriesische Milchschafe mitgebracht hätten, die 4 bis 5 Liter geben würden. Wir wollten es nicht glauben, war die tägliche Höchstleistung bei uns doch nur 1 ½ bis 2 Liter! Wir waren schier neidisch auf sie! Solche Tiere bräuchten wir auch! Eines Tages fuhren wir alle hin. Wir fanden sie nicht gleich, sahen aber in einer Wiese ein paar Schafe stehen, deren Rasse uns unbekannt war. Doch wie sahen die aus! Abgemagert, krank, einfach elendig! Das war der Rest der vielgelobten Herde, die andere Hälfte war schon eingegangen! Die Besitzer hatten den Fehler gemacht, billig einzelne alte, reformierte Tiere aus mehreren verschiedenen Herden zu kaufen. Jedes Tier hatte eine latente Krankheit mitgebracht, die auf die anderen übergegangen war. Auch hatten die Tiere sich hier nicht akklimatisieren können, erstens waren sie zu alt dazu und zweitens, ist Ariège nicht wie Ostfriesland, wo das Gras schon wieder nachgewachsen ist, bevor die Schafe das abgerupfte richtig verdaut haben! Da waren wir plötzlich wieder zufrieden mit unseren Schafen und ihren mickrigen 1 ½ Litern!

      ZEIT UND GELD

      All diese Umbauarbeiten und Melkereien und Käsereien hielten uns nicht groß davon ab, den Mist auf die Wiesen zu schaffen, bei leeren Rückfahrten Feuerholz runter zu schaffen, die Straßen zu unterhalten, die Schultransporte zu machen, zwischendrin kleine Baustellen… War das Wetter entsprechend, klotzten wir draußen ran, ich schaute nicht auf die Uhr, ich hatte eh keine mehr, seit man sie mir in Indien geklaut hatte. Ich hatte einen solchen Zeitsinn entwickelt, dass ich auf fünf Minuten die Uhrzeit abschätzen konnte! Bis dann die Zeitumstellung erfunden wurde, dieser totale Schwachsinn eines Bürokraten! Die Natur hat einen Rhythmus. Der Mensch hat einen Rhythmus. Er fühlt sich wohl, wenn er in diesem lebt. Selbst wenn er ihn manchmal missachtet und eine Nacht durchfeiert! Doch dann ist er letztendlich froh, den Schlaf nachgeholt und seien Trott wiedergefunden zu haben. Bei den Tieren ist dieser Rhythmus noch tiefer eingeprägt, bestimmt durch Perioden der Ruhe und des Wiederkäuens. Schon eine Woche vor der Zeit-Umstellung veränderte ich täglich um fünf Minuten die Stallzeit, damit sie nach zwei Wochen in der neuen Zeit lebten, an die wir gebunden waren wegen des Schulbesuches der Kinder, der Geschäftszeiten… Mir kam vor, als sei das eine Weise der Regierenden, um uns, das Volk, das sie bestimmt als eine große Hammelherde betrachteten, noch gefügiger zu machen! Erst beraubt man uns um eine Stunde Schlaf, und dann, wenn man sich damit abgefunden hat, schenkt man uns eine! Das ist die einfachste und billigste Weise, jemanden zufrieden zu machen!

      Doch in der Käseküche hatte ich eine Uhr, denn hier ging es um mehr Präzision! Hier ging es darum, den Pyrenäenkäse, diese undefinierbare Sache, neu zu entwickeln. Es ging, anders ausgedrückt, auch darum, etwas Verkaufbares zu entwickeln, das uns ermöglichte, die vielen unvorhersehbaren Kosten zu decken, die der Wiederaufbau des Hofes erforderte, ganz abgesehen von unseren eigenen Bedürfnissen, die dem gegenüber aber eher minimal waren!

      Viele unsere Freunde waren in der gleichen Situation. Niemand hatte einen perfekten Hof übernommen, wir alle hatten nur unbenutztes, nach modernen landwirtschaftlichen Erkenntnissen sogar unbrauchbares Land erworben, oft mit einer Ruine darauf. Und jeder versuchte, daraus einen Musterhof zu machen, eine Art Oase, in der es sich für uns und unsere Kinder zu leben lohnte! Natürlich teilten nicht alle Neos, alle Neusiedler, unsere Einstellung. Viele ließen ihre Scheune in ihrem verfallenen Zustand und taten nur das Minimum, wie eine Plastikplane auf das Dach, um im Trockenen und Warmen zu sein. Manche wohnten in Autobussen oder Lieferwagen, die oft hier ihren Geist aufgegeben hatten. Viele hatten aber einen Garten. Selbst wenn die darin am besten gedeihende Pflanze das Marihuana war. Gemüse kam darin schon auch vor…

      Nicht alle Deutschen legten die ihnen nachgesagte, sprichwörtliche Arbeitswut an den Tag. Viele lebten in den Tag hinein, besser gesagt, träumten durch den Tag, nach dem Motto: „Am Morgen ein Joint, und der Tag ist dein Freund! Und warum arbeiten, wo es doch so viele Arbeitslose gibt, die eine Arbeit suchen! Durch die eigene Inaktivität schaffe ich jemand anderem einen Arbeitsplatz, und daher ist es stinknormal, dass der Staat mir eine Sozialhilfe zahlt, Wohngeld,