Название | Ganz oder gar nicht! |
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Автор произведения | Jennifer Weise |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783741808777 |
„Ron hat mich gewarnt, dass es zu gefährlich ist, wenn ich in den Ort geh’.“
„Er hat davon gewusst?“
„Nein, er meinte, ich soll Ben fragen, wenn ich was brauch’.“
„Ach so.“
„Warum ist er nur so zu mir? Ich hab ihm doch gar nichts getan!“
„Wer? Ben?“
Jessica nickte.
„Schlechte Erfahrungen.“
„Mit Frauen?“
„Kann man die nur mit Frauen machen?“ war Kanes Gegenfrage.
„Nein, aber er verhält sich mir gegenüber so grummelig und ich bin eine Frau.“
„Das ist uns allen aufgefallen“, lachte Kane.
Unwillkürlich rutschte sie ein Stück von ihm ab. Dieser eine Spruch hatte sie sofort wieder verunsichert. Forschend sah Kane ihr in die Augen, dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht.
„Haben Sie jemals mit solchen Männern auf engstem Raum gewohnt?“
Sie schüttelte den Kopf.
„An meinem allerersten Tag in diesem Job kam ich in ein Team nur mit Männern. Sie waren extrem raubeinig und grob. Es dauerte Monate, bis ich begriff, dass diese Art nur ein Panzer war.“
„Panzer?“
„In meinem Job darf man sich keine Schwächen erlauben, Jessica.“
Jessica beobachtete, wie Kane aufstand. Bevor er ging, meinte er noch:
„Seien Sie froh, dass Sie nur dieses Problem mit den Männern haben. Wenn einem ihre Männlichkeit zu schaffen macht, kann das richtig anstrengend werden.“
Unsicher sah sie Kane an.
„Wie haben Sie das gemeint?“
Kane schloss die Tür von außen. Sie war irritiert von seinem letzten Satz, er ergab für sie keinen Sinn. Jessica dachte über alles andere nach, was er ihr gesagt hatte. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte keiner der Männer ihr wirklich etwas getan. Außer Jake bei ihrer ersten Begegnung. Allerdings hatte er sich seit diesem Vorfall hilfsbereit und respektvoll verhalten. Und seine Hilfe heute würde Jessica ihm nie vergessen.
„Ich hab mich noch gar nicht bei Ihnen bedankt.“
Jake sah vom Laptop auf. Sein Blick war hart und er schien Jessica genau zu mustern. Im nächsten Moment sah sie ihn blinzeln, auf einmal lächelte der Mann sie an.
„Geht es dir besser?“
„Ja, danke.“
„Vielleicht macht das mein dummes Verhalten von unserer ersten Begegnung wieder wett. Ich habe es bis heute versäumt, mich dafür zu entschuldigen.“
Jessica wollte sich nicht über das, was damals passiert war, unterhalten.
„Wie wär’s, wenn wir noch mal von vorne anfangen?“ schlug sie vor.
„Danke, Jessica“, erwiderte Jake lächelnd.
Sie schüttelte den Kopf, ging auf ihn zu und umarmte Jake dann kurz.
„Ich habe Ihnen zu danken.“
„Ich hab schon auf dich gewartet.“
„Wieso?“
„Du kommst jede Nacht her.“
„Deswegen machen Sie also die Nachtwache!“ neckte sie Ron.
Jessica hatte beschlossen, allen mehr Vertrauen zu schenken.
„Das ist Ihrs“, mit den Worten drückte sie Ron etwas Kleingeld in die Hand, „tut mir leid, dass ich ohne zu fragen an Ihrer Brieftasche war.“
„…und das ich nicht auf Sie gehört hab.“
„Wobei?“
„Sie meinten von Anfang an, ich solle nicht in den Ort gehen.“
„Ich hätte mich gleich darum kümmern sollen, als du verrietst, dass du irgendwas brauchst.“
„Aber wenn nicht Sie sondern Ihr Kollege in den Ort fuhr…“
„Ich kenne Ben und weiß, wie ruppig er manchmal ist.“
„Manchmal?“
Ron lachte.
„Woher hat er eigentlich diese Narbe auf seiner Brust?“
„Die hast du geseh’n?“
„Das Riesending ist kaum zu überseh’n!“ versuchte Jessica etwas Unverfängliches zu erwidern. Dennoch musste sie sofort wieder daran denken, wie Ben halbnackt vor ihr stand. Schnell stand sie auf, als ihr die Röte ins Gesicht schoss, denn sie wollte nicht, dass Ron es bemerkte.
Jessica öffnete das Fenster und sah in die dunkle Nacht.
„Ganz schön heiß.“
„Oh ja.“
Aus den Augenwinkeln bemerkte Jessica eine Bewegung. Nur kurz drehte sie sich zur Seite, um sich dann auch sofort wieder weg zu drehen. Ron hatte sich sein Hemd ausgezogen und wischte sich damit den Schweiß von der Brust.
„Wir hatten schon einmal eine Frau bei uns. Sie bat uns um Hilfe und… Sie verhielt sich so unschuldig und verletzlich, das weckt in einem Mann etwas.“
Jessica zog es vor, darauf nichts zu sagen. Ron fuhr auch so fort.
„Lediglich Anna reagierte anders auf die Frau.“
„Ich verstehe.“
Warum sollte so ein Verhalten auch etwas in einer Frau wecken?
„Ich denke nicht, Jessica.“
Nun drehte sie sich doch zu Ron und zwang sich, ihm in die Augen zu sehen.
„Anna warnte uns vor dieser Fremden, aber wir waren blind.“
„Was ist dann geschehen?“
„Sie hat versucht, Ben zu töten.“
„Warum erzählen Sie mir das alles?“
„Du hast danach gefragt.“
„Sie war das mit der Narbe?“
Ron nickte.
„Wenigstens haben wir dadurch gelernt, auf Anna zu hören.“
„Aber diesmal ist sie nicht da und kann Ihnen nicht sagen, ob Sie mir trauen können.“
„Das hat sie längst.“
„Was?“
„Wir haben den Rest auf der Speicherkarte entschlüsselt.“
„Und was stand da?“
„Das darf ich dir nicht verraten.“
„Beweg dich nicht!“ da war er wieder, der typische Befehlston dieser Männer. Verunsichert sah Jessica Ron an, der langsam auf sie zukam. Was sollte das jetzt? Was hatte Ron vor? Jessicas Blick wanderte unruhig hin und her, bis sie schließlich an seiner nackten Brust hängen blieb. Automatisch wurde ihre Atmung schneller.
„Ganz ruhig, Jessica!“
Ron war verwundert über diese Frau. Woher nahm sie auf einmal das Vertrauen zu so einem Gespräch?
Als er es sah, wollte er ihr sofort helfen. Er war sich sicher, sehr viel mehr über diese Frau zu wissen, als ihr bewusst war. Sie hatte in ihren Manuskripten so viel über sich selbst, ihre Sorgen und Ängste eingebracht, wahrscheinlich mehr, als ihr bewusst war.
Als er bemerkte, wie ihre Atmung schneller wurde, versuchte er sie zu beruhigen. Sicher hatte sie das Viech