Sperr gut. Dagmar Herrmann

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Название Sperr gut
Автор произведения Dagmar Herrmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742728678



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anarchie untergraben die feldmark

       lindenbäume schreien im wind

       die blütenträume ausgeträumt

       axt des kahlschlags an die wurzel gelegt

       das übel auszumerzen

       die erinnerungen

       sollen verbleiben im unterstande

      gebirgszüge neigen sich im rechten winkel

       erschlagen das aufkommende gewissen

       es soll sich nicht wieder rühren

       und jeder der die botschaft kennt

       wird kaltgemacht

      wenn der hahn dreimal kräht …

      auf der turmspitze

       im kreis dreht der wetterhahn

       feurig der schnabel

      über hitzepflaster

       hasten verschwitzt börsenmakler

       im steifen hemd

      dachpfannen glühen

       der pirol pfeift im baum

       traurige lieder

      verbrannter zungen

       wortlosigkeit der münder

       einsamkeit greifbar

      in der spelunke

       sturzbetrunkene männer

       zündeln mit feuer

      es wettert der hahn

       empor lodern die flammen

       kolonne marschiert

      hinter dem fenster

       schließt leise sich der vorhang

       das tischtuch ist glatt

      im krug kühles bier

       die liederliche hausfrau summt

       von rechter ordnung

      auf die knie

      der mann mit harten augen / eiskalter blick

       er ballte die faust / zeigte unerbittlich

       den finger nach unten

       der mann mit dem schwarzgelockten haar

       die nasenflügel bebten / sank in den staub

      die tritte / stiefel aus stahl

       trafen auf / brust / eingeweide / kopf

       er blutete

       wand sich wie ein verendender wurm

       die glieder zuckten

       das gesicht mit den armen schützend

       drehte er sich auf den bauch

      der fremde

       der feigling

       die memme

       seht wie er kriecht und flennt

      der mann mit dem feisten aufgeblähten gesicht

       packte ihn am schopf / riss zurück mit einem

       gewaltigen ruck den kopf

       es knackte der nacken

       augen quollen aus höhlen

      die menge glotzte / einige riefen:

       gib’s ihm

       gib’s ihm!

      der mann mit den stiefeln

       stark wie ein bär

       der kleine mann mit dunkler haut

       und kohlschschwarzen augen

       tränenüberströmt

       schluchzte und wimmerte:

       pourquoi pourquoi?

       bittend streckte er den arm

       seinem peiniger entgegen

      ein schlag wie ein hammer

       der arm sank herab

       wie ein gefällter baum

       die menge johlte

       die schwarzen stiefel

       zerquetschten den rücken

       einer weniger

       brüllte er

       in siegerpose

       des beifalls gewiss

      eine sirene heulte von weit her

       die reihen fest geschlossen

       bildete die menge eine gasse

       in der er langsam verschwand

      er ging nach hause

       zu seiner ehefrau

       es war sonntag

       sie hatte einen

       sauerbraten

       bereitet

      die leere füllt den raum

      er biegt sich unter der leere

       zwängt sich zusammen

       zu einem knäuel von atemlosigkeit und unrast

       kriechen eine möglichkeit zu entkommen bevor

       der raum leere dich erdrückt

       tastend mit den fingerspitzen das gesicht am boden

       totale verdunkelung

       keine alarmglocke hat angeschlagen

       vor der zeit der erbarmunglosen abrechnung

       mit sich selbst

       wieder eine phase der selbstüberschätzung

       kurz ein aufflackern von hoch mut

       es könnte etwas gelingen

       ein tür täte sich auf ein licht durchleuchtet

       mit dunklen erinnerungen verhängte flure

       ein ausgang mit einem pfad schnurgerade

       keine abzweigungen mehr keine irritationen

       am ende eine spur die bleibt

       etwas fassbares

       nicht nur ein

       nichts

      tueren türen die sich von selbst öffnen

      das fegegericht ging dem ende zu

      im wartesaal zum dauerfasten

       warteten in einer langen

       nicht enden wollenden schlange

       die bittsteller

       eine opfergabe bereit haltend

       um gnade winselnd

       die hände in den hosentaschen

       versteckt der vorsitzende

       unter dem talar geheime trumpfkarten

       in der besenkammer lauerten strauchdiebe

       während sitzkartenverteiler die korridore

       unterliefen

       die fliesen hoben sich

       wandteppiche linkslastig

       verwirbelten alten staub

       fähnriche salutierten

       dem verschollen geglaubten geheimrat

       der aus dem hinterstübchen trat

       seine schreibfeder suchend

       halali bliesen die hasardeure