Название | Voll voraus, DODI! |
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Автор произведения | Claus Beese |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847619963 |
Ich schaute in die Runde der mit betroffenen Gesichtern dastehenden Leute. Nicht alle waren so ratlos wie ich und so mancher, der sich bezeichnend an die Stirn tippte, zeigte deutlich, was einige Leute über die alarmierende Mitteilung des kleinen Mädchens dachten.
»Sag mal, hat die das öfter?«, fragte ein Skipper anzüglich und ich warf ihm einen strafenden Blick zu.
»Wenn meine Tochter sagt, dass da unten etwas ist, dann ist da was! Du kannst dir gerne die Taucherbrille ausleihen und selber nachsehen«, tadelte ich ihn.
»Ich? Da rein? Nä! Ich kann gar nicht schwimmen!«, redete sich der Hasenfuß heraus, drehte sich um und ging zu seinem Schiff zurück.
»Soll sich der Hafenmeister drum kümmern! Das fällt doch in seine Zuständigkeit!«, schlug ein anderer vor.
»Genau! Oder ruft die DLRG an. Die haben richtige Taucher!«, meldete sich ein Dritter zu Wort. Die Helden hatten die Hosen gestrichen voll und versuchten sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen.
»Wofür bin ich zuständig?«, fragte Willy und sprang vom Rad. »Und wer hat hier so geschrien, dass mir zu Hause die Milch sauer geworden ist?«
Der Hafenmeister wohnte nicht weit entfernt und hatte offenbar Claudias Geschrei mitbekommen. Trotz Mittagspause hatte er sich auf sein Rad geschwungen und war im Eiltempo zum Hafen gesprintet. Jetzt bemerkte er die noch immer an allen Gliedern schlotternde Claudia und beugte sich zu ihr herunter.
»Warst du das? Glückwunsch zu der Stimme! Hoffentlich sind in der Umgebung die Fensterscheiben heil geblieben. Also, erzähl mal, was war hier los?«
»Verdammt noch mal! Da unten liegt ‘ne tote Leiche im Bach! Warum will mir das denn keiner glauben?«, heulte Claudia jetzt los, denn es tat weh wenn die ganze Welt einem misstraute.
»Hast du sie gesehen?«, fragte der Hafenmeister und Claudia schüttelte den Kopf.
»Nee, sehen kann man da nix! Auch mit der Taucherbrille nich! Aber gefühlt habe ich es. Erst war da so ein Plastiksack und da guckte eine glitschige Hand raus. Ich hab ‘s genau gefühlt!«
Kurzerhand fing Willy an sich auszuziehen. Als Hafenkapitän muss man jederzeit auf alles vorbereitet sein und so trug er unter seiner weißen Dienstkleidung natürlich stets eine Badehose.
»Tote Leiche! Hah! Soweit kommt das noch! In meinem Kanal schwimmen keine toten Leichen. Nicht mal lebendigen Leichen würde ich das erlauben!«, schnaubte er empört.
»Und wenn ich doch recht habe?«, forschte Claudia nach.
»Wenn du recht hast, kann die tote Leiche was erleben. Ohne meine Genehmigung schwimmt hier niemand, klar?«
Mit diesen Worten stieg Willy in „seinen“ Kanal und watete zu der Stelle, auf die Claudia zeigte. Er tastete sich ein paarmal hin und her und blieb dann unvermittelt stehen.
»Da is tatsächlich was!«, meinte er beunruhigt und tastete mit den Füßen einen offensichtlich langen Gegenstand ab. »Scheint ein Plastiksack zu sein, und da...! Upps!«
Er brach ab und schwamm schnurstracks wieder zu uns herüber. Mit Schwung zog er sich auf den Steg. Sehr ernst schaute er auf das trübe Kanalwasser. Dann drehte er sich zu Claudia um.
»Ich befürchte, du hast recht. Ich habe auch so etwas wie eine Hand mit den Füßen tasten können. Aber vielleicht ist es auch nur ein alter Gummi-Handschuh, wer weiß das schon? Auf jeden Fall werde ich die Polizei und die Kanalverwaltung anrufen.«
Innerhalb kürzester Zeit kam Leben in den kleinen Ort. Unaufhörlich jagten mit Tatü-Tata Fahrzeuge der Feuerwehr, der DLRG, des Katastrophen-Schutzes, der Polizei und der Kriminalpolizei durch den Ort. Krankenwagen, Notarzt und Bürgermeister durften natürlich auch nicht fehlen und so gab es im Handumdrehen einen verkehrstechnischen Kollaps an der schmalen Zufahrt zum Kanal. Da Bederkesa ein Kurort war, wunderte sich auch niemand darüber, dass sich viele der Senioren darin versuchten mit ihren Rollstühlen den Feuerwehrautos ein Rennen zu liefern.
»Hähä! Erster!« freute sich einer der Oldies, nachdem er sein Gefährt im Slalom um die den Weg versperrenden Einsatzfahrzeuge, durch den Park und schließlich die steile Brücke hochgejagt hatte. Dann verdrehte er keuchend die Augen und fiel stumpf zur Seite. Die eigentlich für andere Aufgaben herbei gerufenen Sanitäter gaben ihm eine ordentliche Sauerstoff-Dusche und der Alte schlug die Augen wieder auf.
»Danke, Jungs! Endlich ist mal was los in diesem Kaff und ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich es verpasst hätte! Hähä!«, meckerte er fröhlich. »Und jetzt geht beiseite, verdammt! Ich will was sehen!«
Schlauchboote mit starken Außenbordern wurden zu Wasser gelassen und jagten hin und her. Welche Aufgabe ihre Crews hatten, wird wohl auf ewig im Dunkel bleiben und zu den unerforschten Geheimnissen dieser Welt gehören. Doch dann ging ein Raunen durch die Menge und eine Gasse teilte sich in der Menge der Zuschauer. Der Kommissar war eingetroffen. Sofort schwärmten seine Gehilfen aus um festzustellen, wer hier am Tatort etwas gesehen, gehört oder gerochen hatte. Auch boten sie bei sofortigem Geständnis mildernde Umstände an, was dem greisen Rollstuhlfahrer auf der Brücke ein verächtliches »Schlaffies!« entlockte.
»Sofort alle festnehmen und foltern, hähä! Da waren wir doch damals ganz andere Kerle. Ich hätte den Fall schon lange geklärt!«, schnaubte er dann und winkte den Sanitäter mit der Sauerstoff-Maske heran. Mit verdrehten Augen nahm er noch einen ordentlichen Zug, der ihm auch augenblicklich wieder auf die Reifen half.
Inzwischen waren Taucher in den Kanal gestiegen und schon nach kurzer Suche bugsierten sie ein Paket zum Anlegesteg des Hafens, das in blaue Müllsäcke geschlagen war. Mit vereinten Kräften wuchtete man das Ganze an Land und als die Helfer die Tüten losließen, rutschte tatsächlich ein schon vom Wasser unansehnlich aufgequollener Arm aus dem Plastik heraus und landete mit einem grässlichen »Pfffrrrtsch!« auf dem Rasen, wo er schlaff in sich zusammenfiel.
Der Notarzt und der Gerichtsmediziner öffneten jetzt vorsichtig das verschnürte blaue Paket und ein Stöhnen ging durch die Menge, als ein Kopf, der ebenso aufgequollen war wie der Arm, herausrollte. Da ertönte aus der Menge, die sich schaudernd abgewandt hatte ein Schrei.
»Oh, mein Gott! Das ist meine Hilde! Ich erkenne sie genau!«
Aufschluchzend trat ein älterer Mann aus der Schar der Neugierigen hervor und wankte zu dem blauen Plastikpaket. Er kniete daneben nieder und warf einen Blick hinein. Dann nickte er, stand auf und wandte sich an den Kriminalbeamten.
»Sie ist es! Oh, Herr Kommissar! Sie müssen herausfinden, wer mir das angetan hat. Meine Hilde, mein ein und alles. Seit zwei Wochen schon vermisse ich sie. So eine hübsche Schneiderpuppe finde ich nie, nie wieder!«, jammerte er.
Die beiden Ärzte standen jetzt ebenfalls wieder auf und in ihren Gesichtern war maßlose Verblüffung, aber auch Erleichterung zu sehen.
»Der Mann hat Recht! Es ist eine Schneiderpuppe aus Pappmaché!«, erklärte der Notarzt dem überraschten Kommissar.
»Pappmaché? Schneiderpuppe? Wie? Was?«, gurgelte der und lief dunkelrot an. Blitzschnell war ein Sanitäter mit der Sauerstoffmaske zur Stelle während ein zweiter seinen Arm nahm um ihm den Puls zu fühlen. Der Kommissar schüttelte die beiden ab wie lästige Fliegen und atmete ein paarmal tief durch.
»Mann! Wer sind sie?«, schnaubte er dann und schaute den jammernden Alten fragend an.
»Schneidermeister Ernst Kiekbusch, Herr Kommissar. Und das hier war meine Hilde. Eine topmoderne Schneiderpuppe, die ich mir erst im letzten Jahr auf der Messe „Nadel und Faden“ gekauft hatte. Vor zwei Wochen musste ich geschäftlich nach Cuxhaven und als ich wiederkam, war meine Hilde nicht mehr da.«
»Hm!«, machte der Beamte und ging um das Paket herum. »Wenn man genau hinguckt, sieht man noch, dass sie richtig hübsch gewesen sein muss!«,