Das Erbe. Helmut H. Schulz

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Название Das Erbe
Автор произведения Helmut H. Schulz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847660040



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      Lisa erläuterte, was sie meinte, und schloß: «Wenn der Junge in die Schule kommt, ist es sowieso aus mit solchen Touren. Schön, daß ich dich habe, Mutter.»

      «Ach, Mädel, wenn du immer so sein würdest, hätten wir es um vieles leichter.»

      Lisa versprach, mindestens alle zwei Tage anzurufen, um sich nach dem Kind zu erkundigen. «So was wollte ich schon immer mal machen, ich bin nie dazu gekommen.» Sie stutzte. «Wie alt bin ich denn? Gerade dreißig. Ich will dir mal was sagen, ich habe wohl manches falsch gemacht. Aber den liebe ich wirklich.»

      Lebenserfahren fragte die Mutter: «Weil er mit dir wegfährt, deshalb glaubst du das?»

      Am letzten Tag hatte Lisa zufällig mit Zebosinski Dienst, den sie ganz aus ihrem Bewußtsein gelöscht hatte. Zebosinski rief nicht mehr bei ihr an, nachdem er ihr tagelang durch nächtliche Anrufe den Schlaf geraubt hatte. Schließlich war es auch Pilgramer aufgefallen, daß regelmäßig angerufen wurde. Da es gelegentlich auch seinen Schlaf betraf, drohte er dem jungen Mann mit einer Anzeige.

      Jetzt sagte Lisa zu ihrem Verflossenen: «Mach doch nicht so einen Aufstand, Zebo. Es gibt ja nicht 'ne Handvoll, es gibt ja das ganze Land voll.»

      Zebosinski antwortete: «Wir werden ja sehen, wie lange deine Handvoll hält.»

      Nach Dienstschluß warf sie sich neben Pilgramer in den Autositz. «Erledigt, kannst die erste Stufe zünden.»

      Er startete den Motor.

       6

      Eigentlich war es eine der gewöhnlichsten Urlaubsfahrten, nicht weit und nicht aufwendig. Trotzdem war es eine schöne Reise, vielleicht gerade weil sie sich nicht zu viel vorgenommen hatten, ohne Plan fuhren, nicht unbedingt in einer selbst gestellten Frist irgendwo ankommen wollten. Zum ersten Mal erlebte Lisa einen Mann aus der Nähe, der nicht ihr Vater war.

      Sie sagte sich, ihre Ruhe käme zu einem gut Teil aus der Sicherheit Georgs. Den, regte anscheinend nichts auf. Ob sie ein Hotel fanden oder nicht, ob sie ein oder zwei Zimmer nahmen oder ob sie einfach bei Fremden anklopften und um ein' Nachtquartier baten, immer wiederholte sich derselbe Vorgang. Georg sagte seinen Spruch, quittierte das mürrische Nein verständnisvoll nickend. Meist erreichte er, was er wollte; er bezahlte ausreichend, ohne zu übertreiben.

      Übrigens war an Georg vieles gewöhnlich, wie Lisa meinte, das heißt wie bei Hinz und Kunz, der Trockenrasierer, das Transistorradio, Zeitungen kaufen, ohne sie wirklich zu lesen, das im Stehen verzehrte Backhähnchen. Oder der zu viel getrunkene Schnaps, was für den Entzug der Fahrerlaubnis gereicht hätte, eine der Tragödien unserer Zeit, die einen Sterblichen treffen können,

      «Die weißen Mäuse kriegst du doch auch rum.«

      «Die nicht», bemerkte Georg, «auf den Versuch laß ich es nicht ankommen.» Selbstverständlich vertraute er wie alle Sünder auf sein Glück, nicht ertappt zu werden.

      In einer Gaststätte zwischen Jena und Dornburg fragte Georg den Wirt, ob er ein Zimmer habe. Es war keines frei. «Natürlich, sagen Sie, wo ist denn vielleicht noch ein Gasthof, oder wo kriegt man sonst ein Quartier?»

      Lisa verfolgte das Gespräch ohne Interesse, ziemlich sicher, daß der Wirt sich entweder eines Gasthofes entsann oder einen anderen Vorschlag zu machen hatte.

      Georg sagte: «Zur Not haben wir das Zelt.»

      Es war nicht nötig, sich des Zeltes zu erinnern, bisher war es ungenutzt geblieben.

      «Für eine Nacht könnte ich Sie aufnehmen,' mein Sohn ist nicht da.»

      Und so weiter.

      Lisa ging zur Post, um zu telefonieren. Sie hätte von der Gaststätte aus anrufen können, aber sie wollte keine Zuhörer. Sie ging durch Dornburg, nahm sich vor, auf den Schloßberg zu steigen. In der Abendsonne sah die Bergkuppe wie geflammt aus, dank der Rosen. Auf der Post mußte sie warten, aber dann kam der Anruf durch. Ihre Mutter sagte, in Berlin sei das Wetter nicht besonders, es regne auch jetzt, und Lisa antwortete, hier sei das Wetter schön, aber sie hütete sich, allzu überschwänglich zu loben, um der Mutter keinen Anlaß zu geben, sich zu ereifern.

      «Wie lange bleibst du noch?»

      «Mutter, ich bin gerade den vierten Tag weg. Ist denn was?»

      «Nein, nein, ich dachte nur, du warst schon länger fort. Mir ist, als wäre eine Ewigkeit vergangen, seit ihr abgefahren seid. Oli will dich.»

      Lisa sagte Freundliches zu dem Jungen, der sich auch schon auf das Telefonieren verstand und einigermaßen antwortete. «Du mußt lieb sein, Mutti ist bald wieder zurück.»

      Ihre Mutter bemerkte noch, der Junge habe schlecht gegessen, heute früh erbrochen, aber jetzt scheine alles wieder in Ordnung.

      «Du, ich muß Schluß machen. Hier steht eine Schlange, ich bin auf der Post in einem kleinen Nest.»

      Sie unterließ es, ihre Adresse anzugeben, und es hätte auch nichts genutzt, morgen früh reisten sie weiter, wohin, das würde sich erst heute Abend entscheiden, wenn Georg die Karte aufschlug. Er liebte Landkarten und sammelte sie.

      Es gab auch gar keine Schlange in der Post, es war die ruhigste Post an einem Freitagabend, die man sich denken konnte.

      Lisa setzte sich auf eine Bank. Dieses Gespräch mit der Mutter hatte sie verstimmt, an das Leben erinnert, welches sie in wenigen Tagen wieder führen würde. Ihre Freude und gute Laune erloschen. Es würde vielleicht Tage dauern, bis sie sich wieder gefangen hatte. Dann sagte sie sich, daß sie auf alle Fälle morgen wieder anrufen müsse, schon um zu wissen, ob der junge ernsthaft krank sei. Vielleicht hatte ihre Mutter auch wieder bloß herumgeredet, um sich wichtig zu machen.

      «Du entgehst diesen Verpflichtungen nicht», sagte sie laut, «kannst machen, was du willst.»

      Auf dem Rückweg ins Hotel kam sie am Bahnhof vorbei, warf einen Blick auf den aushängenden Fahrplan und berechnete, daß sie morgen ganz früh in Berlin wäre, würde sie eine Karte kaufen und den Zug nehmen, der in einer halben Stunde ging. Oder sie hätten den Jungen doch mitnehmen sollen. Dann allerdings würde ihre Mutter wieder gequengelt haben, weil sie allein bleiben mußte.

      Sie kaufte in einem Konsum eine Taschenflasche Schnaps und setzte sich wieder 'auf die Bank vor der Post. Oben an den Bergkuppen legten sich blaue Schatten auf das Rot der Blumen, von der Saale her wehte es feucht, und es roch nach Abfall. Lisa trank ein paar Schlucke und rauchte eine Zigarette. Dann ging sie in eine der engen Straßen und klapperte die Läden ab. Da die meisten schon geschlossen waren, konnte sie nichts kaufen. Nach dieser Stadtrunde erschien sie wieder im Gasthof, gerade zur rechten Zeit. Georg fuhr den Wagen auf den Hof. Sie half ihm die Taschen herauszunehmen und in das Zimmer zu bringen, das ihnen der Wirt überließ.

      Es lag im Obergeschoß des Hauses, eines alten Bauwerks, das sich rühmte, Goethe beherbergt zu haben. Die Dachschrägen des Zimmers waren geputzt, auf den Putz hatte der Sohn des Wirtes Poster geklebt. Es gab kaum eine Handbreit Platz an den Wänden, überall hingen Bilder und Zeitungsausschnitte. Auf einer Kommode stand ein Plattenspieler. Unschwer waren das Alter und die Vorstellung vom Leben des Bewohners dieses Zimmers zu erkennen.

      Georg untersuchte die Platten: «Tanzplatten und solch Zeug.» Er gestand: «Die Beatles höre ich aber ganz gern.»

      Während sie auspackten, viel war es nicht, kam der Wirt, erkundigte sich, ob sie noch etwas benötigten, und ging wieder.

      Lisa legte sich auf das Bett, streifte mit den Füßen die Schuhe ab, betrachtete ihre unsauberen Zehen und fragte: «Wo kann man sich waschen?»

      «Geradeaus, erste Tür rechts.» Er erkundigte sich, wie es in Berlin stehe.

      «Es regnet.»

      «Hast du was», fragte er.

      «Was soll ich denn haben, müde bin ich, und waschen möchte ich mich.» Sie drehte ihm den Rücken zu.

      «Du, morgen wohnen wir im «Bären», bei Martin Luther, ich