Tod unterm Leuchtturm. Martin Cordemann

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Название Tod unterm Leuchtturm
Автор произведения Martin Cordemann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847656623



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Fundort einer Leiche.

      Einer weiteren Leiche.

      Unter einem weiteren Leuchtturm!

      „Nein, ich fürchte nicht.“

      Ich sah zum Leuchtturm hoch und wünschte mir, mein Urlaub wäre bereits vorüber.

      Wohl verhört?

      „Morgen, Rhode.“

      „Morgen, Chef!“

      Ich gähnte.

      Nicht aus Respektlosigkeit.

      Aus purer Müdigkeit.

      Aber mein Chef hielt mich eh für respektlos, ich hatte also nicht viel zu verlieren.

      „In mein Büro!“

      Das hörte man immer gerne.

      Naja, eigentlich nicht.

      „Kann ich etwas später kommen?“

      „Langweile ich Sie?“

      „Noch nicht.“

      „Haben Sie was Besseres vor?“

      „Das kann man so nicht sagen.“

      Das war nicht ganz richtig. Was ich „vorhatte“, war, ein paar Leute zu verhören, von denen sich einer hoffentlich als Mörder entlarven lassen würde. Prinzipiell war das natürlich interessanter, als ein lauschiges Pläuschchen mit meinem Chef zu halten; andererseits war aber zumindest einer dieser Leute ein Mörder und damit streng genommen keine angenehme Gesellschaft. Aber das hätte ich mir vielleicht überlegen sollen, bevor ich mich für diesen Beruf entschieden hatte.

      „Ich muss noch wen verhören.“

      „Die Sache mit dem Messer?“

      „Die Sache mit dem Leuchtturm.“

      „Leuchtturm?“

      Mein Chef sah mich verwirrt an.

      „Na, weil die Leiche doch… unter dem Leuchtturm… gefunden wurde?!“

      „Sie brauchen dringend Urlaub, Rhode!“

      Da mochte er Recht haben. Aber ich war nicht gewillt, ihm das zu zeigen.

      „Sie wissen, dass Sie der einzige sind, dem der Leuchtturm da überhaupt aufgefallen ist, oder?“

      Ich maulte ein undeutliches: „Ja.“

      „Gut. Kommen Sie in mein Büro, wenn Sie fertig sind.“

      „Wenn ich den Täter habe?“

      „Wenn Sie mit den Verhören fertig sind!“ wiederholte er und nahm mir damit meine Ausflucht, diesen Termin weiter und weiter vor mir her zu schieben, indem ich den Fall einfach nicht löste.

      „Na gut“, murmelte ich und trottete weiter. Ich fühlte mich ausgelaugt und müde. Vielleicht hatte er Recht, vielleicht brauchte ich wirklich Urlaub.

      Je mehr ich darüber nachdachte, umso mehr wurde diese Theorie unterstützt. Der Fall war inzwischen nämlich noch eine kleine Spur unglaubwürdiger geworden. Nicht nur, dass es nur vier Verdächtige gab, diese vier waren auch noch allesamt Ärzte – fünf, wenn man den Toten mitzählte.

      „Soll das n Scherz sein?“ hatte ich den Beamten in einer Mischung aus Verwirrung und Müdigkeit gefragt.

      „Ich fürchte nicht.“

      Wäre das eine Wendung gewesen, dann eine interessante – aber nichts hatte sich gewunden, von mir mal abgesehen, und das hatte nichts zum Fall beigetragen.

      „Hatten die nen Kongress?“ war das einzige, was mir einfiel, doch ich erahnte die Antwort bereits.

      „Die haben sich wohl öfter hier getroffen.“

      Ja, so was in der Art hatte ich auch angenommen.

      „Wahrscheinlich haben die auch alle ihre eigenen Messer dabei“, murmelte ich.

      „Nein, nur das Opfer.“

      War ja klar gewesen. Wenn jetzt nur einer immer ein Messer dabei gehabt hätte, dann hätte das die Aufklärung unglaublich erleichtert. Obwohl, genau genommen war es ja so – und genau genommen erschwerte das die Aufklärung eigentlich eher. Ich unterdrückte ein Gähnen indem ich laut gähnte.

      „Langweilt Sie dieser Fall?“

      „Ich wünschte, es wäre so.“

      „Sie sehen so aus, als…“

      „…würde ich Urlaub brauchen?“

      „Nee, nen Kaffee.“

      „Danke, aber ich mag keinen Kaffee.“

      „Wollen Sie n Bier?“

      „Haben Sie eins da?“

      „Nein.“

      Wär auch zu schön gewesen. Um. Wahr. Zu. Sein. Ich wurde immer müder.

      „Also fünf Ärzte, vier Verdächtige, das Opfer hatte sein eigenes Messer.“

      „So sieht’s wohl aus.“

      „Okay.“ Ich kratzte mich am Kopf. „Und es kann wirklich niemand anders gewesen sein?“

      „Der hätte den Kollegen auffallen müssen.“

      Prima. Jemand drückte mir einen Autopsiebericht in die Hand. Die Worte verschwammen vor meinen Augen. Vielleicht war ich gar nicht müde, vielleicht brauchte ich einfach eine Brille? Nein, mein lautstarkes Gähnen widerlegte diese Theorie.

      Wenn ich den vorläufigen Bericht richtig verstand – wovon nicht unbedingt auszugehen war –, dann war das Opfer von jemandem umgebracht worden, der mit einem Messer umzugehen verstand. Und damit war weder ein Messerwerfer gemeint noch ein Fleischer, sondern ein Arzt. Was gut ins Bild passte, da wir ja ein paar verdächtige Ärzte zur Auswahl hatten.

      „Wo sind die Verdächtigen?“ fragte ich einen vorbeikommenden Polizisten. Der sah mich nur an, hob die Schultern und erklärte, dass er zu dem Einsatzkommando gehörte, das wegen der Demo hier war. Was mich zu der Idee einer Polizeidemo brachte. Wenn die Polizei demonstrieren würde, würden zur Bewachung der Demo ja sicher auch Einheiten aus ganz Deutschland in Mannschaftswagen angekarrt werden. Und die Demonstranten würden auch aus ganz Deutschland anreisen. Ob man die dann wohl in den Einsatzwagen mitnehmen würde, da sowieso alle dasselbe Ziel hatten – sowohl geographisch als auch ideologisch? Ich wusste es nicht und ich vermied es, einen der Kollegen zu fragen. Wenig später hatte ich den Polizisten ausgemacht, mit dem ich eben die ganze Zeit gesprochen hatte. Ich ging hin und wiederholte meine Frage.

      „Wir haben sie in ein paar Verhörräumen untergebracht.“

      „Personalien, Fingerabdrücke…“

      „Alles in Arbeit.“

      „Hmmm.“ Ich dachte nach. „Wissen die, dass nur sie verdächtig sind?“

      „Sie meinen, dass es nur einer von ihnen gewesen sein kann?“

      „Ja.“

      „Nein.“

      „Gut.“ Ich lächelte. „Das heißt, in deren Augen kann es jeder gewesen sein?!“

      „Das stimmt.“

      Das konnte hilfreich sein. Oder werden. Ich wagte jedoch zu bezweifeln, dass es eine gute Idee wäre, sie jetzt zu verhören. Jedenfalls, was meinen Zustand betraf. Natürlich war es unerlässlich, sie jetzt zu verhören, weil es, was ihren Zustand betraf, zweifellos der beste Zeitpunkt war. Das war ungemein schlechtes Timing – aber ich hatte wohl keine andere Wahl.

      „Brauchen Sie noch was?“

      „Ne große Cola“, meinte ich. Vielleicht würde mich das ja