Das alte Jagdschloss und das neue Haus Band 2. Felix Sobotta

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Название Das alte Jagdschloss und das neue Haus Band 2
Автор произведения Felix Sobotta
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738036794



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müssen, haben sie Jürgen bald wieder aus dem Zimmer gebracht und Frieder für die nächsten dreieinhalb Tage unter leichter Narkose oder im leichten Dauerschlaf gehalten, wobei er flüssig ernährt wurde. Erst dann, am vierten Tag, als es schon dunkel war, hat man Frieder, noch leicht narkotisiert wieder in sein Zimmer gebracht, aus der leichten Narkose geholt und aufgeweckt, und da er von einer Blut- oder Knochenmarkspende nichts wusste oder gar noch etwas gespürt hat, ließ man ihn zunächst im Glauben, dass man ihm rein gar nichts, weder das kostbare Knochenmark noch sonst etwas abgenommen hat. Doch etwa drei Tage später ist Frieder wieder diese fragliche Knochenmarkspende eingefallen und man versuchte ihm diese von ihm hier erwähnte Knochenmarkspende auszureden, dass er vielleicht so etwas sicher geträumt hat und noch weitere zwei Tage später entdeckte er beim Duschen eine kleine, unscheinbare Einstichnarbe an seinem Beckenknochen, die er vorher glaubte nicht da gehabt zu haben und das ihm von uns erzählte Märchen, dass er da bestimmt schon vor langer Zeit von einer Zecke gebissen oder einer Mücke gestochen wurde, wollte er keinesfalls uns abnehmen. Da fiel ihm wieder diese für Jürgen so bitter nötige, und lebensrettende Knochenmarkspende ein, die er doch nur dann geben wollte, wenn man ihm auch die Freiheit dafür geben wollte. Doch als es darum ging, um was für eine Freiheit es da, bei Frieder gehen sollte, kam Frieder schon ins Stottern, denn so eine Freiheit, wie sie sich Frieder vorstellte, die schon bei den täglichen Mahlzeiten begann, wer dafür zuständig ist und die er auch immer dann genießen darf, wenn es ihm danach zu Mute ist und nicht nach der Uhr, denn auch die sollte die Allgemeinheit dann bezahlen, wie auch sein Quartier, das bestimmt auch recht bequem sein muss. Und wenn die Allgemeinheit dazu zu geizig ist, dann soll es halt sein Großvater bezahlen, der ja auch nichts tut und von seinem Nichtstun prima leben und große Sprüche kloppen kann, besonders gegenüber den Menschen, die nicht nach seine Pfeife tanzen. Diese Freiheit kann er vielleicht weit draußen in der sibirischen Taiga oder der Tundra, weit abseits jeglicher Zivilisation finden, wie es sie vielleicht noch lange vor der Steinzeit auch bei uns möglicherweise gab, in der, der Einzelne nur das zum Leben hatte was er sich zum Leben hat, egal wie auch immer hat draußen in der Natur hat beischaffen können, was es ja heute in unsern Breiten gar nicht mehr gibt. Und so haben sich die Verhandlungen mit den Behörden über Frieders Freilassung bis ins Unendliche hinausgezögert, bis endlich feststand, dass Frieder zu den Menschen gehört, die mit der persönlichen Freiheit nichts anfangen können, der nicht einmal mehr in der Lage ist, mit einem Mitmenschen sich ein Zimmer zu teilen oder das nötige Geld für seinen eigenen Unterhalt selber zu verdienen, auch wenn er davon keine Steuern an den Staat abführen müsste, denn er weiß ja gar nicht was Arbeiten überhaupt ist, denn es beginnt ja schon hier im Heim. Oder er müsste es seinem Vater Gereon nachmachen, der da jahrelang glaubte durch seine Banküberfälle ein sorgenfreies Leben führen zu können, wofür die andern Mitmenschen, wann auch immer geradezustehen haben. Das Gericht sprach ihm ein monatliches Taschengeld von zehn Euro zu, das ich, der falsche Opa ihm bis zu Opas Tod überweisen werde, über das er dann auch frei verfügen konnte. Doch er wollte da gleich dreißig Euro und wir uns bald auf zehn Euro und ein Weihnachtsgeld von dreißig Euro geeinigt haben, die er jeden Monat und zu Weihnachten von mir überwiesen bekam, denn man hat auch ihm das in Rechnung gestellt, was er die Allgemeinheit schon gekostet hat und er da erst mal wieder etwas an sie zurückzahlen soll. Dass ich nicht sein wahrer Opa bin, das wollte ich jetzt noch nicht so direkt sagen. Nur dann müsste er auch wieder einer geregelten Arbeit nachgehen, was er ganz und gar nicht wollte, denn zum Arbeiten und zum Geldverdienen sind doch die Andern da, die vielen Primitivitäten, doch nicht ich, der große Frieder, der doch zu viel, viel Größerem in dieser Welt berufen ist, das ihm halt nur noch nicht über den Weg gelaufen ist oder ihm ständig aus dem Weg geht oder sich gar vor dem von Frieder entdeckt zu werden gar fürchtet, dass er dann zu viel von dem Geld ausgeben könnte. Wahrscheinlich ist auch das Größere, zu dem Frieder berufen ist, noch zu primitiv für ihn oder nicht groß genug, dass er sich mit diesem Größeren auch abgeben sollte. Und so ist halt wieder alles, bis auf die Taschengeldzahlung von mir an Frieder beim Alten geblieben. Und manchmal fragte ich mich, warum tust du das denn überhaupt, denn du hast doch nichts Gemeinsames mit diesem Großkotz, mit dem ich keineswegs auch nur ein ganz kleines Bisschen verwandt bin. Dass Frieders wahrer Großvaters Eigenschaften, der Egoismus bei Frieder so zum Durchbruch kamen, hat mich doch zuweilen stark erschüttert, der auch nur sein eigenes Ich wahrscheinlich gekannt hat. Ob ich von Wilma einmal mehr über Gereons Vater erfahren werde, was das für ein Gernegroß oder Großkotz er bloß gewesen war und warum sie dann beide nicht auch geheiratet haben?

      Bei Jürgen hat die Knochenmarkspende, man könnte fast sagen, wie ein Wunder für alle sichtbar gewirkt, er hat auch bald wieder langsam im Wasser zu trainieren begonnen, was seinen Gesundungsprozess regelrecht beschleunigt hat und ein halbes Jahr später hat er seine verschobene, letzte Rettungsschwimmerprüfung wieder mit einer glatten Eins gemacht, worüber auch ich mich mehr als nur gefreut habe und er sich sichtlich auf die nächsten Taucherspaziergänge im Waldsee wieder freute, die er mit Onkel Heintje und Hans im nächsten Sommer machen möchte und dann auch den schon vergessenen Schatz heben wollen, den der Graf von Tuttlingen im 30jährigen Krieg bei Nacht und Nebel im Waldsee, vor den raubenden und heranrückenden Schweden nicht versenkt, sondern, wie er sicher glaubte, nur im Wasser kurzfristig versteckt hat, der bis heute noch nicht gehoben worden sein soll, da es bis heute keine Zeugen, außer den Geistern, die da im See ihre letzte, nasse Ruhestätte gefunden haben, die sicher bei ihren Streifgängen im Wasser durch den Waldsee, diesen da ruhenden Schatz wiederentdeckt haben und jetzt ihn uns heben oder aus dem See herausholen lassen wollen. Hin und wieder soll da auch der Geist des Grafen da im See nachschauen, ob auch alles, was sie damals zu ihrer Zeit versenkt haben auch noch da ist. Mehr Zeugen für diesen Akt der Versenkung gibt heute sicher nicht, als wieder die nächtlichen Geister, die doch ansonsten, was den Waldsee anbelangt recht schweigsam sind, uns aber diese reiche und goldheimliche Neuigkeit aus der langen Vergangenheit mitgeteilt haben, wohlwissend, dass wir, wenn wir diesen Schatz heben sollten, ihn sicher nicht für uns behalten werden, sondern ihn dann nach der Bergung ordnungsgemäß bei der heutigen Eignerin des Waldsees, der kleinen Spukhausener Gemeindeverwaltung, wie es sich gehört abliefern werden.

      Bei meinem nächsten Besuch bei Wilma habe ich mich doch schon gewundert, dass

      sie doch ein kleines Bisschen anders war als sie es in der letzten Zeit immer war; sie ist nicht gleich in eine, ihre persönliche Eiszeit mir gegenüber verfallen, als ich in ihrer Nähe auftauchte und mich ihre persönliche Abneigung hat spüren lassen, wie gleichgültig ich ihr doch immer noch bin, der nur für ihre finanzielle Seite und ihre weiteren Habseligkeiten sorgen darf; ansonsten war ich für sie das total unbekannte Wesen, das sie restlos enttäuscht hat oder sie immer wieder zu etwas zwingen will. Nur was das sein sollte, dass konnte oder wollte sie zu niemanden sagen, wie und wann das alles passiert sein soll, das hat sie uns nie gesagt oder auch sagen können oder gar wollen. Ob hier ihr eigenes Gewissen in was für einer Angelegenheit nicht mehr gar mitspielen wollte? Und seit Gereons Tod auch keine Dankeschön mehr über ihre Lippen brachte, denn alles was ich für sie jetzt getan habe, war sicher in ihren Augen eine Selbstverständlichkeit, für das sie doch kein Dankeschön sagen brauchte. Die heutige Begrüßung zwischen uns war zwar noch nicht herzlich, aber wir gaben uns schon mal, was auch schon sehr lange nicht mehr geschehen ist, wieder zur Begrüßung die Hände, was wir sicher schon seit dem Tag der Leichenschau nicht mehr gemacht haben. Und sie fragte auch, ob es bei uns daheim in Spuckhausen etwas Neues gibt und ich ihr sagte, dass vor gut einem halben Jahr Jürgen schwer an der Leukämie erkrankt ist und ich ihm mein Knochenmark nicht spenden konnte, da wir beide scheinbar nicht miteinander verwandt sind und ich erst jetzt dahinter gekommen bin, dass wir wahrscheinlich schon nach knapp achteinhalb Monaten einen kerngesunden Jungen bekamen, was doch einige Fragen aufwerfen kann oder gar muss, wer der eigentliche Zeuger von Gereon ist. Wilma fragte gleich weiter, ohne zunächst auf meinen Verdacht auch nur ein kleines bisschen einzugehen, wer dann das Knochenmark für Jürgen gespendet hat und ich ihr sagte dass es sein Bruder Frieder war, der dann als der ideale Spender ohne Wenn und Aber in Frage kam. Nach einer kleinen Pause sagte sie, dass dann Frieder doch kein so schlechter Mensch sein kann, wenn er so etwas für seinen Bruder getan hat. Jetzt schaute ich sie doch eine nicht zu kurze Weile, wahrscheinlich sehr fragend an und sagte dann, dass er schon für die bloße Blutprobe, in der die bloße Eignung festgestellt werden sollte fünfzig Euro verlangte, die er auch von mir, obwohl ich doch nichts mit ihm gemeinsam habe, bekam, bevor