Strandgut. Claus Beese

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Название Strandgut
Автор произведения Claus Beese
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738003093



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die Sache war eine Auseinandersetzung nicht wert.«

      Ich legte meinen Arm um ihre Schultern und ging mit ihr den Weg über die Seebrücke zurück an Land. Eine Brücke die nichts miteinander verbindet, ein ganz und gar sinnloses Bauwerk.

      Die Moorwaage

      »Junge, und du bist dir deiner Sache völlig sicher? Du willst wirklich von Bord gehen?«

      Man konnte es dem alten Kapitän ansehen, dass es ihm nicht recht war seinen besten Matrosen zu verlieren. Die Gedanken des „Alten“ kehrten zurück zu dem Zeitpunkt, als der Junge vor ihm auf dem Kai stand. Zerlumpt, abgerissen und abgemagert, eher ein Häuflein halb verhungertes Elend, als das Abbild eines Matrosen. Die nackten Füße schmutzig, das lange Haar wirr und ohne erkennbare Frisur.

      »Na Moses! Wo kommst du denn her?«, wollte der Kapitän von ihm wissen und der Junge zeigte die Lesum hinauf, den kleinen Nebenfluss der Weser, der seinen Ursprung hoch oben in den Mooren weit hinter Bremen hatte und hier am Vegesacker Hafen in den großen Strom mündete.

      »Und wohin willst du?«, forschte der Kommandant des Handelsseglers weiter.

      Johannes deutete einfach nur auf das Schiff und zeigte dann die Weser hinab in Richtung Meer.

      »Junge, und du bist dir deiner Sache völlig sicher? Du willst hier an Bord anheuern?«

      Johannes nickte einfach nur und der „Alte“ winkte ihm an Bord zu kommen. Johannes erklomm die Gangway und stand einen Herzschlag später vor seinem Kapitän, der von nun an nicht nur sein oberster Herr sein sollte. Der Junge lernte auf dem Segelschiff sein Handwerk, stieg auf vom Moses bis zum Bootsmaat und wuchs zu einem großen und kräftigen jungen Mann heran. Den Atlantik hatte er überquert, war durch das Mittelmeer bis nach Konstantinopel, dem früheren Byzanz gesegelt. Er kannte das Kap und den Tafelberg an der Südspitze Afrikas und die Häfen der arabischen Welt. Er durchkreuzte Taifune im indischen Ozean und kehrte mit den besten Seidenstoffen und seltensten Gewürzen zurück. Wertvolle Edelsteine, ausgesuchte Teesorten, Säcke voller Kaffeebohnen, es gab nichts, was nicht schon im Laderaum der „Katharina“ befördert worden war.

      Doch jetzt sollte es genug sein. Der Lederbeutel, in dem er seine Heuer und den Anteil am Erlös der Ladung stets gehortet hatte, war prallvoll und das Geld würde ihm und seiner Mutter ein bescheidenes aber sorgloses Leben ermöglichen. Sein Blick wanderte hinauf in die Lesummündung, seine Gedanken eilten zurück an den Ort, von dem er vor langer Zeit ohne Abschied aufgebrochen war und er hoffte, bei seiner Rückkehr noch alles so vorzufinden, wie er es kannte. Ein tiefer Blick in die Augen des „Alten“, der ihn die Jahre über mehr wie einen Sohn denn wie einen Matrosen gehalten hatte, sagte beiden mehr als Worte. Der Abschied war kurz aber Johannes wusste, dass er auf der „Katharina“ stets einen Platz finden würde. Er warf sich seinen Seesack über die Schulter und stieg über die Gangway hinab auf den Kai. Der junge Seemann brauchte nicht lang zu gehen, denn nicht weit vom Liegeplatz des Handelsschiffes lagen die Kähne der Torfschiffer. Sie fuhren den in den Mooren abgebauten Torf die Lesum hinab in die Hafenstadt an der Weser, wo er als Brennstoff für den Winter diente und in den Herden zum Kochen verfeuert wurde. Schnell war er sich mit einem der Bootsführer einig, ein paar kleine Münzen wechselten den Besitzer und Johannes ging an Bord des flachen Frachtkahns.

      Der Torf-Schiffer warf die Leinen los und ruderte das schwere, träge wirkende Gefährt in den Strom hinaus. Das jetzt zur Flut auflaufende Wasser würde es noch ein ganzes Stück die Lesum hinauftragen. Das kleine Segel gab dem Boot Vortrieb, so dass es gut zu steuern war und etwas schneller als die Strömung den Fluss hinauf glitt. An Backbord grüßte das hohe Ufer des bewaldeten Geestrückens, und das sich bereits bunt färbende Laub zeigte den beginnenden Herbst an. An Steuerbord dehnte sich die weite Sumpf- und Marschlandschaft des Werderlandes, Rinder und Schafe weideten auf den grünen Flächen. Die Schleifen und Kurven, welche der Fluss beschrieb, wurden immer enger und dann kam die Burg in Sicht. Hier an der Heerstraße gab es früher eine Furt durch den Fluss, die jedoch inzwischen mit einer Brücke überbaut worden war. Der Torfschiffer musste das Segel streichen und den Mast legen um sie zu passieren. Erst nach diesem Hindernis hatte das Boot wieder freie Fahrt.

      Das Wasser verursachte ein leises Plätschern am Rumpf des Bootes, und Johannes fragte sich, was ihn wohl erwartete. Der Torfschiffer räusperte sich vernehmbar, wohl ein Zeichen, dass er sich gerne mit seinem Fahrgast unterhalten würde.

      »Kommst du von weit her?«, fragte er und bemühte sich, hochdeutsch zu reden. Hier im Moor sprach sonst kaum jemand so, nur die gebildeten Herrschaften im fernen Bremen, die sich für etwas Besseres hielten, empfanden das alte Plattdeutsch wohl als nicht mehr standesgemäß.

      »Jo!«, antwortet Johannes einsilbig und wenig erfreut darüber, dass ihn jemand aus seinen Gedanken riss.

      »Un wo schall dat hengahn?«

      Der Kahnskipper verfiel unbewusst in den ihm wesentlich genehmeren Dialekt seines Landstriches, als er den Jungen nach dem Wohin fragte.

      »Ins Moor! Dort lebt meine Mutter«, antwortete Johannes und unterband damit weitere Fragen. Eine kleine Weile blieb es still im Boot, dann räusperte sich der Schiffer erneut.

      »Dor deit se woll all lang leven, wat?«, erkundigte er sich in der Hoffnung, den Jungen ein wenig aus der Reserve locken zu können.

      »Hm!«, gab dieser nur zur Antwort.

      Plötzlich legte der Mann aus dem Moor seine Stirn in Falten und seine Stimme klang heiser, als er fragte: »Du büss all de Johannes, nich? De Jung vun de Gerti, de olle Moor…wief!«

      Johannes registrierte dankbar, dass der Mann das Wort „Hexe“ nicht ausgesprochen hatte. Denn als solche war seine Mutter schon seit langem in der Gegend verschrien.

      »Du hast keine Ahnung, was damals passierte?«, fragte er anstelle einer Antwort und der Mann am Ruder schüttelte den Kopf.

      Johannes sprach leise, als er anfing zu erzählen. Er berichtete dem Torfschiffer von der Zeit, als seine Mutter Gerti noch ein junges Mädchen und als Magd in Stellung auf einem der Höfe im Moor war. Von diesen weit über das Land verstreuten Gehöften aus versuchte man, die ungastlichen Landstriche zu kultivieren. Das fröhliche Mädchen sah gut aus, und der Sohn des Moorbauern brachte es nicht fertig, seine Augen und später seine Finger von der schmucken Magd zu lassen. Zwischen den Beiden entwickelte sich eine große Liebe, die jedoch wegen der Standesunterschiede keine Aussicht auf dauerhaften Bestand haben konnte. Es kam, wie es kommen musste. Gerti trug alsbald ein Kind unter dem Herzen und weil sie verlangte, vom Jungbauern geheiratet zu werden, jagte man sie einfach vom Hof. Sie zog von Haus zu Haus, doch eine schwangere junge Frau wollte niemand einstellen. Keiner im Moor konnte es sich leisten, unnütze Esser durchzufüttern und so wies man sie an jeder Tür ab.

      Gerti fand mitten im Moor auf einer kleinen Wurth einen alten, halbverfallenen Schafstall, in welchem sie sich verkroch und wenig später ihren Sohn zur Welt brachte. So gut es ging, dichtete sie den Schuppen mit Moos und Torf ab, erbettelte sich karge Nahrungsmittel von den Moorbauern und lebte mehr schlecht als recht von dem, was Mutter Natur ihr zu geben bereit war. Im Laufe der Zeit lernte sie die Heilkraft des Moores und der Kräuter zu nutzen und manch einer kam zu ihr, um sich sein Zipperlein kurieren zu lassen. Sie ließ sich stets in Nahrungsmitteln bezahlen und schaffte es, ihren Sohn zu einem halbwüchsigen Jungen heranzuziehen.

      Es kam der Tag, an dem der Junge zerlumpt auf dem Hof seines Vaters erschien und um Arbeit nachfragte. Der Schrecken auf dem Hof war groß, denn der Junge war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Ein jeder konnte sehen, dass hier sehr enge Verwandtschaft bestand. Es war der Großvater, der seinen Enkel mit einem Knüppel vom Hof prügelte, während der Vater im Haus hinter dem Fenster stand und sich verleugnen ließ.

      »Elende Brut!«, brüllte der Alte ungerührt. »Jetzt wollt ihr also an mein Geld, was? Fort! Fort von hier, oder ich schlage dich windelweich!«

      Der Knüppel sauste herab und Johannes taumelte zurück.

      »Ich werde euch lehren, auf meinem Hof zu betteln! Ersäufen werde ich die ganze Sippschaft! Die Moorhexe und ihren Wechselbalg! Im Moor ersäufen, wo